Im «Unruhestand» neue Aufgaben angehen
Nach fast 25 Jahren an der Spitze der Heilsarmee Brocki Huttwil geht Ueli Stalder per Ende Januar in Pension. Die Schlüssel hat er allerdings schon übergeben, bezieht im Moment den Rest seiner Ferien. Die Brocki hat sich unter seinen Händen zu einem Unternehmen entwickelt, wird bis heute ständig grösser, obwohl er dies eigentlich gar nie angestrebt hatte …
Als im Mai 1994 die Heilsarmee in Huttwil ihre eigene Brocki eröffnete, übernahm Ueli Stalder zusammen mit Hélène Schär die Aufgabe, die neue Institution aufzubauen. Am Heilsarmee-Standort am Höhenweg 6 stand dafür eine Halle mit 200 Quadratmeter zur Verfügung. Beide arbeiteten damals je in einem Stellenpensum von 40 %; Ueli Stalder betrieb nebenbei seinen arbeitsintensiven Bauernhof im abgelegenen Hohtannen in Schmidigen-Mühleweg. Die Brocki wuchs – weit über ihre räumliche Kapazität hinaus. Das Lager füllte sich dermas-sen, dass es irgendwann keinen Zugang zu vielen Artikeln mehr gab und externe Lagerräume zugemietet werden mussten.
Die Heilsarmee musste eine andere Lösung suchen und fand diese in der «Alten Mosterei» an der Langenthalstrasse 15, die zu diesem Zeitpunkt infolge eines Konkurses leer stand. Ein der Heilsarmee Huttwil nahe stehender Investor kaufte die Liegenschaft aus der Konkursmasse heraus mit dem Plan, im Erdgeschoss eine Verkaufs- und Lagerfläche von 750 Quadratmetern als attraktiven Standort an die Heilsarmee Brocki zu vermieten.
«Wir müssen genügend Raum haben, um unser Angebot besser zu präsentieren», war Ueli Stalders berechtigter Anspruch. «Man muss alles ausbreiten können.» Sechseinviertel Jahre nach der Gründung der Brocki am Höhenweg konnte diese im August 2000 den neuen Standort eröffnen.
Es war immer noch eine verhältnismässig «kleine» Brocki, für den Leiter Ueli Stalder allerdings längstens gross genug. «Ich war immer der Meinung, dass eine kleine Brocki ihren sozialen Auftrag besser wahrnehmen kann und kundenfreundlicher ist», sagt er gegenüber dem «Unter-Emmentaler». Durch den attraktiven Standort wurden viele neue Kunden auf die Heilsarmee-Brocki aufmerksam, so dass diese rasch über alle Erwartungen hinaus weiter wuchs und der Platz ein weiteres Mal knapp wurde. Im angrenzenden Aussenbereich stand jedoch ein grosser Maschinenunterstand leer, welchen der Investor nun zu einer Halle einwanden liess und so an die Brocki vermietete. Wenig später stellte er bei einem Gang durch die Halle zusammen mit Ueli Stalder fest: «Der Raum ist bei dieser Höhe schlecht ausgenützt.»
Also zogen einmal mehr einheimische Handwerker ein und errichteten eine Treppe und einen Zwischenboden. Das Schleppdach wurde in den hinteren Bereich gezügelt, um einen Unterstand für die Warenanlieferung zu realisieren. Damit wuchs die Gesamtfläche auf rund 1600 Quadratmeter an.
Sozial, freundlich, zuverlässig und hilfsbereit – diese Devisen behielt Ueli Stalder auch, als die Brocki munter weiterwuchs.
