«Ich habe eine fast abnormale Leidenschaft für den Oberaargau entwickelt»
Silvia Jäger ist seit über zwei Jahren Geschäftsführerin der Region Oberaargau. Mit ihrer offenen und sympathischen Art sowie ihrer sachbezogenen, zielgerichteten Arbeitsweise kommt die gebürtige Walliserin bei den Oberaargauerinnen und Oberaargauern gut an. Im Monats-Interview erklärt die 48-Jährige, weshalb sie ihren Job und die Region (fast) über alles liebt, warum sie trotzdem nicht im Oberaargau wohnt und welche Stationen ihren Lebenslauf zu etwas Besonderem machen.
Oberaargau · «UE»-Redaktor Patrick Jordi im Gespräch mit Silvia Jäger, Geschäftsführerin Region Oberaargau
Silvia Jäger, Sie leiten die Geschäftsstelle der Region Oberaargau nun bereits seit über zwei Jahren. Wie war das für Sie damals, als Sie den Job von Stefan Costa übernahmen?
Ich erinnere mich daran, dass damals auf der Geschäftsstelle fast alle in den Ferien waren. Es war mitten im Sommer. Ich trat meine Stelle als Geschäftsführerin ja per 1. Juli 2022 an. Ich war also teilweise auf mich alleine gestellt und musste mich in ganz viele neue Themen zuerst einarbeiten und mich «dreinschicken». In der Startphase wurde ich beispielsweise gleich mit dem regionalen Richtplan Abbau, Deponie und Transport konfrontiert – da dachte ich mir: Um Gottes Willen, Silvia, was machst du eigentlich hier! Ich komme ja eigentlich aus dem Bildungswesen; bin also auf vielen Gebieten, mit denen ich in meinem Job zu tun habe, keine Spezialistin. Aber das spielt heute keine Rolle und es spielte auch damals, im Juli 2022, keine. Ich finde immer irgendwie einen Zugang zu den Themen, die gerade anstehen.
Der Job als Geschäftsführerin der Region macht Ihnen also nach wie vor Spass?
Ja, sehr sogar. Trotz der vielen Herausforderungen am Anfang fühlte ich mich bald sehr wohl in meiner neuen Rolle und konnte mich super mit den Aufgaben identifizieren, die anstanden. Beides ist heute mehr denn je der Fall. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass es der richtige Entscheid war, diese Stelle anzutreten. Die vielen unterschiedlichen Themen, die stetige Weiterbildung «on the Job», das motivierte Team der Geschäftsstelle, die unzähligen Kontakte mit Entscheidungsträgern und der lokalen Bevölkerung – alles Gründe, die mich täglich in meinem Tun motivieren. Hilfreich war von Anfang an natürlich auch mein grosses Netzwerk, auf das ich im Oberaargau zurückgreifen konnte. Mein bestehendes Oberaargauer Umfeld unterstützte mich vorbehaltlos und ohne Umschweife ...
... weil Sie zuvor Oberaargauer Schulinspektorin waren – dazu kommen wir gleich. Beschreiben Sie aber zunächst den Oberaargau in bloss einem einzigen Satz. Wie lautet Ihr persönlicher Werbespot für die Region?
«Oberaargau. Ins Herz gemeisselt.» Das drückt es für mich wohl so ziemlich am besten aus. Allerdings, das muss ich zugeben, ist dieser Slogan abgekupfert – viele werden es kennen: «Wallis. Ins Herz gemeisselt.» (schmunzelt).
Diese Parallele macht durchaus Sinn. Wie man an Ihrem Dialekt unschwer erkennen kann, sind Sie keine gebürtige Oberaargauerin. Wo im Wallis liegen Ihre Wurzeln und was ist das Besondere daran?
