In der Alten Mühle köchelt es weiter
Ab Oktober wird nicht mehr vor Ort gekocht und serviert: Die Haslibrunnen AG zügelt Küche und Gastronomie wieder zurück an die Untersteckholzstrasse – in den Neubau, der in wenigen Wochen betriebsbereit sein wird. Wie Recherchen zeigen, droht der Alten Mühle deswegen aber nicht erneut die Totalschliessung. Haslibrunnen-Geschäftsführer Hansjörg Lüthi kann für die nächsten zwei Jahre eine Anschlusslösung auftischen. Und Stadtpräsident Reto Müller lässt durchblicken, welche Rezeptidee der Gemeinderat für die mittel- bis langfristige Zukunft des historischen Gebäudes hat.
Das Thema Alte Mühle wurde in den letzten Jahren oft und eingehend durchgekaut. Derart intensiv, dass viele Langenthalerinnen und Langenthaler die Hoffnung darauf, aus dem Gebäudekomplex im historischen Wuhrquartier könnte langfristig doch wieder etwas Anständiges werden, bereits mehr oder weniger aufgegeben haben.
Ein Aufflackern in diesem Zusammenhang war indessen die Nachricht von der befristeten Betriebsübernahme durch das Alterszentrum Haslibrunnen. Dadurch wurde das Thema – vorübergehend wenigstens – wieder etwas bekömmlicher. Oder, um es anders zu sagen: Die Tatsache, dass die Haslibrunnen AG in der Alten Mühle sowohl in gastronomischer als auch organisatorischer Hinsicht temporär das Zepter übernahm, sorgte in Langenthal für ruhigere Gemüter, eine klare Abnahme des politischen Drucks sowie eine Verschiebung des Fokus’ auf andere Projekte. Denn: Die Wogen gehen in der Stadt immer dann sehr hoch, wenn in der Alten Mühle kompletter Leerstand herrscht – wie etwa noch vor der Pandemie dagewesen.
Restaurant wird geschlossen
Nun endet im Oktober die von der Haslibrunnen AG bereitgestellte Übergangslösung, die knapp zweieinhalb Jahre angedauert hat. Küche und Gastronomie werden ins neu errichtete Alters-Kompetenzzentrum an der Untersteckholzstrasse gezügelt; das Restaurant in der Alten Mühle wird geschlossen. Ein Umstand, der bei Menschen, die cholerische Neigungen haben, gut und gerne dafür sorgen könnte, dass ihnen gleich wieder die Galle hochkommt. «Schon wieder Leerstand in der Alten Mühle!», hört man gewisse Kritikerinnen und Kritiker bereits rufen …
Diesmal gibt es jedoch wenig Anlass dazu, aufbrausend oder erzürnt zu sein. Die Alte Mühle läuft ab Oktober 2023 nicht einfach ins Leere. Es kann eine solide Anschlusslösung präsentiert werden.
Gratisnutzung ist sichergestellt
Diese sieht so aus, dass die Haslibrunnen AG ab Oktober für zwei Jahre die Betriebsführung in der Alten Mühle sicherstellt. Darunter fällt namentlich die Koordination der Raumnutzungen. Wie in den letzten zweieinhalb Jahren auch, kümmern sich Fachpersonen der Haslibrunnen AG um die kostenpflichtigen Vermietungen von Räumen und Sitzungszimmern an externe Nutzende. Gleiches gilt für die Gratisnutzung der Räumlichkeiten durch Langenthaler Vereine und Institutionen. Auch diese wird weiterhin durch das Haslibrunnen-Team koordiniert. «Das Gratisnutzungsrecht für Vereine mit Sitz in Langenthal in der Alten Mühle ist bekanntlich eine heilige Kuh», sagt Stadtpräsident Reto Müller (SP), der sich sehr erfreut darüber zeigt, dass für das historische Gebäude in der Wuhr eine Anschlusslösung gefunden werden konnte.
Bei dieser handelt es sich um eine vertragliche Übereinkunft zwischen der Stadt und der Haslibrunnen AG. Letztere wird für die Betriebsführung der Alten Mühle finanziell abgegolten. Der Gemeinderat hat keine Kommunikation zum Vertrag beschlossen. Daher gibt er keine Details zu den Zahlen bekannt. Diese werden dann in der Rechnung 2024 ersichtlich sein. Der Gemeinderat ist in dieser Angelegenheit handlungsfähig, weil sich die Alte Mühle sowie die übrigen Teile des Mühle-Ensembles (Silo, Stallungen, Bauernhaus) bekanntlich wieder in städtischem Besitz befinden; die ehemalige Stiftung existiert nicht mehr (der «UE» berichtete).
