«Ich will mit flinken Bewegungen entwischen»
Über die Leichtathletik stiess der Huttwiler Damian Lienhart zum Handball. Heute gehört der 20-Jährige bereits zu den Teamstützen der 2. Liga-Mannschaft des STV Willisau. Der Sport half dem talentierten Huttwiler auch über private Schicksalsschläge hinweg.
Handball · Ihr Grossvater Ernst Lienhart und Ihr Vater Urs Lienhart, der1988 Junioren-Schweizermeister über 110 Meter Hürden wurde, waren ausgezeichnete und wegen ihren Erfolgen weitherum berüchtigte Leichtathleten. Auch Sie haben Ihre sportliche Karriere mit Leichtathletik begonnen.
Vorerst: Ich bin sehr stolz, was mein Ätti und mein Vater sportlich erreicht haben. Tatsächlich war ich zuerst – wie ganz viele Jungs in diesem Alter – in der Jugendriege. Dort hat mir die Leichtathletik am besten gefallen, weshalb zuerst der Wechsel zur LV Huttwil und später dann zur LV Langenthal erfolgte, wo ich mich auf die von mir favorisierte Sportart fokussieren konnte.
Welche Disziplinen der Leichtathletik haben Ihnen am meisten zugesagt?
Vor allem die Sprintstrecken. Weiter hat mir auch der Weitsprung zugesagt. Wahrscheinlich wäre später auch der Hürdenlauf dazu gekommen. Altershalber übte ich diesen aber dazumal noch nicht aus.
Ihr grösster Erfolg in der Leichtathletik?
Ich gehörte nie zu den Besten. Ich bewegte mich an Wettkämpfen stets im vorderen Mittelfeld. Wenn es gut lief, konnte ich ab und zu einen Podestplatz belegen. So beispielsweise im Leichtathletik-Mehrkampf an den Kadettentagen.
Dann kam es zum Sportarten-Wechsel. Wie und wieso sind Sie zum Handball gestossen?
Ich habe damals viele Sportarten ausprobiert, um zu sehen, was mir neben der Leichtathletik, die ich immer noch gerne ausübe, auch noch gefallen könnte. So war ich im Karate- oder auch im Schwimmunterricht. Dann kam ich durch das Projekt «Handball macht Schule» in Berührung mit dieser Ballsportart. Sie hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen. Ich habe dabei auch bemerkt, dass mir der Teamsport eigentlich mehr zusagt.
Losgelegt haben Sie beim mittlerweile aufgelösten Handballverein Huttwil.
Das war naheliegend. Ich trat den Huttwiler U15-Junioren bei. Dort spielten auch viele meiner Kollegen mit, was den Spass erhöhte.
Schon bei den Junioren U15 haben Sie geglänzt. Als 14-Jähriger schossen Sie beispielsweise in der Saison 2015/16 in 20 Partien 133 Tore. Woher stammt dieser Torriecher?
Es hat wirklich auf Anhieb gepasst. Ich brachte von der Leichtathletik sehr gute Grundvoraussetzungen mit. Ich war flink und hatte eine verhältnismässig sehr gute Sprungkraft. Auf der Nachwuchsstufe kann man mit solchen Voraussetzungen erfolgreich sein.
Sie sind athletisch aber sehr leicht, können den Erfolg nicht über das Körperspiel herbeiführen. Ist Ihre Schnellig- und Wendigkeit das Erfolgsrezept?
Absolut. Ich muss mit meinen 65 kg nicht probieren, gegen die Abwehr-Hünen anzurennen. Vielmehr muss ich technisch stark sein – und mit flinken Bewegungen den kräftigen Abwehrhänden entwischen.
Wie haben Sie Ihre Position auf dem rechten Flügel gefunden?
Ich habe tatsächlich zu Huttwiler Zeiten auch im hinteren mittleren Rückraum gespielt. Doch dies machte später bei den Erwachsenen körperlich gesehen einfach keinen Sinn mehr. Als Linkshänder bin ich geradezu prädestiniert, am rechten Flügel zu spielen, da sich dadurch beim Abschluss der Winkel stark verbessert.
