«Ich – ins Altersheim?»
Wie viele Fragen zum Thema Einzug ins Altersheim offen sind, zeigte der grosse Ansturm zum Anlass im Lindenhof in Langenthal. Über 90 Personen erhofften sich Aufklärung und wurden nicht enttäuscht. Eingeladen hatten die Seniorebrügg, Mitwirkende waren Alterszentren und Institutionen aus dem Oberaargau.
«Sehr informativ», zeigte sich Elisabeth Kölliker nach den zwei Stunden erfreut. «Sackstark», war gar die Aussage von Peter Witschi. Sie waren zwei der über 90 Anwesenden, die Antworten zum Thema Eintritt ins Altersheim und Wohnen im Alter suchten und fanden. Den Start des Moderatorenteams machte, nach einer launigen Einleitung von Gastgeber Peider Nicolai, Geschäftsleiter des Alterszentrums Lindenhof, Claudia Horisberger, Fachbereichsleiterin AHV-Zweigstelle der Stadt Langenthal. «Der Aufenthalt in einem Heim ist grundsätzlich für alle Versicherten in der Schweiz gewährleistet, auch wenn die finanziellen Mittel knapp sind oder nicht ausreichen», hielt sie gleich zu Beginn fest. Und: «Ergänzungsleistung und Hilflosenentschädigung sind nicht mit der Sozialhilfe gleichzustellen. Sie sind ein Teil der ersten Säule, also der staatlichen Vorsorge.»
Bei AHV-Zweigstellen Informationen einholen
Für die Hilflosenentschädigung (Voraussetzungen sind Einschränkungen in den alltäglichen Lebensverrichtungen) sei die IV-Stelle des Wohnsitzkantons zuständig, für die Ergänzungsleistungen (Vermögenseintrittsschwelle für Alleinstehende bei 100 000 Franken, für Ehepaare 200 000 Franken) die Ausgleichskasse des Wohnkantons, informierte sie über die Zuständigkeiten. «Muss man eine Liegenschaft, die allenfalls noch von einem Partner bewohnt wird, verkaufen, wenn es an Liquidität fehlt?», kam dazu eine Frage aus dem Publikum. Eher nicht, aber es komme auf den Einzelfall an, antwortete die Fachfrau. Überhaupt sei es wichtig, sich bei der AHV-Zweigstelle zu informieren, da jede Situation einzeln beurteilt werde. Eine weitere Frage aus dem Publikum drehte sich um die Rückzahlung von Ergänzungsleistungen, wenn Nacherben von Bezügern das Haus verkaufen. «Alles, was 40 000 Franken übersteigt, kann zurückgefordert werden», so Claudia Horisberger. Fragen zum Antrag und der Hilfslosentschädigung seien an die IV-Stelle des Wohnsitzkantons zu richten, die Ausgleichskasse sei einzig für die Auszahlung der Entschädigung zuständig, so die Referentin, die darauf hinwies, dass entweder Ergänzungsleistungen (EL) oder Hilflosenentschädigung, aber auch beide zusammen bezogen werden können. Claudia Horisberger informierte zudem über die Massnahmen von EL-Beziehenden bei einem vorübergehenden oder einem definitiven Heimaufenthalt und über Zuständigkeiten. So sei immer die AHV-Zweigstelle des Wohnortes zuständig, bei einem Umzug von Langenthal in ein Heim in Herzogenbuchsee bleibe es allerdings die AHV-Zweigstelle in Langenthal, nannte sie ein Beispiel.
Vom Anstalts- zum Quartierhauskonzept
Zur integrierten Versorgung im Alter äusserte sich Hansjörg Lüthi, Geschäftsführer der Haslibrunnen AG, Kompetenzzentrum für das Alter in Langenthal. «Das Alter ist so individuell wie das Leben», hielt er zu Beginn fest und wies auf unterschiedliche Geschichten, Biografien und Gesundheit der Menschen hin. Er zeigte die Veränderungen der Infrastrukturen von der Verwahrungsanstalt zwischen den 40er- und 60er-Jahren bis zu dem heutigen Leitbild auf, wo alte Menschen Geborgenheit und Normalität erleben, bis hin zum Quartierhaus-Konzept, zum Leben also in Privatheit in Gemeinschaft und in der Öffentlichkeit. Er zeigte die Perspektive der Organisationen als Gesundheitszentrum ebenso auf wie die Sozialraum-Orientierung zwischen Zentrum (alles aus einer Hand) und Netzwerk (Leistungsvereinbarungen) und die integrierte Versorgung, wo die Beziehungen im Zentrum stehen. Die Strategie des Zentrums Haslibrunnen sei die stationäre Langzeitpflege und Medizin, die ambulanten Dienstleistungen, das Wohnen im Alter und die Gastronomie in einem. «Unsere Kooperationspartner sind daher das Spital SRO, die Spitex sowie Vivola Wohnen im Alter. Auch wenn schon heute in den Alterszentren vieles anders sei als noch vor einigen Jahren, so seien in zehn Jahren noch weitere Änderungen zu erwarten. «Die Zukunft ist nicht unbedingt das Altersheim», sagte er und betonte, wie wichtig Netzwerke und spezifische Unterstützung seien.