Mein Vater stammt aus Turtmann im Oberwallis, meine Mutter hingegen aus dem französischsprachigen Teil des Kantons. Wir hatten in unserer Familie also gewissermassen unseren eigenen kleinen Röstigraben: Der Vater eher traditionell geprägt und gemäss dem Oberwalliser Klischee vielleicht etwas standhaft, die Mutter dagegen aufgestellt und weltoffen. Diese beiden «Welten» trage ich heute nach wie vor in mir. Auf der einen Seite das eher Traditionelle und Behäbige des Vaters, auf der anderen Seite das Offene und Nahbare der Mutter. Wir wuchsen bilingue auf. Meine Eltern betrieben in meiner Kindheit gemeinsam eine Tierarztpraxis in Visp. Meine Schwester und ich waren also die Töchter des lokalen «Vehdokters» (lacht).
Die Zweisprachigkeit zog sich bei Ihnen auch in der Ausbildung weiter. Nach der Seminarausbildung zur Kindergärtnerin/Primarlehrerin in Brig fingen Sie später dann an der Uni Freiburg ein Jura-Studium an, dem Sie ein abgeschlossenes Studium als Sekundarlehrerin folgen liessen. Später waren Sie unter anderem als Schulleiterin an der Oberstufe in Thun tätig. Doch wie hat es Sie letztlich in den Oberaargau verschlagen?
Im Oberaargau war eine Stelle als Schulinspektorin ausgeschrieben. Diesen Job wollte ich unbedingt haben. Ich meldete mich aus purer Überzeugung und aus Lust an der Aufgabe. Den Oberaargau als Region kannte ich damals überhaupt nicht. Und ich kannte weder vor Ort noch beim Kanton irgendjemanden, der mich in irgendeiner Form gefördert oder für den Job empfohlen hätte. Mit 31 Jahren war ich damals die jüngste Schulinspektorin der Schweiz. Jung, weiblich und erst noch mit ausserkantonaler Herkunft –, es war keine einfache Ausgangslage für mich. Ich hatte das Gefühl, ich müsste mich in meinem neuen Job sehr behaupten.
Behaupten gegenüber den Oberaargauerinnen und Oberaargauern?
Ja. Aber glücklicherweise bin ich dann mit sehr offenen Armen empfangen worden. Die Oberaargauerinnen und Oberaargauer haben mir von Anfang an eine Chance gegeben. Darauf aufbauend habe ich eine fast abnormale Leidenschaft für den Oberaargau entwickelt. Und es sind daraus über die Jahre Freundschaften entstanden, die heute weit über das Berufliche hinausreichen.
Sie waren also gewissermassen schon als Schulinspektorin im und für den Oberaargau als Botschafterin unterwegs?
Das kann man so sagen. Für mich war von Anfang an wichtig, dass ich die Nähe zu den Menschen habe und dass man mich in der Region kennt. Das hat geholfen, etwaige Hürden abzubauen. Meine offene Art hat dabei sicherlich auch geholfen. Als Schulinspektorin war ich gewissermassen das Bindeglied zwischen den Schulleitungen, den Schulkommissionen und den Gemeinden – auf kommunaler Ebene – und dem Kanton auf übergeordneter Ebene. Gegenüber Letzterem konnte ich schliesslich mit der Zeit glaubhaft machen, dass der Oberaargau eben nicht gleich tickt wie die anderen Regionen im Kanton Bern, sondern dass wir – trotz des urbanen Charakters von Langenthal – eine sehr ländliche Region mit vielen Eigenheiten und einmaligen Bedürfnissen sind.
Wenn in Ihrem Job als Schulinspektorin alles so «eitel Sonnenschein» war, warum haben Sie dem Oberaargau dann nach rund acht Jahren trotzdem «den Rücken gekehrt»?
