«Ich musste erst die Schuhe schnüren können»
Der 16-jährige Huttwiler Alessio Burkhardt hat am Club 88-Sportpreis für das Jahr 2022 Bronze beim Nachwuchs gewonnen. Der talentierte Fussballer spielt bereits in der U16-Eliteauswahl der Berner Young Boys. Ausserdem hat er bereits Länderspiele für die Schweizer Nati bestritten
Fussball · Warum Fussball? Gemäss einer Statistik des Weltfussballverbandes FIFA dürften weltweit 300 Millionen Menschen Fussball spielen. Die Chance, es ganz an die Spitze zu schaffen, ist aber sehr gering.
Es ist einfach mein Sport. Ich habe schon als ganz kleiner Junge mit «Schutte» begonnen.
Haben Sie es sich in den Kopf gesetzt, eine Karriere als Profifussballer einzuschlagen?
Der Weg ist weit, ganz klar. Am Anfang habe ich nicht daran gedacht. Mit dem einsetzenden Erfolg reifte natürlich der Gedanke, auf die Karte Fussball zu setzen.
Und wie sollte die Karriere genau aussehen?
Ich will mich jetzt bei YB an die nationale Spitze hocharbeiten. Schritt für Schritt. Weitere Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht.
Wissen Sie noch, wie die grosse Fussballleidenschaft ausgelöst wurde?
Mein Vater spielt Fussball. Ich war früher immer an seinen Spielen. Es hat mich auch gepackt.
Haben Sie fortan jede freie Minute mit dem Fussballspielen verbracht?
So war es. Ich habe mit den Kollegen und Nachbarskindern im Weieracker-Quartier «gmätschlet». Oft bin ich aber auch alleine auf den Dornacker zum Fussballspielen gegangen.
Der Beitritt zu einem Fussballverein erfolgte mit ungewollter Verspätung.
Da gab es in der Tat eine für mich unschöne Krux. Meine Eltern sagten mir, dass ich erst beim SC Huttwil Fussball spielen gehen darf, wenn ich meine Fussballschuhe selber binden kann. Als 5-Jähriger klappte es endlich – und ich durfte zum SCH gehen.
Wie kam es zum Wechsel in das ebenfalls am Meisterschaftsbetrieb teilnehmende Team Oberaargau Emmental – kurz TOBE, einer Auswahl der besten regionalen Fussballer?
Ich habe nur einige wenige Altersstufen beim SC Huttwil gespielt. Den Wechsel habe ich Urs Röthlisberger zu verdanken, der mich als talentiert empfand und mir ein Probetraining ermöglichte.
Konnten Sie in der regionalen Auswahl Fortschritte erzielen?
Auf jeden Fall. Der Wechsel war sehr wichtig für mich. Er hat mir auch die Tür zu den nationalen Auswahlen geöffnet.
Ihre guten Leistungen blieben tatsächlich nicht ungesehen. Am 3. Mai 2022 konnten Sie im Alter von 15 Jahren, 3 Monaten und 12 Tagen Ihr erstes Länderspiel bestreiten.
In der U14 von TOBE wurde ich natürlich beobachtet. Weiter gab es viele Sichtungstrainings oder sogar -lager. Die daraus resultierende Aufnahme ins Nationalteam war ein tolles Gefühl.
Mit der U15 der Schweiz spielten Sie bei Ihrer Premiere in Kerzers gegen die Fussballmacht Spanien. Sie spielten durch und erreichten ein 2:2.
Es war ein absolutes Highlight, gegen diese technisch so versierten Fussballer bestehen zu können.
Die Aufnahme in die U16-Elitemannschaft der Berner Young Boys war ein weiterer einschneidender Punkt in Ihrer noch jungen Fussballerkarriere.
TOBE ist das Partnerteam von YB. Die Scouts sind natürlich überall. Und sie wurden aufmerksam auf mich. Schnell konnte ich auch bei YB vorspielen. Und es hat auf Anhieb geklappt.
Die beiden Abschiedsvorstellungen im TOBE-Team verliefen völlig unterschiedlich. Im vorletzten Spiel am 11. Juni 2022 gegen Biel schossen Sie mittels Penalty Ihr letztes Tor. Im letzten Spiel am 18. Juni 2022 gegen das Team Jura brachen Sie Ihren Arm.
Das war schon ein Wellenbad der Gefühle. Ich bin in einem Zweikampf gestürzt und wollte mich auf dem Arm abstützen. Dann hat es geknackst. Die notwendige Operation kurz vor dem Start mit YB war natürlich suboptimal.
Damit verpassten Sie die Saisonvorbereitung mit YB. Sie haben aber selber hart gearbeitet und dank einer Blitz-Reha schliesslich nur die ersten vier Meisterschaftspartien verpasst.
