• Bei schwierigen äusseren Bedingungen konnte der Leimiswiler Mathias Flückiger am Weltcuprennen in Albstadt seine technischen Fähigkeiten voll ausspielen. · Bild: Kuestenbrueck, Roland Jauch

22.05.2019
Sport

«Ich konnte die gesamte Weltelite bezwingen»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Mathias Flückiger, Mountainbiker aus Leimiswil – Der Leimiswiler Mathias «Math» Flückiger gewann am Wochenende in Deutschland sein zweites Weltcuprennen seiner Karriere. Der 30-Jährige spricht über diesen Triumph, seine aktuelle Topform, seine finanzielle Situation und äussert sich auch zu den Olympischen Spielen 2020.

 

Radsport · Wieviel wiegen Sie derzeit?
64 Kilogramm.

Sie flogen in Albstadt bei misslichen Bodenverhältnissen quasi den Berg hoch. Kommt Ihnen Ihr Fliegengewicht zugute?
Auf jeden Fall ist es ein Vorteil, wenn man in den Aufstiegen nicht zuviel Gewicht hochschleppen muss. Allerdings muss ich auch Power in den Flachpassagen haben. Und dort ist weniger Gewicht als bei den Konkurrenten – Mathieu van der Poel ist beispielsweise 75 Kilogramm schwer – kein Vorteil.

Ihre Siegfahrt glich einer Machtdemonstration. Spürten Sie vor dem Start, dass Sie ein derart perfektes Rennen in den Beinen haben?
Ich bin sehr gut in Form und konnte in dieser Saison bereits viele sehr gute Rennen abliefern. Mein Ausflug auf das Rennrad an der Tour de Romandie hat mir zusätzlichen Dampf gegeben. So gesehen war mir bewusst, dass beim Weltcupauftakt einiges möglich ist, meine Beine gut sind. Doch jeder, der in der Elite am Start steht, will gewinnen. Umso schöner ist es, wenn es klappt.

Und wie fühlen sich die Beine drei Tage nach dem schweren Rennen an?
Ein Weltcup-Wochenende mit dem vorgängigen Short-Track-Rennen am Freitag ist schon hart. Der ganze Körper ist noch etwas müde.

Muskelkater?
Wenn ich vom Biken Muskelkater hätte, wäre etwas nicht in Ordnung. Muskelkater entsteht bei selten ausgeübten Bewegungen, sprich beim Training von selten eingesetzten Muskeln.

Sie steuerten Ihr Bike mit einer erstaunlichen Leichtigkeit und praktisch ohne Wackler über das matschige Terrain. Sind Sie ein Regen- und Schlammspezialist?
Je technischer eine Strecke ist, umso mehr sagt sie meinen Fähigkeiten zu. Und bei matschiger Unterlage ist es technisch. Was ich aber überhaupt nicht mag ist die Kälte.
In Kanada feierten Sie im vergangenen August Ihren ersten Weltcupsieg. Nun folgte in Deutschland die Bestätigung. Welcher der Siege gewichten Sie mehr?
Ganz klar den zweiten. Ich konnte die gesamte Weltelite hinter mir lassen und gleichzeitig beweisen, dass mein erster Weltcupsieg kein Zufall war.

Sie haben nach Ihrer Triumphfahrt viele Gratulationen erhalten. Welche freute Sie am meisten?
Ich erhielt enorm viele Meldungen, beispielsweise auf Instagram. Hinzu kamen über 150 WhatsApp-Nachrichten. Und dies war es auch gleich, was mir soviel Freude bereitete: Es war nicht ein einzelner Gratulant, sondern die grosse Menge Leute, die Anteil nahmen.

Mit dem Weltcupsieg in Albstadt haben Sie die Olympiaquali für Tokyo 2020 so gut wie im Sack. In der jetzigen Form könnte das Olympiarennen am 27. Juli 2020 zum absoluten Karrierenhighlight werden.
Stimmt, für die Quali ist ein Top-5-Platz im Weltcup nötig. An den Olympischen Spielen bin ich damit aber noch nicht automatisch dabei. Wenn mehr als drei Fahrer diese Quali schaffen, entscheidet der Verband. Aufgrund meiner Leistungen in der Vergangenheit sieht es aber gut aus.
Mein Selbstvertrauen ist momentan sehr gross. Ich blicke Tokyo zuversichtlich entgegen, will bis dahin noch einen weiteren Schub zulegen. Und dann könnte es, wenn alles passt, wirklich ein tolles Rennen werden. Momentan sind die Olympischen Spiele bei mir aber nicht präsent. Ich konzentriere mich stets auf das nächste Rennen.

Sagen Sie, wieviel Geld hat der Weltcup-Erfolg eingebracht?
Nach allen Abzügen sind mir 3100 Euro geblieben.

Der Mountainbikesport ist selbst auf Weltklasse-Niveau ein hartes Pflaster. Wie steht es mit Ihrer Saisonfinanzierung?
Ich mag nicht jammern. Es geht mir viel besser als im schwierigen Vorjahr, die Saison ist gesichert. Natürlich verdient ein Nino Schurter in ganz anderen Dimensionen. Allerdings hat er sich dies alles hart erarbeitet und aufgrund der Erfolge auch verdient. Ich muss sagen, dass ich im Marketing-Bereich gar nichts ausgeschöpft habe. Aber irgendwie habe ich vom Elternhaus diesbezüglich auch Demut auf den Weg mitbekommen.

Sie sind Bikeprofi, gehen keiner Arbeit nach. Wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt?
Ich kann tatsächlich davon leben – und dafür bin ich sehr dankbar. Nach meiner Aktivkarriere möchte ich im Radsport-Entwicklungsbereich arbeiten und mein Geld so verdienen.

Mit einem Weltcup-Sieg im Rücken ist die Motivation gross. Was planen Sie als nächstes?
Bereits am Wochenende steht in Nove Mesto in Tschechien das nächste Weltcuprennen auf dem Programm. Ich bestreite nur noch soviele Rennen, dass ich bei jedem davon absolut mein Bestes geben kann. So wird es auch am Wochenende sein. Kann ich meine Form umsetzen, liegt wiederum ein Spitzenplatz drin.