• Martin Friedli geht als neuer Gemeindepräsident von Sumiswald nun wieder seinem grossen «Hobby» nach, der Politik. · Bilder: Marianne Ruch

12.01.2023
Emmental

«Ich strebe lösungsorientierte Entscheide an»

Nach der Demission des bisherigen Gemeindepräsidenten Fritz Kohler suchte die «Interessengemeinschaft Gemeindepräsidium» in Sumiswald nach einer Neubesetzung, was sich als schwierige Aufgabe herausstellte. Martin Friedli, selbst Teil der Interessengemeinschaft, war ebenfalls in die langwierige Suche involviert – dann kam er zum Entscheid, sich selber zur Verfügung zu stellen.

Sumiswald · 2016 gründete Martin Friedli zusammen mit Fritz Kohler und den Parteien SVP, FDP und EVP die überparteiliche Interessengemeinschaft Gemeindepräsidium. Bereits damals war die Suche nach einem Gemeindepräsidenten schwierig. Martin Friedli wurde damals auch angefragt, er lehnte jedoch ab und schlug Fritz Kohler vor. Im Mai 2021, nachdem Fritz Kohler seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, liessen die Parteien von Sumiswald – mit Ausnahme der SP–  die Interessengemeinschaft wieder aufleben. Nach vielen Absagen wurde die Zeit knapper und Martin Friedli immer mehr zum Wunschkandidaten. «Ich sprach mit meiner Frau Beatrice und sagte: Was machen wir, wenn wir wirklich niemanden finden?» Diese Gefahr bewegte ihn sehr und so führte er viele Gespräche mit seiner Frau, um herauszufinden, was wäre, wenn er das Amt übernehmen würde. Es war keine sofortige Entscheidung, doch seine Frau unterstütze ihn, wusste um sein Politiker-Herz und erinnerte sich daran, wie zufrieden ihn dieses «Hobby» jeweils gestellt hatte. Denn für ihn hatte die Politik stets den Stellenwert eines Hobbys. «Sie stellte aber die Bedingung, dass ich beruflich kürzer trete, denn ein 100-Prozent-Pensum und das Gemeindepräsidium sei zu viel», erzählt der bald 65-Jährige. Immerhin entspricht das Gemeindepräsidium einer 40-Prozent-Stelle. Vier Tage vor dem Eingabeschluss sagte Martin Friedli zu und wurde am 17. Oktober in stiller Wahl für die restliche Amtsdauer von 2023 bis 2024 gewählt. «Alle meine vier erwachsenen Kinder fanden, dass es doch schön sei, wenn ich jetzt noch etwas mache, das mir Freude bereitet», erzählt er dankbar.

Sumiswald, Grünen und Wasen
«Ich freue mich auf die politischen Themen, bei denen man abwägen, diskutieren und die Auswirkungen anschauen kann. Ich freue mich auf Prozesse, die uns weiterbringen können. Auf Meinungen und Lösungen, Herausforderungen, die es anzunehmen gilt und diese anzugehen.» Grossen Respekt hat er vor Ereignissen wie der kürzliche Brand des Bauernhauses im Wasen. «Hier das Richtige zu tun, sich richtig zu verhalten und den Betroffenen das Richtige zu geben und die richtige Hilfe anzubieten, erachte ich als grosse Herausforderung», sagt er nachdenklich. Oder ein Ereignis wie ein Hochwasser – auch hier sei der Gemeindepräsident sehr gefordert. Ebenfalls erachtet er Konflikte in Gruppen, Vereinen oder unter Nachbarschaften als grosse Herausforderung. Allen gerecht zu werden, sei hier schwierig.
Und seine Ziele als Gemeindepräsident? «Dass Sumiswald von aussen wahrgenommen wird. Dass wir als Gemeinde im guten Einklang zwischen Wirtschaftsleben, der Landwirtschaft, Industrie und dem Handwerk sind und dass wir weiterhin als Zentrumsgemeinde im mittleren Emmental gelten. Auch der Tourismus ist wichtig. Hier hat Fritz Kohler fantastische Arbeit geleistet und ich möchte dies in seinem Sinne weiterführen», betont Martin Friedli. «Sumis-wald, Grünen und Wasen haben alles. Wir haben gute Bildungsinstitutionen, gute ÖV- Anbindung und viele Arbeitsmöglichkeiten, so dass die Gemeindemitglieder ihr  Einkommen hier generieren können. Achtsam wollen wir sein, dass Sumiswald kein Gewerbe und keine  Detaillisten verliert. Und nicht zuletzt haben wir eine wunderschöne Landschaft», schwärmt Martin Friedli.
Was ihm ebenfalls sehr wichtig ist: Es heisse zwar Gemeinde Sumiswald, aber dazu gehöre auch Grünen und Wasen. «Nicht nur Sumiswald politisiert, alle gehören dazu.» Und doch dürfe es sein, dass sich ein Wäseler als Wäseler fühle.
Das grösste Sorgenkind ist momentan das Forum. Dennoch meint Martin Friedli: «Die momentane Lösung mit der Asylunterkunft ist aus rein finanzieller Sicht die beste Lösung. Es gab keine andere. Und ich bin überzeugt, dass wir das Forum durch diese Lösung retten können und wir es eines Tages wieder in seiner ursprünglichen Funktion haben werden.»

