• Rund 60 Interessierte folgten in der Bibliothek Langenthal den Ausführungen der Referentinnen Jasmine Shaheen (links) und Alicia Schröder. · Bild: Brigitte Meier

01.11.2024
Langenthal

Im Netz brauchen Kinder Begleitung und Schutz

Am Informationsabend zum Thema «Medienerziehung» (1. bis 6. Klasse) wurden Fakts und Lösungen aufgezeigt sowie brennende Fragen aus dem Publikum beantwortet. Das Interesse von Eltern und Betreuenden, wie sie «locker!» mit den vielfältigen Herausforderungen umgehen können, war gross. Organisiert wurde der Anlass von der Bibliothek Langenthal.

Auf wirksame Weise mit Humor, Verständnis, aber ohne erhobenen Zeigefinger vermitteln Alicia Schröder und Jasmine Shaheen von der Fachstelle zischtig.ch, wie Kinder vor Cybermobbing, Onlinesucht und anderen Gefahren geschützt werden können. Thematisiert wurden wichtige Fragen wie Screeningzeit regulieren, reduzieren von belastenden Inhalten im Internet, Kinder vor Cybergrooming schützen oder Vorbildfunktion der Erwachsenen. Mit aktuellen Beispielen und ansprechenden Tipps wird eine sichere Mediennutzung angestrebt. Vor rund 60 Besucherinnen und Besuchern betonen die jungen Medienprofis, dass es nicht den einen Weg gibt. Sicher sei jedoch, dass sich die Einstellung gegenüber neuen Technologien verändert. Nach jahrelanger Euphorie sind es immer mehr junge Menschen, welche digitalen Medien kritisch gegenüberstehen. 

Vorbildfunktion wahrnehmen
Social Media habe sich inzwischen als definitiv «nicht sozial» erwiesen. Dies werde zusehends in der Erziehung berücksichtigt. Gefordert wird kein Medienverbot, jedoch der bewusste Umgang mit den Medien, verbunden mit einer aufmerksamen Begleitung. Selbstkritik ist ein guter Anfang. «Wir sollten unser eigenes Verhalten überprüfen und fragen, welches Vorbild wir abgeben. Kann ich noch einfach da stehen und auf den Bus warten oder muss ich gleich die Mails oder News online checken? Kann ich noch einintensives Gespräch führen oder muss ich zwischendurch ‹WhatsAppen›? Falls nicht, können wir dies anzupassen versuchen und gleichzeitig selber profitieren», erläutern die Referentinnen. Etwa darauf achten, Wartezeiten der Untätigkeit oder der Langeweile nicht sofort mit der Beschäftigung am Handy zu überbrücken. 


Hobby vor Handy – beste Suchtprophylaxe
Kinder beobachten genau und es wirke, wenn sie aktive Eltern sehen, die eine bessere Mediennutzung anstreben. Deshalb gelten handyfreie Zeiten auch für Eltern. Wie ist es mit Musizieren, Malen oder Werken? Statt abendliches Streamen, ein Buch lesen? Freizeitbeschäftigungen für Kinder sind wichtig für eine gesunde Entwicklung, etwa wenn sie klettern oder draussen spielen. Jugendliche brauchen Halfpipes und Plätze für Sport und Spass. 

Wie begleiten wir Kinder? 
Längst ist für Erwachsene WhatsApp, YouTube und Co. selbstverständlich geworden. Als Alicia Schröder fragt, wie viele der Anwesenden ihre Bildschirmzeit kennen, werden nur wenige Hände gehoben. Sie gibt zu bedenken, dass Eltern eine gewisse Sorglosigkeit hinterfragen müssen. Kinder konsumieren Videos auf YouTube-Short zur reinen Unterhaltung. Auf WhatsApp und Games werden angstmachende, beleidigende und verbotene Inhalte ausgetauscht. Deshalb sollte man mit eigenen Geräten für Kinder zuwarten und überlegen, welche Inhalte in welchem Alter zugänglich sein dürfen. Wichtig sei, die Risiken für üble Inhalte proaktiv anzusprechen, Vertrauen zu bilden, damit Kinder bei schlechten Gefühlen zu den Eltern gehen, selbst wenn sie etwas Verbotenes gemacht haben. Gelegentlich empfehle sich in diesem Alter auch eine gemeinsame und respektvolle Handykontrolle. 

