«Im MotoE-Weltcup habe ich noch eine Rechnung offen»
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Dominique Aegerter, Töffpilot aus Rohrbach – Nach einer extrem starken Testphase nimmt der 30-jährige Rohrbacher Dominique Aegerter die Töffsaison 2021 in Angriff. In seiner zweiten Saison im MotoE-Weltcup möchte er den Titel gewinnen. Ausserdem fährt der Oberaargauer die Supersport-WM und damit auch wieder motorisiert. Satte 31 Rennen – so Covid-19 will – stehen bevor. Der «UE» unterhielt sich mit dem «Domi-Fighter».
Motorsport · Ihre Vorfreude dürfte immens sein?
Ich brenne richtig. Mein letzter Wettkampf bestritt ich am 22. November 2020 am Moto2-GP von Portugal. Für einen Töffpiloten mit Benzin im Blut ist das eine sehr lange Zeit ohne Rennfeeling. Ich freue mich gewaltig auf den Saisonstart. Dies ist vor allem auch so, weil meine Tests ausgezeichnet verliefen.
Haben Sie keine Angst, dass die Rennsaison 2021 stark von Covid-19 beeinflusst wird?
Wir Töffpiloten haben mittlerweile gelernt, damit umzugehen. Die Erfahrungswerte der Saison 2020 helfen dabei. Ich muss mich einfach immer mit der jeweiligen Situation arrangieren können. Ansonsten leidet meine Leistung darunter. Aktuell könnte es wegen Covid-19 schwierig werden mit den Rennen in Übersee und Frankreich.
Letzte Saison haben Sie nur zehn Rennen (7× MotoE, 3× Moto2) bestritten. 2021 werden es 31 und damit dreimal so viele sein.
Die grosse Zunahme gründet daher, dass an einem Supersport-Rennwochenende immer zwei Rennen stattfinden. Am Freitag finden die Trainings statt. Am Samstagvormittag wird das Qualifying gefahren, am -nachmittag dann das erste Rennen. Das zweite Rennen findet am Sonntag statt. Das samstägliche Qualifying gilt dabei für die Startaufstellung in beiden Rennen. Ich finde es natürlich cool, dass ich mich in der Supersport-WM am gleichen Wochenende doppelt messen kann. Ich liebe die Wettkämpfe. Je mehr, je besser.
Haben Sie keine Angst, weil die Verletzungsgefahr bei so vielen Trainings, Qualifyings und Rennen sehr gross ist?
Nein. Ich konnte mich jetzt lange mental und körperlich darauf vorbereiten. Ich bin konditionell absolut parat.
Welcher Wettbewerb reizt Sie momentan mehr: Ihr zweiter MotoE-Weltcup oder Ihre Premieren-Supersport-WM?
Ich war und werde für immer ein Töfffahrer sein, der den Motorenlärm und den Benzingeruch liebt und braucht. Dies ändert sich auch nicht, wenn ich jetzt mitunter eine Rennserie mit Elektromotorrädern fahre. Darum muss ich ehrlich sagen, dass mich die Supersport-WM gerade ein wenig mehr reizt.
Den MotoE-Weltcup fahren Sie im Deutschen «Liqui Moly Intact GP-Team», die Supersport-WM im holländischen «Ten Kate Team». Wo ist der Support professioneller?
Beim Intact-Team ist der Vorteil, dass wir uns in Deutsch unterhalten können. Dies erleichtert einiges. Im Ten Kate Team ist die Sprache Englisch. Beide Equipen arbeiten aber sehr zielorientiert. Und bei beiden Teams passiert, was für einen Piloten so eminent wichtig ist: Das Vertrauen ist vom ersten Moment an da. Die Anliegen des Piloten werden angehört und ernst genommen.
Jede Maschine benötigt für jeden Kurs ein minutiöses Setting. Wie können Sie so schnell vom Elektromotorrad auf die 600er-Viertakt-Yamaha umstellen?
Während meinen Tests konnte ich diesen Switch bereits einige Male üben. Und es klappte ausgezeichnet. Dies wahrscheinlich auch, weil der Unterschied der beiden Motorräder so riesig gross ist. Es bestehen wenig Ähnlichkeiten. Es wäre viel schwieriger, wenn die Settings der Maschinen praktisch identisch wären.
Beim MotoE-Weltcup 2020 haben Sie mit zwei Siegen und zwei 3. Rängen geglänzt. Trotzdem wollen Sie den 3. Gesamtrang vom Vorjahr noch übertreffen.
Auf jeden Fall, denn 2020 hatte ich Pech, wurde ohne eigenes Verschulden um ein noch besseres Endergebnis gebracht. Meine Testfahrten verliefen derart gut, dass ich 2021 um den Weltcupsieg mitfahren will.
In der Supersport-WM sind Sie ein Neuling. Die Tests haben aber aufgezeigt, dass Sie sich auch in dieser Rennklasse zurecht hohe Ziele stecken können.