Berufliche Gründe waren dafür verantwortlich. Mit der Region an sich hatte es überhaupt nichts zu tun, sondern unter anderem mit bildungspolitischen Haltungen seitens Kanton und mit einer Reorganisation auf kantonaler Ebene – damals wurde entschieden, meinen Inspektoratskreis aufzuteilen. Das war für mich nicht nachvollziehbar. Zudem sah ich mich zeitweise mit einem Kompetenzverlust konfrontiert, da sich der Job als Schulinspektorin mit den Jahren verändert hatte. Ich fühlte mich sodann – ich war damals um die 40 Jahre alt – ein wenig wie in einem Korsett gefangen und musste mich fragen: Was machst du jetzt? Bleibst du? Oder startest du nochmal anderweitig durch? Weil ich vom Naturell her eine Macherin bin, kam für mich nur Letzteres in Frage.
Sie wechselten dann an eine Privatschule nach Zürich und wurden dort Schulleiterin und Mitglied der Geschäftsleitung. Zuvor hatten Sie sich während Ihrer Zeit als Oberaargauer Schulinspektorin an der Uni Bern noch einen Masterabschluss in Public Administration geholt.
Ja, dieses Studium wollte ich machen, um mir zusätzliche Kompetenzen im Bereich der strategischen und operativen Führung öffentlicher Institutionen anzueignen. Mit dem Masterabschluss konnte ich meinen beruflichen Horizont im Verwaltungsmanagement erweitern.
So kehrten Sie wieder in unsere Region zurück. Jedenfalls in die erweiterte Region – nach Oensingen (SO), wo sie im Geschäftsführermodell die Verwaltungsleitung übernahmen und die Funktion der Gemeindeschreiberin innehatten. Nach drei Jahren bei der Einwohnergemeinde Oensingen wechselten Sie dann ans Pädagogische Zentrum für Hören und Sprache (HSM) in Münchenbuchsee, wo Sie die Gesamtleitung übernahmen. Warum dieser Wechsel?
Es war eine grosse Chance für mich, da ich als Gesamtleiterin HSM nicht nur für den Kanton Bern, sondern auch fürs Oberwallis und für den deutschsprachigen Teil des Kantons Freiburg tätig war. Ich war am HSM für rund 220 Mitarbeitende und 800 Schülerinnen und Schüler zuständig. Mir gefiel die Arbeit sehr gut, weil es eine sinnvolle Tätigkeit war und ich den guten Zweck dahinter sehen konnte. Beides ist für mich in meinem beruflichen Tun immer enorm wichtig gewesen. In dieser Funktion als Gesamtleiterin am HSM hatte ich erneut mit gehörlosen Menschen zu tun. Ich konnte also an frühere Zeiten anknüpfen, denn bei meinen Grosseltern im Unterwallis gab es damals eine Tante, die Sportangebote für Gehörlose durchführte. Ich und meine Schwester waren dabei nicht selten mit von der Partie und gingen beispielsweise zusammen mit meiner Tante und den gehörlosen Menschen zum Skifahren. So lernte ich damals die Grundkenntnisse der französischen Gebärdensprache. Noch heute könnte ich mich in ganz einfachen Sätzen in der Gebärdensprache verständigen, wenn es denn erforderlich wäre.
Dann wurden Sie – wie wir eben schon erfahren konnten – per 1. Juli 2022 Geschäftsführerin der Region Oberaargau. Wohnen Sie eigentlich mittlerweile auch im Oberaargau?
Nein, ich wohne in der Nähe von Bern, genauer: in Utzigen – ein Ortsteil, der zur Gemeinde Vechigen gehört.
Sie pendeln also jeden Tag von Utzigen nach Langenthal?
Ja, das macht mir nichts aus, ich fahre gerne Auto. In meiner Funktion habe ich auch regelmässig Sitzungen in Bern, etwa mit kantonalen Stellen. Diese Treffen terminiere ich dann entsprechend, damit ich an diesen Tagen oder Halbtagen nicht extra noch nach Langenthal fahren muss. Aber grundsätzlich bin ich eine überzeugte Pendlerin. Das hat auch seine Vorteile.
Welche denn?
