• Sonja Hasler: «Es stört mich, dass immer weniger Geld für guten Journalismus zur Verfgung steht.» · Bild: Marcel Bieri

23.11.2018
Oberaargau

«Im Zeitalter von Fake News ist guter Journalismus mehr denn je gefragt»

Die bekannte Fernseh- und Radio-Journalistin Sonja Hasler ist für einen Abend in ihre Heimat, den Oberaargau, zurückgekehrt und moderierte die Jubiläumsfeier 75 Jahre Volkshochschule Oberaargau. Der «Unter-Emmentaler» nutzte die Gelegenheit, sich mit der 51-jährigen Walterswilerin über den Journalismus, unerfüllte Träume, Schülerskirennen, Theologie und Vanille-Cornets zu unterhalten.

Oberaargau · Walter Ryser im Gespräch mit Sonja Hasler

Sonja Hasler, wenn ich Ihren Lebenslauf betrachte, weiss ich gar nicht, wo ich mit dem Interview beginnen soll. Fangen wir doch damit an, dass Sie wieder einmal in Ihrer Heimat anzutreffen sind, als Moderatorin der Jubiläumsfeier 75 Jahre Volkshochschule Oberaargau. Was reizt Sie, solche Events zu moderieren?
Ich wohne ja mitten in der Stadt Zürich, da ist es schön, ab und zu aufs Land zurückzukehren und zu schauen, was hier so läuft. Ich finde es hochspannend, herauszufinden, wie die Leute hier denken und fühlen. Mich interessiert der Puls der Leute. Natürlich sind Moderations-Anfragen aus meiner Heimatgegend jeweils eine Herzensangelegenheit, auch jene der Volkshochschule Oberaargau, habe ich doch selber hier einmal einen Italienischkurs besucht, beim legendären Ricardo Mortasini (lacht).

Was verbindet Sie sonst noch mit Ihrer Heimat, dem Oberaargau?
Natürlich meine Familie, meine Eltern wohnen noch in Walterswil und meine Schwester ist in das Haus meiner Grosseltern gezogen. Ich habe Freunde in Langenthal und mein «Gottemeitli» ist im Restaurant Wilder Mann in Schmidigen zu Hause, wo ich in jungen Jahren selber im Service tätig war. Nach Einschätzung meiner Mutter bin ich zwar viel zu selten im Oberaargau, aber ich habe nach wie vor gute Kontakte in die Region. Bloss den Walterswiler Skilift habe ich schon lange nicht mehr besucht.

Dieser ist ja auch nur noch selten in Betrieb.
Heute ja, aber zu meiner Zeit haben wir hier viele Stunden verbracht und ich habe schöne Erinnerungen an diesen Ort, habe ich doch hier viele Schülerskirennen bestritten und auch einige gewonnen. Wegen dem Walterswiler Skilift hatte ich als Kind immer den Wunsch, später einmal Skirennfahrerin zu werden (lacht).

Sie waren und sind als Journalistin in verschiedenen Branchen tätig. Sie schrieben für Tageszeitungen, haben aber auch beim Fernsehen und Radio gearbeitet. Was bedeutet Ihnen persönlich der Journalismus?
Ich finde, dass ich einen extrem privilegierten Beruf ausüben darf, weil ich hier in viele Sachen hineinschauen kann und viele Leute treffe, an die ich normalerweise gar nicht heran käme. Ich finde es äusserst interessant, herauszufinden, weshalb etwas so funktioniert und nicht anders. Meine Leidenschaft sind Gespräche, ich setze mich gerne mit Themen und Leuten auseinander und liebe den Kick von Live-Sendungen.

Der Journalismus befindet sich seit einigen Jahren im Wandel. Wie nehmen Sie diesen Wandel wahr, was stört Sie am heutigen Journalismus und welchen Weg sollte der Journalismus Ihrer Meinung nach in Zukunft einschlagen?
Es stört mich, dass immer weniger Geld für guten Journalismus zur Verfügung steht. Das bedaure ich sehr, weil wir im Zeitalter von Fake News mehr denn je guten Journalismus benötigen. Die digitale Informationswelt braucht eine journalistisch einordnende und überprüfende ‹Hand›.