Eine Prognose ist schwierig, weil ich in dieser Klasse noch nie ein Rennen bestritten habe. Und dies ist ein anderes Kaliber als eine Testfahrt. Gleichwohl bin ich guter Dinge und glaube, dass ich auch in der Supersport-WM vorne mithalten kann. Wichtig ist, dass ich konstant gut fahre.
Über 30 Rennen bringen eine grosse Reiserei und damit viele Auslagen mit sich. Sind die beiden Rennserien finanziell abgedeckt?
Im MotoE-Weltcup ist alles gedeckt und ich erhalte sogar noch eine Startgage. Diese ist aber nicht so gross, um damit den Betrag zu decken, den ich zu bezahlen habe, um in der Supersport-WM zu fahren. Gleichwohl lege ich nicht drauf. Ich erhalte nämlich für gute Supersport-Resultate sehr hohe Prämien. Neben dem sportlichen Ruhm hat es also auch noch einen schönen finanziellen Nebeneffekt, wenn ich Spitzenränge erziele.
Können Sie sogar etwas verdienen?
Ja, in der Tat. Etwas, was in der Moto2-Kategorie in den Jahren 2018 und 2019 nicht mehr der Fall war. Jetzt ist es wieder möglich, weil die Sponsorengelder vollumfänglich in meine Tasche fliessen.
Mit 164 Rennen sind Sie einer der Töffpiloten mit den meisten Einsätzen in der Moto2-Kategorie. Eine Rückkehr in diese Klasse dürfte aus finanziellen Gründen aber kein Thema sein?
Nein. Ich bin allerdings auch 2021 Ersatzfahrer im Moto2-Intact-Team. Sollten Marcel Schrötter oder Tony Arbolino ausfallen, werde ich zu Moto2-Einsätzen kommen.
Auch wenn zur gleichen Zeit ein MotoE- oder Supersport-WM-Rennen ansteht?
Nein, dann nicht. Die Rangordnung wurde ganz klar festgelegt. Absolute Priorität geniesst der MotoE-Weltcup. Dann folgt die Supersport-WM. Wenn also ein Moto2-Rennen, bei dem ich starten könnte, auf einen Termin
meiner beiden Meisterschaften fällt, werde ich im Moto2-Rennen nicht antreten.
Zum Schluss: Wie ist Ihre Familie im Töffzirkus 2021 eingebunden?
Mein Bruder Kevin ist auch weiterhin mein Manager. Meine Mutter Beatrice betreut den Fan-Shop. Sie übernimmt auch das Kochen und das Waschen. Mein Vater Fere ist seit jeher mein Mentor. Er soll es mittlerweile aber einfach geniessen und etwas ruhiger angehen lassen.
Infos: www.domi77.com
Kurz gefragt
Bester Töffpilot ever: Valentino Rossi.
Gerade so gut wie Töfffahren: Autofahren.
Benzin: Das habe ich im Blut.
Schönste Rennstrecke: Austin. Mir gefällt diese Stop-and-go-Strecke sehr. Ich konnte darauf viele gute Resultate erzielen.
Freundin: Ich bin Single. Ich habe meine Prinzessin leider immer noch nicht gefunden. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf.
Familienplanung: Dafür brauche ich natürlich meine Prinzessin. Ich wünsche mir schon einmal eine Familie und Kinder. Der Sport steht zwar nach wie vor im Fokus, doch wenn ich mein Herzblatt finde, wer weiss …
Instagram: Darauf bin ich ziemlich aktiv. Ich verfolge auch ständig, was meine Rennfahrerkollegen posten. Wenn ich im Ausland bin und gerade nicht auf dem Töff sitze, ist es ein willkommener Zeitvertreib.
TikTok: Ich habe mich wenige Male darin versucht. Diese Videos sagen mir nicht so zu. Dies ist eher eine App für
jüngere Benutzer.
Kreuzworträtsel: Meine Mutter löst sie.
Süssigkeiten: Mag ich sehr. Am liebsten jede Art von Schokolade.
Jahreszeit: Sommer, weil ich es einfach gerne warm habe.
Feriendestination: Überall, wo es heiss ist und einen Strand hat.
Covid-19: Dieses Virus erschwert alles. Bei mir besteht dauerhaft das Risiko, dass ich deswegen Rennen nicht fahren kann. Mittlerweile habe ich mich ungefähr 35 Mal testen lassen. In meinem Umfeld erwischte es anfangs Jahr meinen Vater. Ich war zu dieser Zeit aber nicht zu Hause. Ich blieb bisher verschont.
Domi-77-Schutzmaske: Die gibt es tatsächlich. Mit meinem Hauptsponsor Lanz Anliker AG darauf. Die schwarze Maske mit der leuchtgelben 77 ist sehr beliebt. 2020 gingen rund 400 Stück weg.
Blaue Nummer 77:
Das geht gar nicht. Doch in der Supersport-WM schreibt das Reglement tatsächlich allen Fahrern vor, dass die Nummer blau ist. So trägt meine Yamaha tatsächlich eine blaue statt leuchtgelbe 77. Damit kann ich mich nur schwer anfreunden.