Auf seine Initiative eröffnete die Heilsarmee 2004 den «Leuchtturm» unter dem gleichen Dach und setzte Thomas Grob als dessen Leiter ein. Im «Leuchtturm» finden Menschen, die den ersten Arbeitsmarkt verpasst haben oder Unterstützung benötigen, um sich in diesen integrieren zu können, Arbeit und Förderung. Der Entsorgungsbereich, vorerst das Auseinandernehmen, Sortieren und korrekte Recyclen oder Entsorgen von Elektroschrott, bot dazu unter fachkundiger Anleitung eine gute Voraussetzung. Während der Platz ein weiteres Mal knapp wurde, weil Wand an Wand die Brocki wuchs und sich auch der «Leuchtturm» weiterentwickelte, liess der Investor auf dem weitläufigen Areal eine neue Halle bauen, in welche der «Leuchtturm» 2012 einziehen konnte. Weiter entstand in den letzten Jahren durch verschiedene bauliche Erweiterungen die zweckmässige Entsorgungsstrasse.
Zusammengewachsen
In dieser Zeit wuchsen Brocki und «Leuchtturm» nicht auseinander, sondern zusammen. Längst ist hier die Warenannahme koordiniert, und auch bei der Warenaufbereitung zum Verkauf in der Brocki arbeitet man sich Hand in Hand.
Ueli Stalder selbst verkörperte ein Stück weit dieses Wachstum. Personell erhielten Brocki und «Leuchtturm» kontinuierlich Zuwachs. Heute sind hier 21 Mitarbeitende in 1625 Stellenprozenten beschäftigt. Weiter ergänzen die meiste Zeit zwei Zivildienstleistende mit ihren Sozialeinsätzen das Team. Ueli Stalders Credo «sozial, freundlich, zuverlässig und hilfsbereit» übertrug er auf das Personal. Es gab im Verhältnis zu anderen Brockis sehr wenige Fluktuationen. Er selbst war überall gefragt und gefordert, kam zuweilen an die Grenzen seiner Kräfte. Den Bauernhof in Schmidigen-Mühleweg haben er und seine Frau schon längst in andere Hände übergeben und sind nach Huttwil gezogen. Frühzeitig wusste er, dass er sich ein Jahr früher pensionieren lassen wird.
In der Heilsarmee möchte er sich künftig vermehrt dem Dienst im Seniorenbereich widmen. Seine neue Tätigkeit lasse viele Möglichkeiten offen. Nach nur wenigen Wochen im «Unruhestand» heisse es schon, «darüber zu wachen, dass nicht wieder alles voll verplant ist.» Das Älterwerden beschäftige ihn: «Die Einsamkeit vieler Seniorinnen und Senioren ist gross.» Treffpunkte wie Post, Dorfladen und weitere würden vielerorts fehlen. Die grossen Geschäfte seien unpersönlicher geworden, weil Computer die Funktion von Menschen übernehmen würden. Auf den menschlichen «Treffpunkt Brocki» habe er viel Wert gelegt. «Aber es braucht mehr. Es gibt noch viel zu tun.»
Nachfolge den gewachsenen Verhältnissen angepasst
Seine Nachfolge wurde in der Brocki sorgfältig angegangen. Den gewachsenen Verhältnissen wird mit der Anpassung und Zusammenführung der Leitungsstruktur von Brocki und Leuchtturm Rechnung getragen, und die Aufgaben werden auf mehrere Schultern verteilt. Thomas Grob hat per 1. Januar die Gesamtleitung Brocki und Leuchtturm übernommen. In der Geschäftsleitung ergänzen ihn Guido Ammann als Leiter von Verkauf und Warenannahme und Andreas Kipfer in der Administration – bereits seit 18 Jahren in der Heilsarmee Huttwil und in dieser Zeit teilweise auch in der Brocki tätig. Ebenfalls neu koordiniert Samuel Gerber an der Front die Warenannahme, den Entsorgungshof und die Disposition des Abholdienstes. Letztere erfordert täglich immerhin an die 30 bis 40 Telefonate.
Ueli Stalder ist dankbar: «Ich freue mich, dass alles in kompetenten, sorgenden Händen ist und dass ich meine neuen Aufgaben mit einem guten Gefühl angehen kann.»
Von Liselotte Jost-Zürcher