Dieses Interview wird in einer Lokalzeitung veröffentlicht. Sie waren ebenfalls als schreibende Journalistin tätig. Die Zeitungen haben heute einen schweren Stand, weil die junge Generation Online-Medien bevorzugt. Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Print-Journalismus?
Eines gleich vorne weg: Ich lese Zeitungen, immer noch. Klar, am Morgen konsultiere ich die News auf dem Handy, aber in der Zeitung lese ich Artikel, die ich online nie lesen würde. Ich merke auch, dass ich in der Zeitung bei gewissen Themen einfach hängen bleibe, weil mich die Hintergründe interessieren. Und Lokalzeitungen finde ich generell das Grösste, weil man hier als Journalist enorm nahe dran ist. Wenn du nämlich als Lokaljournalist einen ‹Seich› schreibst, hörst du das umgehend von allen Seiten im Dorf. Also, ich bin nach wie vor ein grosser Fan von Print-Produkten, aber wohin die Reise geht, ist schwer zu sagen. Als die E-Books aufkamen, wurde auch das Ende des Buchhandels prophezeit, doch es gibt sie immer noch, die Buchhandlungen.

Wie stehen Sie zum boomenden Social-Media-Trend, sind Sie hier ebenfalls aktiv?
Ich bin vor allem auf Twitter aktiv. Sonst habe ich mich auf den Social-Media-Kanälen eher zurückgehalten, nicht zuletzt, weil ich ein gewisses Suchtpotenzial habe. Ich überlege mir aber gerade, ob ich aktiv bei Instagram einsteigen soll.

Sie waren als Journalistin in verschiedenen Bereichen tätig, sie haben Politsendungen moderiert, waren als Sportredaktorin tätig oder treten als Gesprächsleiterin von Sendungen auf, die aktuelle, gesellschaftliche Themen behandelt. In welchem Themenbereich fühlen Sie sich am ehesten zu Hause und welche Erfahrungen nehmen Sie aus den verschiedenen Bereichen mit?
Mich interessiert tatsächlich sehr vieles, von Sport über Politik bis Boulevard. Da kann ich überall mehr oder weniger mithalten. Bei Themen wie Bitcoin und Blockchain gerate ich allerdings ziemlich schnell an meine Grenzen. Ich nehme aus allen Bereichen, in denen ich tätig bin und war, sehr viel mit. Sport-Journalismus beispielsweise finde ich etwas vom Direktesten, was es im Journalismus überhaupt gibt. Hier lernt man reden und schreiben. Ein Sportjournalist kann selten etwas vorbereiten und planen, vieles geschieht unmittelbar. Zudem ist man hier als Journalist extrem nahe dabei, bei den Akteuren und den Emotionen, das ist eine Erfahrung, die enorm wertvoll ist. Aber auch der politische Journalismus ist extrem spannend. Am Tag einer Bundesrats-Wahl im Bundeshaus arbeiten zu dürfen, direkt am Puls, solche Erlebnisse sind unvergesslich.

Bevor Sie überhaupt journalistisch tätig geworden sind, haben Sie auch Psychologie und Theologie studiert, zwei äusserst spannende Themenfelder. Weshalb haben Sie diese nicht weiterverfolgt?
Ja, in der Tat, ich bin Theologin. Dieses Fach habe ich aus Interesse studiert, weil ich ein Fach wollte, das mich herausfordert. OK, so gesehen hätte ich auch Mathe wählen können, das hätte mich zweifellos noch mehr herausgefordert (lacht herzhaft). Ich wusste zwar immer, dass ich nicht als Theologin arbeiten wollte, trotzdem fand ich dieses Studium hochinteressant und es war für mich eine super Zeit. Von einer Sportveranstaltung zurück an die Uni zu gehen und hier direkt ins Alte Testament einzutauchen, hat mich jeweils fasziniert.

Vor vier Jahren haben Sie vorübergehend dem Journalismus den Rücken gekehrt und sich eine längere berufliche Auszeit gegönnt. Was haben Sie während dieser Zeit gemacht und was hat Ihnen die Auszeit rückblickend gebracht?
Ich habe exakt 20 Jahre bei der SRG gearbeitet und fand dies einen idealen Zeitpunkt, um eine Pause einzulegen. Während meiner Auszeit war ich viel auf Reisen und habe wieder begonnen, Unterricht als Hilfsskilehrerin an der Lenk zu erteilen. Das mache ich nun jedes Jahr. Während meiner Auszeit habe ich vermehrt auch als freie Moderatorin gearbeitet. Dabei habe ich gemerkt, dass ich das einfach gerne mache. Aber ich habe auch die Erkenntnis gewonnen, dass ich gerne einem «Rudel» angehöre und in einem Team arbeite. Deshalb arbeite ich nun wieder zu 50 Prozent beim Radio SRF 1, wo ich als Gesprächsleiterin der Radio-Talk-Sendung «Persönlich» sowie als Produzentin der Morgensendung tätig bin. Die restliche Zeit bin ich als freie Moderatorin aktiv. So gesehen hat mir die Auszeit nicht nur gut getan, sondern auch extrem viel gebracht.