Würde ich im Oberaargau oder sogar in Langenthal wohnen, wäre ich auch in privater Hinsicht ein Bestandteil des regionalen Geschehens und könnte womöglich in gewissen Bereichen nicht mehr so klar zwischen Privatleben und Beruf trennen. Ich denke, die Leute wissen es eben gerade sehr zu schätzen, dass ich als Geschäftsführerin der Region – die zwar nicht im Oberaargau wohnt, aber deren Herz voll und ganz für den Oberaargau schlägt – eine sehr unabhängige Rolle einnehme und der Beruf und das Sachbezogene bei mir an erster Stelle stehen. Es gibt sicher persönliche Haltungen, die bei mir manchmal etwas durchschimmern – aber das darf auch so sein.
Welche zum Beispiel?
Da ich sehr bodenständig aufgewachsen bin, sind mir traditionelle Werte nach wie vor wichtig. Als gebürtige Walliserin bin ich beispielsweise sehr heimat- und naturverbunden. Als Kinder arbeiteten wir in den Rebbergen oder halfen mit beim Heuen. Wir erlebten den Kuhkampf der Eringer-Kühe mit und besuchten viele andere traditionelle Anlässe im Wallis. Wie schon damals habe ich auch heute immer noch Freude an unserem Land und an der Schweiz als Staatsgebilde und Willensnation. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, wenn man sich fürs Vaterland einsetzt. Somit dürfte offensichtlich sein, dass die SVP «meine» grundsätzlichen Werte am besten repräsentiert. Die meisten Leute im Oberaargau wissen wohl nicht, dass ich mich für die SVP engagiere.
Gern geschehen – wer dieses Interview liest, weiss es jetzt (augenzwinkernd).
Das ist absolut kein Problem für mich (lacht). Wäre ich jedoch in einer unserer vier Oberaargauer Subregionen wohnhaft und würde mich dort auch noch politisch für die SVP engagieren – ja, dann würde man mir den Stempel natürlich berechtigterweise aufdrücken! Unter diesen Umständen könnte ich tatsächlich nicht mehr unabhängig sein. Darum nochmal und ganz klar ausgedrückt: Für mich ist es wichtig, dass ich das Berufliche vom Privaten trennen kann; als Geschäftsführerin der Region Oberaargau agiere ich neutral und bin für alle Anliegen offen.
Inwiefern engagieren Sie sich denn in Ihrer Wohngemeinde für die SVP?
Per 1. August 2024 bin ich als Exekutivpolitikerin in den Gemeinderat von Vechigen nachgerutscht. Ich habe dort das Ressort Umwelt (Tiefbau) unter mir. Im November kommt es auch bei uns zu Wahlen. Ich stelle mich zur Wiederwahl und würde mich freuen, wenn ich meinen SVP-Sitz im Gemeinderat sowie das aktuelle Ressort behalten könnte. Was in diesem Zusammenhang vielleicht auch noch wissenswert ist: Seit 2017 bin ich Vorstandsmitglied des SVP-Wahlkreises Bern Mittelland-Nord.
Wie hat es Sie eigentlich nach Utzigen respektive Vechigen verschlagen?
Von 2008 bis 2019 lebten ich und mein Partner in Ittigen. Da mein Partner in Ittigen aufgewachsen ist, wollten wir in der Region der Stadt Bern wohnhaft bleiben. Als wir dann Wohneigentum erwerben wollten, wurden wir in Utzigen fündig – also nicht weit entfernt von Ittigen und der Stadt Bern.
Was gefällt Ihnen an Ihrem aktuellen Wohnort?
Von unserem Haus aus sind wir sehr schnell in der Natur. Die Landschaft rund um Utzigen ist sehr ländlich geprägt; trotzdem ist man extrem schnell in der Stadt. Im Dorf geht es familiär zu und her – man grüsst sich auf der Strasse und sieht einander beim Einkaufen und in der Beiz. Es gibt ein aktives, geselliges Dorfleben. Mein Partner und ich fühlten uns von Anfang an sehr gut integriert im Ort. Die Leute sind bodenständig – wie wir auch. Das passt.
