Imkern aus Liebe zu den Bienen und der Natur
Ein Novum in der Schweizer Bildungslandschaft: Zum ersten Mal haben Imkerinnen und Imker ihre Ausbildung mit einem Diplom abgeschlossen. Martin Bieri aus Heimiswil ist im Kanton Bern einer der ersten Imker mit eidgenössischem Fachausweis. Ein Besuch beim passionierten Bienenzüchter.
Kaltacker · Die Erde im Wald duftet nach Moos und Rinde an diesem warmen Tag anfangs November. In einer kleinen Lichtung stehen neun unscheinbare Holzkästen. Ein leises Summen verrät: Da sind Bienen zu Hause. «Solche Bienenkästen nennt man Magazine, sie ersetzen ein Bienenhaus», erklärt Martin Bieri. Als er und seine Frau Katja Schaffer vor elf Jahren in den Kaltacker zogen – in das ehemalige Schulhaus Rotenbaum – fing er an, Bienen zu züchten. «Da ich aber kein Bienenhaus hatte, entschied ich mich für Magazinkästen.» Dadurch ist auch «Wandern» mit einem Bienenvolk leicht realisierbar. Diese Art der Bienenhaltung trifft man in unseren Breitengraden eher selten an.
Ein bisschen Landwirt sein
Der gelernte Landwirt und heutige HTL-Ingenieur arbeitet als selbständiger Treuhänder für Gewerbler und Landwirte, obwohl er immer vom eigenen Bauernhof geträumt hat. «Mit dem Imkern habe ich mir zumindest ein Stück meines Traums erfüllt, weil ich gerne in und mit der Natur arbeite», erzählt der nun 48-Jährige. Ein guter Imker kennt sich wie auch ein guter Landwirt in der Biologie, der Ökologie und der Meteorologie aus und erlebt mit seinen Bienen intensiv den Wechsel der Jahreszeiten. «Die Imkerei ist ein wunderbarer Ausgleich zu meiner täglichen Arbeit mit Buchhaltungen und Steuererklärungen.» Als Martin Bieri sich die ersten Bienenvölker zulegte, hatte er während zwei Jahren an 18 Halbtagen einen Grundkurs für Neuimker besucht, sich dann stetig weitergebildet und sich ein breites Wissen angeeignet.
Eine Lehre für Imker
Für den ersten eidgenössisch anerkannten Bildungslehrgang für Imker in der Deutschschweiz hat sich Martin Bieri 2014 angemeldet. Ende September dieses Jahres fand dann die Premiere statt: Die ersten 20 Imkerinnen und Imker erhielten den vom Bund anerkannten eidgenössischen Fachausweis.
Martin Bieri ist im Kanton Bern einer der fünf ersten Imker mit diesem Fachausweis. Zur Ausbildung wurde nur zugelassen, wer seit mindestens drei Jahren selbst Bienenvölker hält. Vier von fünf Modulen, zum Beispiel «Leben der Bienen und ihr Umfeld», «Bienenhaltung» oder «Bienenprodukte», wurden mit einem Leistungsausweis abgeschlossen. Das fünfte Modul «Bienengesundheit» wurde unter anderem an der mündlichen Schlussprüfung abgefragt. Parallel dazu schrieb Martin Bieri eine 34-seitige Diplomarbeit. Sein Thema: «Wabenhonig produzieren und verarbeiten». Er erzählt begeistert von den lehrreichen Referaten, von den interessanten Begegnungen mit Fachpersonen und von guten Fachgesprächen während des Bildungslehrgangs. «Aber man muss schon ein bisschen ein angefressener Imker sein, wenn man den gesamten Lehrgang bewältigen will», blickt Martin Bieri auf die letzten vier intensiven Jahre zurück. Neben den Kurstagen investierte er rund 70 Tage ins Selbststudium, für das Erarbeiten der Leistungsnachweise und für das Schreiben seiner Diplomarbeit.
Seine Passion
Derzeit hegt und pflegt Martin Bieri 25 Bienenvölker, im Sommer rund 30, alle in Magazinkästen. Er habe als Imker viel Zeit gebraucht, um die höchst komplexe Welt und das faszinierende Wesen der Bienen einigermassen zu verstehen – und um selber Königinnen sinnvoll und artgerecht züchten zu können, erzählt er. «Der Aufwand pro Volk beträgt rund zehn Stunden im Jahr.» Vor allem im Zusammenhang mit der Varroamilbe müsse zu den Völkern Sorge getragen werden. «Während der Saison ist es ein zeitintensives, aber ein sinnvolles Hobby.» Denn für die Ökologie sind Insekten enorm relevant. «Durch unser Konsumverhalten stehen wir alle in der Verantwortung», betont Martin Bieri. Bienen zu halten, ist für ihn viel mehr als ein Hobby – es ist seine Passion.
Man muss «gebödelt» sein
Froh darüber, dass die Bienen an diesem warmen Novembertag fliegen, ist der Imker aber nicht. «Normalerweise befinden sich Bienen in dieser Zeit des Jahres in der Wintertraube, also in der Ruhezeit», erklärt er. «Wenn ich aber nach einem langen Winter die Kästen zum ersten Mal wieder öffne und das Summen höre wie heute, dann macht das mich glücklich.» Martin Bieri hat das Gefühl der Entschleunigung gern. Wer mit Bienen arbeitet, muss ruhig und «gebödelt» sein. «Wer nicht in sich ruht, den stechen die Bienen augenblicklich», weiss er. «Sie spüren genau, wie es mir geht – und ich, wie es ihnen geht.»
Imkern verlangt Grundwissen
Immer wieder neue Erkenntnisse rund um die Imkerei holt sich Martin Bieri im Lehrbienenstand des Vereins «Unteremmentalische Bienenfreunde», dessen Mitglied er ist. Er ist auch Bieneninspektor im Emmental/Oberaargau und weiss: «Imkervereine und -verbände hegen Bedenken gegenüber Personen, die das Hobby zu wenig seriös und ohne Imker-Grundkurs betreiben.» Viele hätten idealistische Vorstellungen. «Die Imkerei braucht viel Zeit und Wissen – das sind wir den Bienen schuldig.»
Köstliches von den Bienen
Wenn Martin Bieri Emmentaler Waldhonig – eine rare Spezialität aus der Region – erfrischenden Sommerhonig sowie flüssigen, zart-cremigen Blütenhonig schleudert und in hübsche Gläser abfüllt, helfen auch die zehnjährige Julianne und der achtjährige Zeno gerne mit. Bei der Familie Bieri gibt es auch Wabenhonig in Schalen oder in kleinen noblen Ahornholz-Rahmen – eine Köstlichkeit und eine Rarität. Wer aber glaubt, die Honigproduktion sei ein ertragreiches Geschäft, irrt. «Es gibt Jahre, da kann man fast gar keinen Honig ernten, denn Bienenjahre verlaufen nie gleich», sagt der Imker. Es ist aber nicht der Ertrag, der Imker glücklich macht. Martin Bieri sagt es so: «Wir imkern aus Liebe zu den Bienen und der Natur. Das Ganze ist so faszinierend und vielschichtig, da hat man nie ausgelernt.»
Gut zu wissen
Für Fragen rund um die Gesundheit der Bienen: Die Hotline des Bienengesundheitsdienstes 0800 274 274 ist von Montag bis Freitag, von 8 bis 16.30 Uhr, betreut und steht allen Imkerinnen und Imkern offen.
Von Elsbeth Anliker