Vom Journalismus sind Sie trotz der Auszeit nicht weggekommen. Sich mit Menschen zu unterhalten und ihren Geheimnissen auf die Spur zu kommen, scheint ein grosses Bedürfnis von Ihnen zu sein?
Ja, genau, ich bin einfach ‹gwundrig› und ich widme mich extrem gerne den Lebensgeschichten von Leuten. Ich freue mich jeweils, wenn Menschen ins ‹Persönlich› kommen und über ihr Leben erzählen. Das ist etwas Faszinierendes, das haben sicher bereits die Neandertaler getan, wenn sie am Abend am Lagerfeuer sassen und über ihr Leben berichtet und erzählt haben, wie das nun genau mit dem Mammut war. Deshalb kann ich älteren Menschen stundenlang zuhören, wenn sie von früher, aus ihrem damaligen Leben berichten.

Apropos Lebensgeschichten, vor rund zehn Jahren haben Sie der ‹Schweizer Illustrierten› verraten, welche zehn Dinge Sie in Ihrem Leben unbedingt noch tun wollen. Wie sieht es damit heute aus, haben Sie beispielsweise Schaupielerin Meryl Streep getroffen oder haben Sie gelernt Akkordeon zu spielen? Und wie sieht es mit Ihrem Fotoarchiv aus, das Sie unbedingt ausmisten wollten? Haben Sie in den letzten zehn Jahren auch mehr gelacht, getanzt, mehr auf den Tisch gehauen, sind Sie öfter barfuss gelaufen und haben viel mehr Vanille-Cornets gegessen?
Ja, ich erinnere mich. Also, das mit dem Fotoarchiv ist halb erledigt, Akkordeonspielen kann ich immer noch nicht und auch Meryl Streep habe ich noch nicht getroffen. Aber, ich kenne eine Person, die sie getroffen hat, also bin ich hier einen Schritt weiter und genau genommen nur noch eine Person von Meryl Streep entfernt. Von einem Veranstalter habe ich einmal für eine Moderation statt Blumen eine Schachtel Vanille-Cornets erhalten, was mich sehr gefreut hat. Ich habe viel gelacht, getanzt und barfuss gelaufen bin ich in den letzten zehn Jahren auch. Genau diese Dinge sind es, für die ich mir jetzt mehr Zeit nehme.

Sie haben viele Jahre lang die bekannte TV-Sendung ‹Arena› moderiert. Nehmen wir an, Sie hätten einmal die Gelegenheit gehabt, Persönlichkeiten zu befragen, an die man nicht alle Tage herankommt, was hätten Sie da beispielsweise Donald Trump gefragt, was möchten Sie von Bill Gates wissen und was würden Sie zu Angela Merkel sagen?
Donald Trump würde ich gerne fragen, wie lange wir noch warten müssen, bis er uns mitteilen wird: ‹Hallo Freunde, ich bin übrigens auch Fake News.› Bill Gates würde ich fragen, ob er mit mir zusammen ein Tennis-Doppel gegen Roger Federer spielen würde, denn ich bin ein grosser Federer-Fan. Angela Merkel hätte ich sehr gerne einmal in einer meiner ‹Arena›-Sendungen gehabt. Sie würde ich zuerst nichts Politisches fragen. Vielmehr würde mich interessieren, was sie als Erstes macht, wenn sie nach Hause kommt: Legt sie sich gleich aufs Sofa, geht sie hinter den Kühlschrank und wärmt die ‹Resten› auf, rennt sie unter die Dusche oder geht sie vielleicht sogar schnurstrakts ins Büro und setzt sich wieder an den Schreibtisch?

Sie blicken auf ein bewegtes, vielfältiges und äusserst interessantes Leben zurück. Auf was sind Sie besonders stolz?
(Überlegt lange): Früher war ich jeweils stolz, wenn ich das Schülerskirennen in Walterswil gewonnen habe. Aber heute? Ich habe viel erreicht, was ich erreichen wollte, aber macht mich das stolz? Ich würde eher sagen, dass ich mich darüber freue, dass ich dies alles tun und erleben durfte. Deshalb würde ich wohl eher sagen, dass ich zufrieden bin mit meinem Leben und dem, was ich bis jetzt erleben durfte. Und ich freue mich auf das, was noch kommt.

Zum Schluss möchten wir nicht wissen, welche zehn Dinge Sie in den nächsten zehn Jahren noch unbedingt tun wollen, sondern nur, welchen Lebenstraum Sie noch verwirklichen möchten?
Ou, diese Frage stelle ich jeweils am Ende meinen ‹Persönlich›-Gästen. Mein Lebenstraum ist es, weiterhin ein traumhaftes Leben zu führen (lacht).