«Ich will ein präsenter Gastgeber sein»
Seit dem 1. April leitet Peider Nicolai das Alterszentrum Lindenhof in Langenthal. Erst ein familiäres Schicksal hat seine berufliche Spur in Richtung Gerontologie geleitet. Menschen sind ihm heute wichtiger als finanzielle Gewinnmaximierung.
«Neugier ist das A und O. Deshalb fühle ich mich intellektuell wie ein 35-Jähriger.» Dass dem so ist, nimmt man dem 64-Jährigen im Gespräch ohne weiteres ab. Während er von seinem Werdegang, seinen persönlichen Erlebnissen und den Herausforderungen, eine Altersinstitution zu führen, erzählt, ist er nicht nur sprachlich, sondern auch gestikulierend und mimisch dabei. So ist es denn nicht verwunderlich, dass er ein Jahr vor dem üblichen Pensionsalter davon spricht, bis 70 arbeiten zu wollen, «wenn die Gesundheit und der Geist es zulassen».
Erste Kontakte mit dem Oberaargau
Geboren wurde er in Bern, aufgewachsen ist er in den Bundeshauptstadt, in Zürich und in Schönenwerd. «Meine ersten Kontakte mit dem Ober-aargau hatte ich durch einige Mitschülerinnen und Mitschüler in der Kantonsschule in Olten», erzählt Peider Nicolai. Doch bis es ihn in diese Region verschlug, vergingen noch viele Jahre. Nach einer kaufmännischen Ausbildung zog er ins Welschland, gründete dort mit einer Westschweizerin eine Familie und lebte rund 40 Jahre dort. Heute wohnt er mit seiner Partnerin wieder in Bern.
Mit 50 ein Berufswechsel
Der berufliche Weg führte ihn unter anderem in die Firma Kodak und in die Bundesverwaltung, wo er jeweils mass-geblich an der Umsetzung von Projekten beteiligt war. «So um die 50 herum war ich mit meiner Lebenssituation nicht mehr zufrieden, ich brauchte einen Kick», gibt Peider Nicolai zu. Den Ausschlag für den beruflichen Wechsel brachte ein tragischer Umstand. «Durch meinen Vater lernte ich die Heimlandschaft kennen. Dieser erlitt nämlich auf einer Kreuzfahrt anlässlich der Goldenen Hochzeit eine Hirnblutung und musste hospitalisiert und anschliessend gepflegt werden. In dieser Zeit wurde mir klar, dass ich eigentlich gerne mit Menschen arbeiten würde.» Nach einem Gerontologie-Studium engagierte sich Peider Nicolai als Leiter von Wohn- und Pflegeinstitutionen und zuletzt als Direktor eines Pflegeheims und Mitglied der Geschäftsleitung des Gesundheitsnetzes Seebezirk in Murten.
«Der Lindenhof hat eine hervorragende Reputation»
Zum Grund, weshalb er sich für den Lindenhof als Arbeitsort entschieden hat, sagt er: «Die Heimlandschaft im Oberaargau ist mir durch meine Beratertätigkeit in Gemeindeverbänden und Altersinstitutionen bekannt. Zudem reizte es mich, einmal in einer gut aufgestellten Institution zu arbeiten, nicht – wie so oft – in solchen, wo vieles im Argen liegt.» Der Lindenhof stehe betriebswirtschaftlich gut da und habe eine hervorragende Reputation. So ist er überzeugt, dass es jeweils auf die Führung ankommt, ob ein Al-terszentrum funktioniere und nicht an den ungenügenden Bauten oder einer einfachen Küche. «Deshalb haben wir im Lindenhof Mitarbeitende, die lange Dienstjubiläen feiern können.»
