• Stefan Wälchli, CEO Clientis Bank Oberaargau, bedankt sich bei der Referentin, Prof. Dr. Sita Mazumder. · Bild: Marcel Bieri

08.02.2019
Langenthal

In die Frauen zu investieren lohnt sich

Die Rolle der Frau in der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft stand im Mittelpunkt beim diesjährigen Managementforum der Clientis Bank Oberaargau. Referentin Prof. Dr. Sita Mazumder von der Hochschule Luzern munterte die Anwesenden auf, sich von traditionellen Rollenbildern zu verabschieden und den Mut zu haben, in die Frau zu «investieren», zum Wohle der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft.

Wie steht es mit der Gleichstellung der Frauen in unserem Land, welche Rolle nimmt die Frau in der Schweizer Wirtschaft und im gesellschaftlichen Leben ein? Dieses Thema stand auf der Agenda des diesjährigen Managementforums der Clientis Bank Oberaargau. Ein Thema, das nicht nur brandaktuell ist, sondern auch auf grosses Interesse stösst, wie der Rekordaufmarsch von 222 Personen zeigte.
Darüber freute sich insbesondere Stefan Wälchli, CEO der Regionalbank, der das Thema sogleich aufnahm und anhand seiner Bank veranschaulichte. So erwähnte er, dass im Verwaltungsrat der Clientis Bank Oberaargau immerhin drei von acht Personen Frauen seien, was eine erfreuliche Quote sei. Im Vergleich dazu verwies er auf eine Statistik, nach der in den 119 grössten Schweizer Unternehmen eine Verwaltungsrätin 4,26 Verwaltungsräten gegenübersteht.
Die Geschäftsleitung der Clientis Bank Oberaargau präsentiert sich dagegen als reine Männer-Domäne, besteht doch diese aus vier Männern und keiner Frau. Dafür sei das Kader der Regionalbank mit sieben Frauen und zehn Männern erfreulich gut durchmischt, stellte Wälchli fest und auch bei den Mitarbeitenden weise man mit 29 Frauen und 27 Männern einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil auf, zeigte sich der Clientis-CEO zufrieden.

Durchmischte Teams erzielen bessere Resultate
Noch nicht zufrieden mit der Rolle der Frau in der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft ist dagegen Prof. Dr. Sita Mazumder, Ökonomin und Unternehmerin sowie Dozentin an der Hochschule Luzern. Die 49-jährige Referentin mit Indischen, Französischen und Schweizer Wurzeln, wies gleich zu Beginn darauf hin, dass sich die Schweiz betreffend Gleichstellung noch im Hintertreffen befinde und gemäss dem «Global Gender Gap Report» 2018 des Weltwirtschaftsforums nur Rang 20 belege. Zwar habe man sich in dieser Rangliste im letzten Jahr um einen Rang verbessert, es gebe aber noch Luft nach oben, hielt Mazumder fest.
Die Referentin machte klar, dass es in naher Zukunft darum gehe, Sorge zu unserer gut funktionierenden Wirtschaft zu tragen, damit auch unsere Söhne und Töchter sowie unsere Enkelkinder eine Chance auf ein Leben in Wohlstand hätten. Deshalb plädierte sie, vermehrt in die Frauen zu «investieren». Aus der Forschung sei nämlich bekannt, dass durchmischte Teams in Firmen bessere Resultate erzielen würden. Zwar seien diese Ergebnisse nicht immer auf Anhieb messbar, aber langfristig würden durchmischte Teams für nachhaltigere Lösungen sorgen.
Damit es überhaupt zu mehr Durchmischung in unseren Wirtschafts- und Gewerbe-Teams komme, müsse man sich von fixen Rollenbildern verabschieden, die uns seit Jahrzehnten begleiten und prägen würden. Sie nannte dazu ein klassisches Beispiel: «Nehmen wir doch den Kauf eines Autos. Der Autoverkäufer spricht mit dem Mann über den Motor und die technische Ausstattung und mit der Frau über die Farbe. Wenn ich mich dann jeweils über die Motorhaube beuge und etwas über den Zylinder und die Brennstoffverarbeitung frage, sind die Autoverkäufer irritiert oder sogar perplex.» Ähnliches erlebe sie, wenn sie mit ihrem Mann bei der Hausbank einen Termin habe und eine Anlagestrategie besprechen möchte. «Der Berater erklärt mir vorerst, wie eine Aktie oder Obligationen funktionieren und bei meinem Mann beginnt er das Gespräch gleich bei der Investitionsstrategie.»
Für Mazumder ist klar, dass unsere Rollenbilder ein Hauptgrund dafür sind, dass keine bessere Durchmischung von Teams am Arbeitsplatz stattfindet. So würden Männer bei der Besetzung einer Stelle nach ihrem Potenzial bewertet, eine Frau dagegen nach ihrer bisher erbrachten Leistung. Das liege aber zu einem grossen Teil auch am unterschiedlichen Selbstverständnis der beiden Geschlechter. «Männer sind relativ schnell überzeugt davon, dass sie diesen Job wollen und auch bewältigen können. Bei den Frauen melden sich dagegen Selbstzweifel, sie fragen sich, ob sie den Anforderungen gerecht werden können. Männer machen beim Bewerbungsgespräch klar: «Das packe ich, während die Frauen sagen: Ich möchte diesen Job und bin bereit, dazuzulernen.»

Frauen stehen in der Kritik
Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht die Referentin ebenfalls Handlungsbedarf. Sita Mazumder ist der Meinung, dass eines der reichsten Länder der Welt dieses Thema besser bewirtschaften sollte. Auch hier stünden den Frauen Hindernisse im Weg, die sich in erster Linie in unseren Köpfen befinden würden und sich hier hartnäckig festgesetzt hätten. Sie nennt dies die «Glasglocken-Problematik». «Frauen werden ständig beobachtet, wie wenn sie sich in einer Glasglocke befinden würden», betonte sie. Das sei bei Männern viel weniger der Fall. «Frauen können keine Kinder haben oder die Kinder mit dem Beruf verbinden oder auch nur Kinder haben, ohne berufstätig zu sein. Aber wofür sie sich auch entscheidet, ist die Frau stets Kritik ausgesetzt. Hat sie Kinder und strebt sie gleichzeitig eine Karriere an, wirft man ihr vor, sie würde versuchen, auf Kosten der Kinder, alles unter einen Hut bringen zu wollen. Widmet sie sich nur den Kindern, muss sie sich anhören, dass ihre Berufsbildung und ihr Studium für nichts gewesen seien. Entscheidet sie sich gegen Kinder und für eine Karriere, betrachte man sie als kalte Karrierefrau. Egal, wie sie sich entscheidet, Kritik ist der Frau sicher.»
Habe eine Frau Kinder und wolle sie nach einer Kinderpause wieder in den Beruf einsteigen, so gestalte sich auch das schwierig. «Wir sprechen hier von einem typischen Karriereknick. Sie muss mit Lohn- und Hierarchieeinbussen rechnen, und es ist schwierig für sie, wieder dort anzuknüpfen, wo sie vor der Arbeitspause aufgehört hat.» Doch Sita Mazumder ist überzeugt: «Wir brauchen Frauen, damit wir als Wirtschaft und Gesellschaft in naher Zukunft bestehen können. Deshalb müssen wir künftig bei der Besetzung von Stellen, Ämtern und Positionen noch viel genauer hinschauen.»

Von Walter Ryser