Keine Öffnungszeiten mehr
Zu den Aufgaben der Haslibrunnen AG in der Alten Mühle gehört nicht nur das Verwalten der Räumlichkeiten, sondern der Betriebsunterhalt generell – dazu gehören auch die Reinigung oder der technische Unterhalt. Klassische Öffnungszeiten wie in den letzten zweieinhalb Jahren können Nutzerinnen und Nutzer jedoch nicht mehr erwarten. «Vor Ort wird es keine betreute Rezeption mehr geben; Personal wird nur dann präsent sein, wenn etwas hergerichtet werden muss oder wenn ein Anlass stattfindet», gibt Haslibrunnen-Geschäftsführer Hansjörg Lüthi zu verstehen. Sein Team werde die Betriebsführung in der Alten Mühle so pragmatisch, so gut und so effizient wie möglich sicherstellen.
Pragmatisch natürlich auch deshalb, weil Betrieb und Unterhalt eines zusätzlichen öffentlichen Gebäudes nicht zu den Hauptaufgaben der Haslibrunnen AG gehören. Deren Kernkompetenzen liegen nach wie vor zu grossen Teilen im Bereich der Altersdienstleistungen.
Es kann jedoch nicht negiert werden, dass ein weiterführendes Wirken der Haslibrunnen AG in der Alten Mühle durchaus sinnvoll ist. Schliesslich verfügt die Altersdienstleisterin ab Oktober im Neubau an der Untersteckholzstrasse über eine nigelnagelneue Küche. Sprich: Sollten Seminargruppen, Vereine oder Institutionen, die in der Alten Mühle tagen oder einen Anlass durchführen möchten, dereinst ein Catering beanspruchen wollen, wird sich die Haslibrunnen AG in diesen Fällen als Dienstleisterin anerbieten. Gekocht und vorbereitet wird sodann oben im Neubau, präsentiert und serviert derweil unten in der Alten Mühle.
Flexible Raumnutzungen
Weitere Synergien dürften dadurch entstehen, dass die Haslibrunnen AG selbst gewisse Raumnutzungsansprüche hat. Zwar wird das Unternehmen im Neubau an der Untersteckholzstrasse über einen grossen Mehrzweckraum verfügen, der künftig auch von externen Nutzenden gemietet werden kann. «Sollten bei uns im Neubau jedoch bereits alle Räume belegt sein, ist es denkbar, dass wir auf die Räumlichkeiten in der Alten Mühle ausweichen werden», erklärt Hansjörg Lüthi die Chancen, die sich eröffnen können.
Ähnlich wie der Stadtpräsident zeigt sich Lüthi sehr erfreut über die Anschlusslösung, gibt jedoch auch deutlich zu verstehen, dass der Fokus der Haslibrunnen AG jetzt ganz klar auf dem Neubau liege. Aus diesem Grund sei es auch kein Thema gewesen, das Restaurant und die Küche der Alten Mühle weiterzuführen – etwas, das der Gemeinderat durchaus als Option gesehen hätte, wie Reto Müller durchblicken lässt. «In der Alten Mühle ein À-la-carte-Restaurant zu betreiben, ist ein hartes Pflaster. Wir sind mit dem Betrieb der letzten zweieinhalb Jahre zwar zufrieden, aber es war schon schwierig für uns, in der Stadt und darüber hinaus als Gastronomiebetrieb akzeptiert zu werden», bilanziert Hansjörg Lüthi. Für ihn und sein Team ist es daher sinnvoller, sich auf das neue Restaurant an der Untersteckholzstrasse zu konzentrieren, das für die Öffentlichkeit zugänglich und dessen Name «Plaisir49» sein wird.
Mühleareal ist weiterhin unternutzt
So solide und sinnstiftend die Anschlusslösung auch sein mag – letztlich täuscht sie darüber hinweg, dass das Areal der Alten Mühle grundsätzlich nach wie vor massiv unternutzt ist. Im Hauptgebäude, wo sich die diversen Sitzungszimmer sowie der grosse Saal befinden, geht der Betrieb zwar weiter. Sinnvoll genutzt werden weiterhin auch die benachbarten Stallungen, wo bekanntlich Jugendarbeit und Kultur schwergewichtig präsent sind. Aber der Silokomplex und das Bauernhaus? In diesen Gebäuden herrscht weiterhin gähnende Leere.
Wie ist es also um die mittel- bis langfristige Zukunft des ganzen Mühleareals bestellt? Stadtpräsident Reto Müller räumt ein, dass die diesbezügliche Arealentwicklung beim Gemeinderat derzeit nicht die höchste Priorität geniesst.
Was auch nicht weiter erstaunlich ist: Vorstösse, die darauf abgezielt hatten, das Areal oder Teile davon in prosperierende Bahnen zu lenken, verliefen im Sande oder wurden – wie zuletzt geschehen – vom Stadtrat gestoppt. Ein Grund dafür war, dass die Stadt derzeit andere wichtige Entwicklungsprojekte hat, die ganz oben auf der To-Do-Liste stehen. Die prominentesten Beispiele hierfür: Entwicklungsschwerpunkt Bahnhof, die Kindergarten-Neubauprojekte sowie diverse zukunftsgerichtete, miteinander verknüpfte Strassensanierungen.
