• Dominique Aegerter hat in der letzten Saison viel gelernt. Dieses Wissen möchte er vielleicht dereinst neben der Rennstrecke für seine berufliche Laufbahn nutzen. · Bild: Marcel Bieri

28.12.2018
Oberaargau

«Ich habe in diesem Jahr sehr viel gelernt»

Dominique Aegerter hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Dieses hat zwar mit guten Klassierungen begonnen, doch nach einer Verletzung am Becken fehlten die guten Resultate, um sich die Zukunft frühzeitig mit einem neuen Vertrag zu sichern. In allerletzter Sekunde hat der Rohrbacher bei einem altbekannten und dennoch neuen Team Unterschlupf gefunden: Das MV Agusta Forward Racing, welches in den 70er-Jahren dominierte, kehrt in den Rennsport zurück und hat für sein Comeback Dominique Aegerter als Fahrer verpflichtet. Dieser ist zuversichtlich, dass er mit der neuen Maschine gute Positionen herausfahren kann. Wie er im «UE»-Monatsinterview verrät, sind aber noch nicht alle Voraussetzungen geschaffen, damit er erfolgreich sein kann.

Leroy Ryser im Gespräch mit Dominique Aegerter, Töff-Rennfahrer

Dominique Aegerter, heute wissen wir, dass Sie einen neuen Vertrag haben und in der nächsten Saison ihre Zukunft in der Moto2 gesichert ist. Das war aber ein langer, harziger Weg. Wie haben Sie dieses Jahr erlebt?
Sehr schwierig. Nachdem im letzten Jahr unser Teamchef Stefan Kiefer verstorben ist und unser Investor seine angekündigten finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stellte, wurde es finanziell und organisatorisch von Beginn weg schwierig. Wir haben rund 80 Prozent selbst finanziert, entsprechend waren ich und meine Familie für sehr vieles selbst zuständig. Im Laufe des Jahres verabschiedete sich auch noch mein Manager, weshalb ich sehr viel organisatorische Aufgaben aus dem Hintergrund des Rennzirkusses kennengelernt habe.

Sportlich hätte das Jahr eigentlich mit einigen starken Platzierungen begonnen...
Ja, das ist so. Nachdem ich mich aber auch noch am Becken verletzt habe und zwei Rennen abwesend war, wurde es auch sportlich zunehmend schwieriger.

Und deshalb wuchs dann die nächste Herausforderung: Das Sichern der Zukunft mit einem neuen Vertrag.
Genau. Viele haben das Gefühl, das sei einfach. Ein paar Nachrichten schreiben, ein paar Gespräche führen – aber so ist es nicht. Wir mussten enorm viel Zeit investieren, damit wir eine Lösung finden konnten.

Dabei hätten Sie schon früher ein Angebot erhalten, welches Sie aber abgelehnt haben. War das eventuell ein Fehler?
Das Risiko war ähnlich gross, wie es jetzt auch ist. Auch dieser Töff wäre praktisch neu gewesen, ebenso hätte ich einen grossen finanziellen Betrag selbst einbringen müssen. Wirklich schlechter ist der jetzige Deal deshalb nicht, es wäre vielleicht ein bisschen ruhiger um mich gewesen, als es jetzt die letzten Monate dann war. Ausserdem war ich damals mit einigen Top-Teams in Kontakt, wobei ich hoffte, mit weiteren Top-Platzierungen dort einen Vertrag zu ergattern. Ich würde deshalb heute nichts anders machen.

Sie haben letztlich erst ganz spät einen neuen Vertrag unterschrieben. Haben Sie selbst an der Fortsetzung Ihrer Karriere gezweifelt?
Ich wusste schon, dass meine Karriere noch nicht zu Ende ist, aber in der Moto2 haben sich immer mehr Türen geschlossen. Da wurde ich schon ein bisschen unsicher.

Dann haben Sie bereits einen Plan B vorbereitet?
Ja, ich war in Kontakt mit Teams unter anderem aus der MotoE. Das war dann ein ziemliches Geduldspiel. Auf der einen Seite versuchte mich die MV Agusta hinzuhalten, auf der anderen Seite hielt ich das Team der MotoE hin, die wiederum Druck gemacht hatten, weil sie endlich einen Fahrer haben wollten. Es war ein anstrengendes Hin und Her.

Positiv könnte man deshalb sagen, dass es für Sie eine lehrreiche Zeit war, oder?
Ja, vor allem über organisatorische Dinge. Ich habe gesehen, wie gross der Aufwand ist, ein Team zu führen und zu organisieren. Das hatte leider Auswirkungen. Mir hat oft die Zeit gefehlt, mich richtig vorzubereiten, richtig zu trainieren und mich richtig zu erholen.

Dann wollen Sie dies wahrscheinlich für nächste Saison verbessern?
Ja, das wäre das Ziel, aktuell stellt sich das aber weiterhin als schwierig heraus. Aktuell führe ich diverse Gespräche mit potenziellen Managern. Jemanden zu finden, der einerseits ein gutes Netzwerk und andererseits entsprechende Qualitäten aufweist und zugleich auch noch ins Lohnprofil passt, ist nicht einfach. In letzter Zeit haben viele dieser Aufgaben meine Familie übernommen. Es ist schön, wie sie mich unterstützen, es wäre aber besser, wenn meine Familie wieder mehr die Funktion einer Familie und nicht die eines Managements einnehmen könnte.