Herausforderungen annehmen
Trotzdem stehen auch im Lindenhof Herausforderungen an. «Eine ist sicher die Digitalisierung, und zwar in allen Bereichen. Es geht darum, die Mitarbeitenden in der Anwendung neuer Technologien so zu befähigen, dass Informationen besser, vernetzter und schneller genutzt werden können.» Zudem sieht er den Lindenhof als 4-Sterne-Hotel, in dem eine professionelle Pflege zwar vorrangig und sehr wichtig ist, jedoch auch die zwischenmenschliche Betreuung sowie eine erstklassige Gastronomie einen hohen Stellenwert haben müssen. «Diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist eine grosse und noble Aufgabe.» Es brauche zudem viel Einfühlungsvermögen. «Die meisten von unseren Bewohnerinnen und Bewohnern ziehen von einer 3-, 4- oder mehr Zimmerwohnung oder einem Haus auf rund 20 Quadratmeter um. Das ist ein schwieriger Prozess, auf dem wir die Menschen begleiten wollen und müssen.» Zwar wird die Selbständigkeit durch diesen Wechsel reduziert, «aber die heutige Heimgeneration will mitbestimmen und respektiert werden.» Dies zeige sich unter anderem im Bereich Essen. Ein Menü wie noch vor Jahren reiche nicht mehr aus, es brauche eine Auswahl. Auch vegetarische Küche sei heute Standard.
Die Lebenserfahrung zählt
Auf politischer Ebene seien die Veränderungen ebenfalls gross. «Alles ist stärker reguliert», weiss Nicolai. «Die Kosten steigen, aber es wird weniger mitfinanziert.» Das wirke sich auch auf die bevorstehende Altersarmut aus, wie er befürchtet. Neue Modelle seien gefragt, im Bereich Wohnen wie im Bereich Durchmischung von Alt und Jung in allen Lebensbereichen sowie ein Umdenken in der Haltung gegenüber dem Alter. «Die alten Menschen sind keine Last. In asiatischen Kulturen beispielsweise wird auf sie gehört, zählt deren Lebenserfahrung.» Dies sind alles Herausforderungen, auf die sich Peider Nicolai freut und denen er sich, wie eingangs erwähnt, mit Freude und Engagement noch ein paar Jahre stellen will. «Denn ich will so lange wie möglich ein aufmerksamer Institutionsleiter und vor allem ein präsenter Gastgeber sein.»
Über 90-jährige Geschichte
Die Geschichte des Lindenhofs beginnt im Jahr 1926, als Samuel und Marie Lehmann-Seiler ihre schöne Villa dem Verein für das Alter schenkten. In den folgenden Jahrzehnten wurde immer wieder um- und ausgebaut. 1981 kamen das Hauptgebäude mit 58 Pflegeplätzen und ein Nebengebäude mit 31 Alterswohnungen dazu. 2004 wurden in zwei weiteren Neubauten 14 hindernisfreie und altersgerechte Wohnungen realisiert. Nach über 90 Jahren musste die Villa dem Neubau Lichthof weichen, in welchem 21 Pflegeplätze für Menschen mit demenziellen Erkrankungen angeboten werden. Ende 2021 arbeiteten 114 Mitarbeitende und Lernende im Lindenhof, was 86,3 Vollzeitstellen entspricht. Seit dem 1. April 2022 leitet Peider Nicolai das Institut. Der Stiftung Lindenhof steht Annette Geissbühler als Stiftungsratspräsidentin vor.
Sommerfest
Am Samstag, 25. Juni, feiert der Lindenhof in Langenthal sein 40-Jahr-Jubiläum. Unter dem Titel «Bergzauber im Lindenhof» sind verschiedene Programmpunkte geplant. Um 10.30 Uhr beginnt das Jubiläum mit dem Festakt. Nach der Ansprache von Annette Geissbühler, Stiftungsratspräsidentin, einem Grusswort und einer Zeitreise durch 40 Jahre Lindenhof mit einem Überraschungsgast wird ein Apéro serviert. Musikalisch umrahmt wird der Festakt durch die Örgeligruppe «Zämegwürflet». Ab 14 Uhr: Auftritt der Trachtengruppe Madiswil und Umgebung. Während des ganzen Tages: Auf Wanderschaft durch und um den Lindenhof mit Wettmelken, Berggipfel raten, Tannzapfenwerfen und vielen weiteren Herausforderungen und Überraschungen. Die Fotoausstellung von Willy Jost, ein Fotoshootings und eine Berg-Bar runden das Programm ab. Institutionsleiter und Gastgeber Peider Nicolai lädt zu geführten Besichtigungen ein: Um 9.30 und um 14 Uhr: Lindenhof 2. Obergeschoss. Um 11.30 und 15 Uhr: Alterswohnung im Park 27. Treffpunkt für die Führungen beim Brunnen zwischen dem Hauptgebäude und dem Lichthof.
Von Irmgard Bayard