Man sagt, Sie seien ein richtiges «Arbeitstier». Stimmt das?
(lacht) Wenn Sie damit meinen, dass ich gerne und viel arbeite, dann stimmt es, ja. Bei mir muss halt immer was laufen, ich bin eine sehr aktive Person. Die Arbeit als Geschäftsführerin der Region Oberaargau gibt mir sehr viel. Es ist für mich deutlich mehr als bloss ein Job, weil ich mich in dieser Funktion – wie auch schon in früheren Jobs – für einen guten Zweck einsetzen kann und ich das Gefühl habe, etwas sehr Sinnvolles zu tun.
Wann sind Sie denn gestern Abend ins Bett? Und wann heute Morgen wieder aufgestanden?
Gestern ging ich so gegen Mitternacht schlafen – aufgestanden bin ich dann um zirka 4.30 Uhr in der Früh.
Au Backe! So viel zum Thema «Arbeitstier» ... ist das für Sie etwa Routine?
Wie gesagt: Bei mir muss fast immer was laufen – dafür verzichte ich gerne mal auf Schlaf. Aber apropos Routine: Einen klassischen Tages- und Nachtablauf gibt es bei mir eigentlich nicht. Ich stehe einfach generell früh auf und gehe eher spät ins Bett. Dazwischen bin ich den ganzen Tag über unterwegs, bin an Sitzungen, tausche mich mit meinen Mitarbeitenden aus, besuche Anlässe oder nehme andere repräsentative Aufgaben wahr.
Gewisse Leute meinen ja, die Geschäftsstelle der Region Oberaargau sei einfach eine Art von Tourismusbüro – mit dem blossen Hauptzweck, den Oberaargau zu vermarkten. Dabei ist das Aufgabengebiet wesentlich umfassender.
Allerdings. Ich beschreibe es jeweils so: Unter dem Dreiklang Wohnen-Arbeiten-Freizeit fördert der Verein Region Oberaargau im Auftrag der Oberaargauer Einwohnergemeinden und der übrigen Vereinsmitglieder die regionale Entwicklung und Zusammenarbeit in der Region. Die breit gefächerten Themenbereiche reichen von Standortförderung, Regionalentwicklung und -planung über Freizeit, Tourismus und Sport bis hin zu Energieberatung.
Was sind die Herausforderungen angesichts dieses breit gefächerten Angebots?
Es gibt Dinge und Entwicklungen wie etwa das Regionale Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzept (RGSK) oder die Agglomerationsprogramme (AP) sowie das regionale Angebotskonzept (RAK), die von Bund und Kanton her anstehen und die so oder so zu bearbeiten sind. Dann gibt es aber nebst diesen grösseren Brocken auch noch die individuellen Anliegen der hiesigen Einwohnergemeinden, der vier Oberaargauer Subregionen und der übrigen Vereinsmitglieder. Auf diese wollen wir mit der Geschäftsstelle unbedingt eingehen, denn wir verstehen uns als Dienstleisterin – die Oberaargauer Gemeinden sind hauptsächlich unsere Auftraggeber. Deshalb habe ich die Geschäftsstelle von Anfang an so strukturiert, dass wir genügend Ressourcen haben, um auf die Bedürfnisse der Gemeinden eingehen zu können.
Wo hat die Region Oberaargau noch Aufholpotenzial und Entwicklungsbedarf?
Um diese Frage zu beantworten, bediene ich mich erneut unseres Dreiklangs Wohnen-Arbeiten-Freizeit. Ich denke, dass wir in allen drei Bereichen noch Entwicklungspotenzial haben. Es muss uns gelingen, den Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten und bestenfalls neue Firmen im Oberaargau anzusiedeln. Weiter müssen wir auch dafür sorgen, dass es ausreichend attraktiven Wohnraum gibt und ein vielfältiges Freizeitangebot existiert. Im Allgemeinen finde ich aber, dass wir unbedingt noch sichtbarer werden sollten. Wir müssen den Bekanntheitsgrad des Oberaargaus
gegen aussen und innen stärken.