Dann bleibt ja auch noch ein letztes Thema: Noch ist die neue Saison finanziell nicht sichergestellt – es fehlen weiterhin Sponsoring-Beiträge.
Das ist so. Auch hier sind wir dran und suchen nach Geldgebern.

Sind Sie weiterhin zuversichtlich, dass es klappt?
Ja, die Zuversicht habe ich noch nicht verloren. Ich hoffe weiterhin, dass ich im nächsten Jahr wieder vermehrt einfach nur Töff fahren kann. Denn das ist es, was mir Spass bereitet.

Apropos Töff-Fahren – gehen wir davon aus, dass alles klappt und Sie genügend Geld, ein Management und einen konkurrenzfähigen Töff besitzen – worauf hoffen Sie für die nächste Saison?
Ich möchte möglichst schnell wieder in die Top-Ten fahren.

Sie werden aber auf einem komplett neuen Töff fahren – das macht die Ausgangslage nicht einfach. Wie beurteilen Sie die Situation?
Eigentlich ganz gut. Die ersten Tests haben mir zugesagt. Ich habe mich auf dem Töff sehr gut gefühlt, auch im Windkanal hat vieles gepasst. Letztlich werden die Rennen entscheidend sein, ein paar Updates werden danach bestimmt entscheidend sein, damit der Töff konkurrenzfähig ist. Aber aktuell habe ich ein gutes Gefühl. Ausserdem stehen alle voll und ganz hinter diesem Projekt und machen einen sehr engagierten Eindruck.

MV Agusta Forward hat in den 70er-Jahren viele Titel gewonnen und entsprechend einen grossen, nostalgieträchtigen Namen. Bedeutet Ihnen das etwas?
Ja, es ist schön, für ein solches Team zu fahren, das bereits bekannt ist. Vor allem auch weil sie Gas geben und versuchen, das Comeback zu pushen und zu bewerben. Letztlich ist in der Moto2 der Konkurrenzkampf immer eng. Die Pneus und die Motoren sind überall praktisch gleich, was man braucht ist ein gutes Umfeld und gute Techniker. Ich denke deshalb, dass vieles möglich sein wird.

Sie haben im drittletzten Rennen der Saison in Australien immerhin mit Rang sechs eine Top-Ten-Klassierung erreicht – kann man das als positives Zeichen für die Zukunft werten?
Durchaus. Ich denke, ich habe das Töff-Fahren nicht verlernt. Und natürlich nehme ich deshalb ein paar gute Dinge ins neue Jahr mit. Letztlich bleibt es entscheidend, dass man in einen Fluss mit positiver Energie kommt. Wenn es gut läuft, dann wird vieles einfacher. Und für mich heisst das, dass vieles möglich wird.

Blicken wir noch ein bisschen weiter in die Zukunft. Sie sind nun 28 Jahre alt und gehören in der Moto2-Klasse schon zu den älteren Fahrern. Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich würde gerne noch ein paar Jahre weiterfahren, vielleicht fünf oder zehn. Solange ich Spass habe und immer noch schnell bin, würde ich gerne in der Moto2 bleiben. Aktuell sind die Motoren neu mit drei Zylindern ausgestattet und haben deshalb 10 PS mehr. Mir gefällt das, also freue ich mich darauf.

Ist die MotoGP, die Königsklasse des Motorsports auf zwei Rädern, für Sie weiterhin ein Thema – trotz der derzeit schwierigen Ausgangslage?
Natürlich. Die ist und bleibt immer ein Ziel und ein Traum.

Und was passiert nach dem Ende Ihrer Karriere – also vielleicht in 15 Jahren?
Ich würde gerne selbst ein Team aufbauen, vielleicht als Manager arbeiten und gerade explizit Schweizer Talenten weiterhelfen. Ich habe in diesem Jahr gesehen, was es alles braucht, damit ein Fahrer sich auf das Wesentliche konzentrieren kann.
Ich würde gerne in diesem Business bleiben und vielleicht eine Akademie aufbauen, wie es Valentino Rossi in Italien getan hat. Gute Voraussetzungen für Talente schaffen. Insbesondere in der Schweiz wäre das eine schöne Aufgabe.

Wir hätten da noch eine andere, zugegeben etwas humoristischere Frage: Wenn Dominique Aegerter einst seine Karriere beendet hat, wird es dann in der Region zusätzliche Blech-Polizisten benötigen?
Mit dieser Rennleitung hatte ich noch keine Probleme (lacht). Ich selbst fahre aber tatsächlich selten auf der Strasse, ich habe nicht einmal einen Töff eingelöst und wenn ich Töff fahre, verhalte ich mich angemessen. Gerade auf öffentlichen Strassen weiss man nie, ob etwas auf der Strasse liegt und ob etwas entgegenkommt. In unserem Business habe ich viel über Sicherheit gelernt, da würde es mich kein bisschen reizen, gleich schnell auf Schweizer Strassen zu fahren.

Dann bleibt eigentlich nur noch eine Frage: In wenigen Tagen endet das laufende Jahr, dann beginnt das Jahr 2019. Was wünschen Sie unseren Lesern für das neue Jahr?
Dass Sie positive Berichte über mich lesen können. Und natürlich viel Glück und Erfolg, Gesundheit und Zufriedenheit.

Und vielleicht haben Sie für sich in Ihrer Heimatregion auch einen etwas persönlicheren Wunsch?
Ich fühle mich hier sehr wohl. Man hat alles, was man braucht, egal ob es ums Einkaufen, Reisen oder Entspannen in der Natur geht. Aber um ehrlich zu sein: Eine Rennstrecke im Oberaargau wäre toll ...