«Ich hätte nicht besser klettern können»
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Michelle Hulliger, Ramsei – Die am 22. November 1999 geborene Michelle Hulliger aus Ramsei feierte in Russland ihren bisher grössten Erfolg ihrer bereits 12-jährigen Sportkletter-Karriere: Juniorinnen-Europameisterin im Lead-Klettern. «Endlich hat es einmal geklappt», meint die Goldgewinnerin.
Sportklettern · Sie wurden in Russland von den Gefühlen übermannt, als EM-Gold feststand.
Ich wusste nach meinem Finaldurchgang, dass ich mindestens Silber gewonnen hatte. Als dann die letzte Konkurrentin sieben Griffe vor meiner erreichten Marke von der Wand musste, kamen die Emotionen hoch. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Seit 2005 stecken Sie viel Herzblut ins Sportklettern, bezeichnen es ständig als «Ihre erste grosse Liebe». Wie gross ist jetzt die Genugtuung?
Die ist mega gross. Ich war an vielen Wettkämpfen ganz nahe dran, habe dann aber jeweils meine Leistung nicht abrufen können oder war mental nicht parat. Endlich hat es einmal geklappt. Diesmal passte auch im Final einfach alles. Ich hätte nicht besser klettern können.
Wie war der Empfang daheim?
Meine beiden Schwestern kamen mir mit dem Zug entgehen, womit es schon in Burgdorf zum herzlichen Wiedersehen kam. Daheim warteten dann Familie und Freunde auf mich. Es war sehr schön.
Welche Gratulation freute Sie am meisten?
Ach, es waren ganz viele. Auch WhatsApp-Gratulationen habe ich enorm viele bekommen. Jede einzelne Beglückwünschung war herzlich und freute mich sehr.
Auch Ihre Arbeitgeberin ist stolz auf Sie. Die Ersparniskasse Affoltern schaltete ein Gratulationsinserat und ehrt Sie auf der Homepage.
Das ehrt mich. Und es ist keine künstliche Werbeaktion – die freuen sich wirklich für mich. Unser Arbeitsklima ist wirklich toll. Wir sind ein cooles Team.
Wo hängt die Goldmedaille?
Ich werde sie bald daheim über meinem Pult aufhängen.
Aber dieser grösste Erfolg Ihrer Karriere bedeutet nicht, dass Sie jetzt kürzer treten?
Oh, nein. Im Gegenteil: Sie verleiht mir Motivation, noch mehr Gas zu geben. Dieser EM-Titel ist nur ein Zwischenziel. Ich habe noch lange nicht genug vom Sportklettern. Es ist immer noch meine grosse Liebe.
Sie holten EM-Gold in der Disziplin Lead. Wäre dies auch im Bouldern denkbar?
Nein, im Lead bin ich schon am stärksten. Das Bouldern übe ich seltener aus, die Speed-Disziplin praktisch nie.
Als Baumeister des Erfolgs darf Hans Gerber bezeichnet werden.
Auf jeden Fall. Meinem Entdecker und Trainer seit dem ersten Kletterzug habe ich alles zu verdanken. Ein grosser Teil der Goldmedaille gehört ihm. Ich möchte Hans an dieser Stelle für den unglaublichen Support all die Jahre über herzlich Dankeschön sagen.
In Russland wurden nicht nur die EM-Titel vergeben, auch die Siegerinnen und Sieger des Gesamtklassements des Europacups wurden erkoren. Sie holten Bronze in der Europacup-Serie. Zufrieden?
Diese Serie war für mich nicht so wichtig. Es hat sich so ergeben. Natürlich freue ich mich aber über den Podestplatz.
Wie sehen die nächsten Ziele aus?
Ich werde am 28. Oktober erstmals bei der Elite an einer SM teilnehmen. Und zwar an der Lead-SM in Uster. Anschliessend steht noch ein Weltcupeinsatz bei der Elite in Slowenien auf dem Programm. Mein nächster Schwerpunkt wird die Elite-WM 2018 in Innsbruck sein.
Doppeltes Gold für die Schweiz
Jugend- und Junioren-EM in Russland
An der Jugend- und Junioren-Europameisterschaft vom 29. September bis 1. Oktober in Perm in Russland überzeugten die Berner Nachwuchs-Sportkletterer Michelle Hulliger (Ramsei) und Sascha Lehmann (Burgdorf) auf der ganzen Linie. Die beiden Junioren-Athleten kletterten in der Disziplin Lead an die Spitze und sicherten sich den Titel. Ein Resultat, das in die Schweizer Sportklettergeschichte eingeht. Denn zum ersten Mal gab es an einer EM Doppel-Gold für das SAC Swiss Climbing Team.
Den sieben Athletinnen und Athleten des Swiss Climbing Teams wird die EM in Perm mit Sicherheit noch lange in Erinnerung bleiben. Während es an der diesjährigen WM und Boulder-EM mit den Medaillen einfach nicht klappen wollte, kehrte die Schweizer Delegation nach äusserst aufwändigen Reisevorbereitungen im Vorfeld gleich mit zwei Titeln aus dem fernen Russland zurück.
Michelle Hulliger glänzte schon öfters. Innerhalb des Europacups stand die 17-Jährige in dieser Saison bereits zweimal auf dem Podest und überzeugte stets mit ihrer konstanten Leistung. Die Bernerin, die in diesem Jahr ihre erste Saison bei den Juniorinnen bestreitet, demonstrierte an der EM in Perm eindrücklich ihre Leistungsentwicklung als Leadkletterin – sowohl mental als auch technisch. Mit EM-Gold krönte Hulliger ihre bisherige Laufbahn. Eing.
Auszug aus der Rangliste: Juniorinnen (18 Klassierte): 1. Michelle Hulliger, Schweiz/Ramsei; 2. Heloïse Doumont, Belgien; 3. Laura Stöckler, Österreich; 6. Alina Ring, Schweiz.
Infos: www.sac-cas.ch