Keine einfache Aufgabe bei einer Region, die nicht wirklich historisch gewachsen ist. Schliesslich haben wir nicht so extrem verwurzelte und geschichtsträchtige Strukturen wie etwa das Emmental oder das Berner Oberland.
Ja, vor diesem Hintergrund ist es nach wie vor eine Herausforderung. Mit der Reform der Verwaltungskreise vor knapp 15 Jahren stiessen unter anderem Gemeinden des früheren Amtsbezirks Trachselwald zum Oberaargau dazu. Diese Gemeinden der heutigen Subregion Oberaargau Süd haben ihre ganz besonderen Eigenheiten –, wie die übrigen Gemeinden in den drei anderen Oberaargauer Subregionen Nord, West und Ost eben auch ihre Eigenheiten haben. Diese subregionalen Eigenheiten müssen unbedingt bewahrt bleiben. Sobald es jedoch um gesamtregionale Themen geht – etwa in den Bereichen Sport, Kultur, Bildung oder Wirtschaft – müssen wir als Oberaargauerinnen und Oberaargauer zusammenstehen und uns über diese verbindenden Elemente gegen aussen und innen profilieren. Nur so gelingt es uns, im überregionalen Kontext wahrgenommen zu werden und uns auch in Bern besser Gehör zu verschaffen.
Womit können wir uns denn gegenüber anderen Regionen klar abheben? Was zeichnet uns aus?
Alleine der ganze Wirtschaftsstandort Oberaargau und die hier vorhandene Wirtschaftskraft sind einmalig. Wir haben neben internationalen Unternehmen viele kleinere und mittelgrosse Firmen, die nach wie vor in Familienbesitz oder inhabergeführt sind und deren Wertschöpfung immer noch direkt vor Ort, hier in der Region, stattfindet. Darüber hinaus verfügen wir über einzigartige Naherholungsgebiete, wovon inzwischen einige – konkret: die Wässermatten – sogar anerkanntes Kulturerbe sind. Eigenheiten gibt es auch bei den Leuten: Die Oberaargauer Bevölkerung nehme ich als pflichtbewusst und arbeitsam wahr. Die Leute sind loyal, bodenständig und authentisch. Trotzdem zeigt sich der Oberaargauer respektive die Oberaargauerin gerne (welt-)offen, was durch die Nähe zu urbanen Zentren wie Zürich, Basel oder Luzern sogar noch gefördert wird.
Sie sehen unseren Status als Randregion innerhalb des Kantons Bern also überhaupt nicht als Nachteil?
Der Oberaargau liegt praktisch mitten in der Schweiz. Von «Randregion» zu sprechen ist also höchstens im innerkantonalen Verständnis zulässig. Die Nähe zu den angrenzenden Kantonen ist wiederum eine Eigenheit, die unsere Region auszeichnet und von anderen abhebt. Durch die Nähe zu Luzern, Aargau und Solothurn entstehen auch Synergien, die genutzt werden können. Wir müssen auch hier mit denjenigen Karten spielen, die uns nun einmal zugeteilt worden sind. Wie sagt man so schön: Das Glas ist halbvoll, nicht halbleer. Mein Eindruck ist, dass wir im Oberaargau nach wie vor viel zu bescheiden sind. Wir dürfen absolut stolz sein auf uns und auf das, was wir in unserer Region alles haben und was wir hervorbringen.