Aktuell ist also weder der politische Druck beziehungsweise der politische Konsens seitens Stadtrat gegeben noch liegen die Entwicklungsprioritäten des Gemeinderats so, als dass die ganzheitliche Arealentwicklung der Alten Mühle vorangetrieben werden könnte. «Solange wir keinen politischen Konsens haben, müssen wir wohl abwarten, bis die Zeit reif dafür ist», zieht Reto Müller für sich selbst ein vorläufiges Fazit. «Vielleicht braucht es noch eine weitere Generation, bis die Zeit wirklich gekommen ist, dass von städtischer Seite weitere grosse Arealentwicklungen wie jene des Mühle- oder des Markthallenareals angestossen werden können», sinniert der Stadtpräsident.
Ein sozialräumliches Cluster?
Was sich ein bisschen wie eine Kapitulation anhört, ist jedoch nicht als solche gedacht: «Der Gemeinderat macht sich nichtsdestotrotz viele Gedanken zur Alten Mühle», versichert Müller. «Die Anschlusslösung mit der Haslibrunnen AG gibt uns zwar etwas Luft, aber wir sehen uns weiterhin in der Pflicht.» Diese Pflicht interpretiert der Gemeinderat derzeit so, dass er auf der Suche ist nach einer mittel- bis langfristigen Lösung für das Hauptgebäude der Alten Mühle. Silo und Bauernhaus werden also bis auf weiteres von den Plänen bewusst ausgeklammert.
Wirklich konkret werden kann Reto Müller zurzeit noch nicht. Dies, weil aktuell Gespräche laufen beziehungsweise anberaumt sind. Er gibt jedoch zu verstehen, dass aus allen ursprünglichen Ideen zur Belebung und Nutzung einzig der sozialräumliche Cluster übrig ist. Der Gemeinderat sei derzeit in losem Austausch mit sozialen Institutionen, die sich vorstellen könnten, die Alte Mühle zu nutzen.
Eine kurze Umfrage zeigt, dass der Gemeinderat in dieser spezifischen Hinsicht weder mit der Haslibrunnen AG noch mit der Heilpädagogischen Schule Oberaargau (hps) im Austausch ist. Letztere käme zwar in Frage, weil sie am aktuellen Standort an der Schorenstrasse bereits wieder mit Platzproblemen zu kämpfen hat. Gesamtleiter Dieter Grenacher sagt jedoch auf Anfrage, die hps sei nicht in den Prozess involviert.
ToKJO ist im Rennen
Heisser wird die Spur dagegen bei der Kinder- und Jugendfachstelle Region Langenthal (ToKJO). Stellenleiter Thomas Bertschinger sagt auf Anfrage: «ToKJO hat als Mieterin des Kulturstalls und Jugendraums Neon im Areal der Alten Mühle sowie auch als Expertin im sozialräumlichen Entwickeln ein natürliches Interesse und nutzbares Wissen am weiteren Fortgang und an den Entwicklungen im Areal der Alten Mühle.» ToKJO sei mit dem Gemeinderat in der Vergangenheit zur Situation bereits mehrfach im Gespräch gewesen und habe auch bei den Retraiten zum Thema aktiv mitgewirkt. «Ideen und Visionen haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten eingebracht. Insofern der Gemeinderat eine Zusammenarbeit und ein Intensivieren von möglichen Nutzungen im sozialräumlichen oder sozialen Sinne prüfen möchte, stehen ihm die Türen der Fachstelle ToKJO weiterhin offen», lässt Bertschinger verlauten. Ein Umzug der Geschäftsstelle ToKJO stehe momentan jedoch nicht zur Debatte, fügt er an.
Absprache mit Stadtrat nötig
Eine allfällige sozialräumliche Clusterbildung in der Alten Mühle ist aktuell noch nicht mit den Fraktionen des Stadtrats abgesprochen. Dieser Kontakt sei noch nicht gesucht worden, weil die Gespräche gerade erst begonnen hätten, erklärt Reto Müller. «Sobald sich jedoch etwas in diese Richtung konkretisiert, ist klar, dass wir das weitere Vorgehen mit den Stadtratsfraktionen und weiteren Involvierten absprechen müssen», versichert er. Eine enge und weitere Standortbestimmung in Sachen Alte Mühle mit dem Parlament sei ohnehin sehr wichtig.
Die Vergangenheit hat mit der Ablehnung von Vorschlägen des Gemeinderats mehrfach gezeigt, dass nur eine gemeinsam erarbeitete Idee für die Zukunft der Alten Mühle tragfähig ist.
Von Patrick Jordi