Handyregeln sind ein Muss!
Trend an mehreren Schulen ist ein «Handy-Hotel»; dies lasse sich auch zuhause problemlos einrichten. So könnte abgemacht werden: Am Tisch hat das Smartphone nichts zu suchen und gehört weder ins noch neben das Bett. Hingegen darf man vor dem Nachtessen online sein. Die wöchentlich empfohlene Bildschirmzeit entspreche den Altersjahren des Kindes, das heisst, zehn Stunden für ein zehnjähriges Kind. Fälschlicherweise werde oft angenommen, Kinder seien den Eltern im korrekten Umgang mit Handy und Apps weit voraus. Dabei könnten Kinder die Konsequenzen ihres Handelns nicht erfassen und sich mit dem Weiterleiten oder Speichern pornografischer oder rassistischer Inhalte strafbar machen. Ab zehn Jahren sind Kinder strafmündig und sollten altersentsprechend aufgeklärt sein. Übergriffe aus dem Netz habe schon bei jüngeren Kindern zugenommen und der Schutz werde immer wichtiger. Sie brauchten Hilfe beim Erkennen von Lügen, Fälschungen und KI-Auswüchsen. Auch deshalb werde möglichst lange eine gemeinsame Mediennutzung empfohlen. Erfahrungsgemäss laufe in Klassenchats ab der 5. Klasse sehr viel. Leider schütze auch die beste Kindersicherung nicht davor, dass Kinder ungeeignete Inhalte empfangen und manchmal weiterleiten. Sie müssen wissen, dass dies nicht okay ist und Sanktionen erfolgen wie beispielsweise ein Handyentzug für einige Tage; auch wenn sich Eltern dadurch nicht beliebt machen. Während und nach dem Vortrag wird lebhaft diskutiert. Gegenüber dieser Zeitung sagt eine Mutter aus Rohrbachgraben, dass ihr Prävention wichtig ist. Sie habe bemerkt, dass ihr fünfjähriger Sohn über kein Zeitgefühl verfüge, wenn sie mal etwas zusammen auf ihrem Handy anschauen. «Die Inputs waren praktisch und wertvoll. So habe er nicht gewusst, dass bei eingeschaltetem Geistmodus in Snapchat der Standort nicht ersichtlich ist», konstatiert der Vater eines Langenthaler Siebtklässlers, der neu ein Handy besitzt. 

Vor Cybergrooming schützen
Wenn Erwachsene mit sexuellen Absichten über das Internet Kinder und Jugendliche kontaktieren, nennt man das Cybergrooming. Schülerinnen und Schüler werden online direkt nach Handynummern oder Nacktfotos gefragt. «Leider ist dieses Problem nicht gelöst, wenn wir den Kindern TikTok verbieten. Täter und Täterinnen sind auf diversen Plattformen aktiv. Dazu gehören auch vermeintliche Kinderspiele wie Roblox oder BrawlStars, Gaming-Plattformen, Chat-Dienste, Snapchat oder Anwendungen wie Quizduell», sagt Jasmine Shaheen. Häufig werden für alle Plattformen die gleichen Nicknames benutzt, dies erleichtert es, Kinder und Jugendliche über mehrere Plattformen zu tracken und herauszufinden, wo sie wohnen oder in welchem Sportverein sie sind.

 Wie soll man sich verhalten?
Kriminelle in diesem Bereich seien sehr clever und oft sei man plötzlich mit einer Erpressung konfrontiert. So komme es vor, dass Kinder und Jugendliche aus Angst vor Problemen und Bestrafungen viel zu spät zu Eltern oder Lehrpersonen gehen. Deshalb sollte konkret über das Thema gesprochen werden. Ruhig bleiben und falls ein Cybergrooming-Fall vorliegt oder vermutet wird, sollten sich Eltern bei der Schulsozialarbeit, bei einer psychologischen Beratung, bei der Kantonspolizei oder auch bei Fachstellen wie zischtig.ch melden.

Von Brigitte Meier