Noch eine Frage, die der Aktualität geschuldet ist: Derzeit ist die Region Oberaargau ja als Verein organisiert. Nun wurde vonseiten der Einwohnergemeinden angeregt – angestossen durch Ulrich Werren, Gemeindepräsident von Madiswil –, diese Rechtsform zu überprüfen und für die Region das Kleid der Regionalkonferenz zu prüfen. Auch die 39 Gemeinden im Emmental sind ja als Regionalkonferenz, und nicht als Verein, organisiert. Wie ist der Stand der Dinge bezüglich dieser Überprüfung?
Wir haben den Auftrag der Delegierten zur Überprüfung entgegengenommen und im Hinblick auf die Delegiertenversammlung vom 15. November die Unterschiede zwischen beziehungsweise die Vor- und Nachteile von Regionalkonferenz und Verein ausgearbeitet und aufgelistet. Einige Delegierte sind respektive waren der Ansicht, Anliegen der Gemeinden und der ganzen Region könnten im Rahmen einer Regionalkonferenz besser umgesetzt werden. Ich persönlich sah in der Vereinsstruktur nie einen Nachteil, im Gegenteil. Als Verein hat man einfache und unkomplizierte Strukturen, und man ist eher auf Augenhöhe mit den Gemeinden, wohingegen eine Regionalkonferenz eher einen übergeordneten, formellen Charakter hat. Mittlerweile wurde der Prüfantrag von der Subregion Süd zurückgezogen. Wir werden jedoch trotzdem an der Versammlung vom 15. November den Delegierten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Rechtsformen zur Information und Kenntnisnahme aufzeigen.
Silvia Jäger – Zur Person
Trivia und Gesprächsfetzen
Die 48-Jährige ist bekennender Eishockey- und Fussballfan. Im Wallis verfolgte sie sowohl Spiele des HC Sierre als auch des EHC Visp. Später, als sie sich in der Region Bern ansiedelte, ging sie die Spiele des SCB schauen – an einem SCB-Match lernte sie auch ihren heutigen Lebenspartner kennen. Heute schlägt das Herz von Silvia Jäger vor allem für den SC Langenthal. «Der SCL ist ein Leuchtturm für unsere Region. Der Klub hat es verdient, dass man hinter ihm steht», sagt sie. Silvia Jäger hat seit rund einem Jahr im Verwaltungsrat des SC Langenthal Einsitz und ist dort für das Ressort Infrastruktur zuständig. Ihr Ziel ist es, dass der SCL wieder aufsteigen und in einer höheren Liga erneut gegen den EHC Visp spielen kann. «Das habe ich meinen Leuten im Wallis mehr oder weniger schon so versprochen», sagt sie. Jäger ist eine leidenschaftliche Skifahrerin und geht gerne Wandern. Im Turtmanntal auf 2300 Meter über Meer gehört ihr eine einfache Alphütte ohne Strom und ohne warmes Wasser. Gelegentlich hält sie sich dort während der Sommermonate auf. «Das holt dich so richtig auf den Boden der Tatsachen zurück.» Zuhause in Utzigen hält sie sich gerne im eigenen Garten auf. Sie liebt die Nähe zur Natur und mag fremde Länder, weshalb sie auch das Reisen zu ihren Leidenschaften zählt. Sie und ihr Partner haben keine Kinder, kümmern sich zuhause aber liebevoll um zwei Katzen. «Mein Papa war Tierarzt, ich bin daher auch eine sehr tierverbundene Person», sagt Silvia Jäger. Bei ihr muss fast ständig etwas laufen. Darum geht sie, wenn sie Zeit hat, auch gerne an Technopartys, Rockkonzerte oder an folkloristische Anlässe. «Ich halte mich einfach gerne an Orten auf, wo das Leben spürbar ist», erklärt die 48-Jährige. Sie trinkt weder Bier noch Wein – und das als gebürtige Walliserin! Dafür hat Silvia Jäger eine Schwäche für Süssgetränke. Eine Rückkehr ins Wallis kommt für sie übrigens nicht in Frage. Der Kanton Bern ist und bleibt ihre «neue» Heimat. Patrick Jordi