Lösungsorientierter Präsident
Martin Friedli will ein lösungsorientierter Gemeindepräsident sein, der Entscheide herbeiführen will, der aber auch Mehrheitsentscheidungen akzeptieren kann. Zudem wolle er nahbar und mit Verständnis für die Bevölkerung da sein. «Ich trete in die grossen Fussstapfen von Fritz Kohler, der sehr gute Führungsarbeit geleistet und eine sehr hohe Kompetenz an den Tag gelegt hat», anerkennt der Bauingenieur. Er kenne zwar nicht so viele Menschen wie Fritz Kohler, dennoch glaube er fest daran, den Draht zur Bevölkerung zu finden.

Arbeitspensum reduziert
Mit seiner Firma, der «mf consulting engineering AG» (Beratung in Baurechtsverträgen und Projektleitungen in Sachen Bau) ist er ein Joint Venture mit der gemeinsamen Marke «dieBaudienstleister.ch» eingegangen. So kann er sein Pensum auf 50 Prozent reduzieren. In Anbetracht dessen, dass Martin Friedli im März pensioniert wird, eine gute Lösung. Vorerst will er aber auch nach seiner Pensionierung weiterarbeiten. Denn nichts mehr zu machen sei ungesund, lacht er.
Wird er «nur» die zwei Jahre während der restlichen Legislaturperiode im Amt bleiben oder macht er danach weiter? «Diesen Entscheid werde ich im Frühling 2024 treffen. Wenn die Gesundheit und das politische Umfeld stimmen, habe ich durchaus vor, mich auch für die Legislatur 2025 bis 2028 zur Verfügung zu stellen.»

Politische Karriere
Die Politik interessierte Martin Friedli schon, bevor er überhaupt das Stimmrechtsalter erreicht hatte. Sein erstes Erlebnis mit der Politik und den Behörden hatte er mit 21 Jahren, als er im WK war, Sonntagswache hatte und Nationalratswahlen waren. «Ich wusste, ich kann nicht abstimmen gehen, wollte das aber unbedingt. Also habe ich mich in Burgdorf auf dem Regierungsstatthalteramt gemeldet und gefragt, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, schriftlich und vorgängig abzustimmen. Ich musste ein Gesuch stellen und erhielt schlussendlich die Zustimmung. Und so habe ich zum ersten Mal abgestimmt», erzählt Martin Friedli.
1983 zog er mit seiner jungen Familie aufgrund seiner ersten Arbeitsstelle nach der Ingenieurschule nach Sumiswald. Bei der Initiative «Recht auf Leben» wurde er wiederum aufmerksam, verfolgte und informierte sich darüber und wollte wissen, worum es hier ging. Dabei lernte er Personen aus der EDU kennen. 1985 trat er der Partei bei, weil diese für ihn passte. Er amtete in verschiedenen Ad-hoc-Kommissionen und kam 1988 in die Schulkommission. Bei der EWR-Abstimmung 1992 wurde er mit 34 Jahren in den Gemeinderat gewählt. «Als Jüngster durfte ich damals erst zuletzt wählen, welches Ressort ich gerne hätte. Übrig blieb das Ressort Finanzen, und genau dies hatte ich mir gewünscht», erzählt er lachend. Das Ressort gab es bis anhin nicht und in den sechs Jahren, während denen Martin Friedli in diesem Bereich tätig war, fand ein grosser Umbruch statt. «Ich hatte ein hochkarätiges Team in der Finanzkommission und wir haben sehr gute Resultate erzielt», sagt er zufrieden. Etwa das Budget, das heute in dieser Form unerlässlich ist, gab es damals in der jetzigen Ausarbeitung mit Teilbudgets aus den Fachbereichen als Grundlage für das Gesamtbudget noch nicht und wurde in der heutigen Form von Martin Friedli und seinem Team eingeführt.
Seine Gemeinderatszeit endete 1998, nachdem er bereits 1997 in den Grossrat gewählt wurde. Beides ging neben dem 100-Prozent-Arbeitspensum und der Familie nicht mehr. Als Grossrat war er von 2006 bis 2012 wiederum in der Finanzkommission, dessen Bauausschuss sowie Mitglied des Ausschusses für das Budget. «Ich war neben meinem 100-Prozent-Job als Leiter Bau in einer grösseren Bauunternehmung einen Drittel des Tages im Rathaus in Bern anwesend. Das war streng und ich wurde müde, hatte mich verausgabt und entschied mich 2012, mich auf meinen Job zu konzentrieren», erzählt er. Im Nachhinein ist er sich der investierten Zeit aber nicht reuig: «Es war eine tolle Zeit mit vielen tollen Gesprächen und Argumentationen, die mein Politiker-Herz höher schlagen liessen, und ich habe sehr davon profitiert.

Von Marianne Ruch