Wieso erfolgte der Wechsel zur SG Willisau/Dagmersellen, wo Sie für die Junioren U19 aufgelaufen sind?
Ich wollte mehr trainieren und ganz einfach auch mehr erreichen. Da zu dieser Zeit die Willisauer Junioren gerade eine Stärkeklasse aufstiegen, war der Zeitpunkt ideal. Zusammen mit dem Wyssacher David Mühle – mit dem ich noch heute bei Willisau spiele – wechselte ich aus sportlichen Gründen zu den Luzerner Hinterländern.
Dank guten Leistungen kamen Sie im Januar 2019 in der 2. Liga zum ersten Einsatz bei den Männern. Erinnern Sie sich?
Ich war dermassen nervös, dass ich mich in der Tat überhaupt nicht mehr daran erinnern kann.
Heute sind Sie bereits ein Stammspieler. In der laufenden Saison haben Sie in zehn Spielen 34 Tore für den STV Willisau erzielt. Sie sind trotz Ihrem geringen Alter und der noch fehlenden Routine zweitbester Teamskorer. Es läuft.
Es läuft vor allem dem Team. Wir konnten einen grossen Fortschritt erzielen und spielen eine extrem gute Saison. Derzeit liegen wir – mit einem Spiel weniger – mit Tuchfühlung zur Spitze auf dem 4. Rang. Persönlich finde ich, dass ich bei den Aktiven schon bessere Saisons hatte. Die aktuelle Spielzeit war und ist wegen Corona und den damit zusammenhängenden Trainings- und Spielunterbrüchen aber auch nicht einfach.
Wohin soll Ihre handballerische Reise führen?
Es war immer ein Bubentraum von mir, später einmal ganz hoch oben Handball spielen zu können. Diesen Traum habe ich nicht aufgegeben. Ich würde mich freuen, demnächst den Sprung in die 1. Liga zu schaffen. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn ich dies mit Willisau schaffen könnte. Mir ist aber auch bewusst, dass ein Wechsel zu einem renommierteren Club notwendig sein wird, wenn ich es noch höher nach oben schaffen möchte. Ob meine Qualitäten dafür ausreichen, ist die eine Frage? Die andere, ob ich das handballerische Engagement mit dem Beruf vereinbaren könnte?
Sie haben auf tragische Weise sowohl Ihren Vater wie auch Ihre Mutter früh verloren. Gab Ihnen der Sport Halt, um diese Schicksalsschläge zu überstehen?
Der Sport war immer eine Konstante in meinem Leben. Ich kann mich auf den Sport konzentrieren und von allem anderen völlig abschalten. Das hat mir in der schweren Zeit sehr geholfen. Weiter benötigte es einfach ganz viel Zeit, um über solch gravierende Einschnitte hinweg zu kommen. Das Leben geht aber weiter. Ich durfte nicht stehen bleiben. Meine Eltern hätten nicht gewollt, dass ich am Geschehenen zerbreche.
Welche Leute haben Ihnen in dieser schwierigen Zeit besonders geholfen?
Thomas Schenk, der damalige Lebenspartner meiner Mutter, war und ist eine wichtige Stütze. Zu ihm kann ich noch heute gehen, wenn ich «Chnörz» habe. Einen unglaublichen Support erlebte ich von der Familie Urs und Regula May, bei der ich während vier Jahren gewohnt habe. Meine Tante und Gotte Monica Leuenberger ist eine weitere ganz wichtige Person für mich. Meine Schwester Fabienne und ich haben von den Grosseltern und allen anderen Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden eine unglaubliche Unterstützung und Wärme erfahren dürfen. Bei allen Leuten, die uns Trost und Zuversicht spendeten, möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.
Wie geht es Ihnen heute?
Sehr gut, obwohl ich gerade etwas Prüfungsstress erlebte (lacht). Meine private, berufliche und sportliche Situation macht mich sehr glücklich. Und wenn ich ein Tief habe, stärkt mich meine Freundin.
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Damian Lienhart, Handballspieler aus Huttwil