YB hat mich super integriert. Obwohl ich verletzt war und nicht alle Übungen machen konnte, wurde ich in die meisten Teamtrainings integriert. Ich fühlte mich vom ersten Moment an als anerkanntes Mitglied. Das war sehr schön. Ich habe aber auch hart gearbeitet, um schnell zurückzukommen.
Bereits am 10. September 2022 kamen Sie gegen Xamax zu Ihrem Debüt in Gelb-Schwarz. Und eine Woche später bei Ihrem zweiten Einsatz schossen Sie gegen St. Gallen Ihren ersten YB-Treffer. Am 1. Oktober gegen den Erzrivalen FC Zürich avancierten Sie beim 4:1-Sieg mit zwei Toren dann sogar zum Matchwinner.
Ich hätte mir wirklich keinen besseren Einstieg wünschen können. So macht Fussball Spass.
Sie haben nun elf Partien für die U16-Eliteequipe von YB absolviert. Ihr Trainer Fabian Siegenthaler meinte auf Anfrage, dass Sie ein äusserst interessanter offensiver Mittelfeldspieler seien, der vielseitig einsetzbar sei. Er beschreibt Sie als cleveren, aufgeschlossenen jungen Burschen, der sich nicht scheue, hart zu arbeiten, um seinen Weg zu gehen.
Das freut mich. Solche Worte pushen mich enorm. Vielen Dank. Ich lerne bei Fabian sehr viel.
Auch auf internationaler Stufe geht es steil aufwärts. Am 5. Oktober gaben Sie das Debüt in der U16-Nati der Schweiz, spielten beim 5:0-Sieg gegen Liechtenstein 45 Minuten lang. Wie stehen Ihre Chancen für weitere Einsätze?
Aktuell bin ich in der U16-Nati nur auf Pikett. Dies hat aber damit zu tun, dass ich mich im Dezember noch einmal am Arm operieren lassen musste, weil die Knochen nicht gut zusammengewachsen sind. Erst seit wenigen Tagen bin ich wieder voll einsatzfähig. Ich will in der Rückrunde angreifen und überzeugen. Dann stehen die Chancen gut, dass ich von der Pikettliste wieder ins Kader beordert werde.
Was sagt Ihnen der Name Marcel Schär?
Gerade nichts.
Vor Ihnen hat es in der 100-jährigen Geschichte des Sportclubs Huttwil erst ein Fussballer in eine Junioren-Nationalauswahl geschafft. Der heute 52-jährige Marcel Schär war 1986 – also vor 37 Jahren – als B-Junioren-Goalie Mitglied der U16-Nati der Schweiz.
Das wusste ich nicht. Vielen Dank für diese Information.
Fussballerisch läuft es. Aber wie bringen Sie die Sportkarriere und die Ausbildung unter einen Hut?
Ich habe im Sommer eine Lehre als Schreiner begonnen. Rasch war klar, dass sich diese Ausbildung mit meinem grossen fussballerischen Ziel nicht vereinbaren lässt. Im Einverständnis mit dem Lehrmeister habe ich die Lehre abgebrochen.
Sie sind aber nicht blauäugig und denken, dass es ohne Ausbildung funktioniert?
Auf keinen Fall. Ich habe sofort eine KV-Lehre an der Feusi-Sportschule in Bern-Wankdorf begonnen. Diese Schule achtet darauf, dass zeitgleich Leistungssport möglich ist. Jetzt bringe ich zeitlich alles unter. Die Tatsache, dass die Schule und der Fussballplatz von YB nur wenige Minuten auseinander liegen, ist perfekt.
Wohnen Sie auch in Bern?
Nein. Ich lebe immer noch in Huttwil bei meinen Eltern.
Ist die tägliche Pendlerei happig?
Die eineinhalbstündigen Zugreisen sind deshalb okay, weil sie beim Erstellen des Stunden- und Trainingsplans miteinbezogen wurden. Ich komme zwar am Abend jeweils etwas später nach Hause, muss am Morgen aber nicht allzu früh los.
Die Zeit, in der Sie nicht Fussball spielen oder arbeiten, ist weniger geworden: Was unternehmen Sie in solchen raren Momenten mit den Kollegen am liebsten?
Ich mag es ruhig. Wir treffen uns zuhause und haben einfach eine gute Zeit zusammen. Ich habe zum Glück Kollegen, die auch ohne ein Saufgelage Spass haben können. Gerne gehen wir zusammen ins Hallenbad, ins Kino oder kochen gemeinsam.
Mit dem zwei Jahre älteren Yannis Studer spielt ein zweiter Huttwiler beim YB-Nachwuchs (U18)? Gibt es Gemeinsamkeiten?
Er ist ein sehr guter Kollege von mir. Wir unternehmen viel zusammen und können uns natürlich bestens über den Fussball unterhalten, speziell natürlich über die YB-Geschehnisse.
Was wünschen Sie sich neben der eingeleiteten Profikarriere als Fussballer?
Gesundheit und Spass.
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Alessio Burkhardt, Fussballspieler aus Huttwil