Passende Wohnform abklären
«Welche Wohnform passt? Was sind meine Möglichkeiten, wer hilft beim Umzug, was sind die Kosten?» Diesen Themen widmete sich Peider Nicolai, Geschäftsleiter des Alterszentrums Lindenhof. Zum Einstieg erklärte er Begriffe wie Alterspyramide, Wohnen zu Hause, Alterswohnungen und -siedlungen, Betreutes Wohnen bis hin zum institutionellen Wohnen im Alters- oder Pflegezentrum. «Die überwältigende Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer – fast 90 Prozent – möchte zu Hause gepflegt werden», so Nicolai.
Das absolute Wunschmodell sei, von der Partnerin, dem Partner, Kindern oder durch eine private oder öffentliche Spitexorganisation betreut zu werden. Jeder Zweite könne sich ein Wohnen plus oder Betreutes Wohnen vorstellen, für jeden Dritten sei die Pflege in einem Heim eine Option. «Bereits diese erste Erkenntnis zeigt, dass Einzelpersonenhaushalte aus diesem Muster rausfallen», erklärte der Lindenhof-Leiter. Nachbarschaftshilfe werde dann umso wichtiger. «Auch der Staat zählt darauf, dass Sie möglichst lange zu Hause wohnen, reguliert er doch die Anzahl der Pflegeheimplätze. Aus Spargründen wurden die Grundwerte nach unten korrigiert», so Peider Nicolai. Waren im Jahr 2015 noch 15 Pflegeheimplätze pro hundert Betagte mit Alter Ü85 die Kennzahl, so sind es heute noch 12 Plätze. «Und da sind wir bereits bei einer wichtigen Erkenntnis: Alles kostet, und es kostet viel Geld.» Als Beispiel nannte er das Bundesgesetz über die Krankenversicherung, wo in Artikel 32, Absatz 1 festgelegt sei, dass der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit höchste Bedeutung zugemessen werde. «So kann ein Spitalaufenthalt plötzlich, nach Ausnutzung der festgelegten fixen Dauer innert Stunden enden, weil der Patient, die Patientin ab dann unrentabel wird.»
Sich Zeit nehmen für den Entscheid
Peider Nicolai gab aber auch mögliche Wege und Handlungsanleitungen weiter. So seien die drei zentralen Fragestellungen die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und Vorlieben, der finanzielle Aspekt und die Bedeutung sozialer Kontakte. Bei der richtigen Wohnform spiele zum Beispiel die Lage und Umgebung eine wichtige Rolle. Sein Fazit: Ein Umzug in ein neues Zuhause sollte ein wohlüberlegter Entscheid sein. Das heisst, sich für diesen Zeit nehmen und Zeit lassen. «Warten Sie jedoch nicht, sich im Detail zu informieren, sich mit ihren Wünschen und Möglichkeiten auseinanderzusetzen», sagte der dritte Referent, «überlassen sie diesen wichtigen Entscheid nicht Dritten, sondern nehmen sie es selbst an die Hand.» Organisiert wurde der Anlass von Christian Hofmann von der Seniorebrügg, der die zwei Stunden mit seinem Spiel auf der Zither auflockerte. Intensiv unterstützt wurde er von Peider Nicolai. Mit Auskunftspersonal und Ständen waren neben dem Lindenhof und dem Haslibrunnen die Zentren Am Dorfplatz Bleienbach, Spycher Roggwil, Schärme Melchnau sowie Dahlia Wiedlisbach vertreten. Diese unterstützten den Anlass, der mit einem Zvieri abschloss, ideell und finanziell. Von Pro Senectute lagen Prospekte auf.
Von Irmgard Bayard