• Eine Priesterin kann Christine Demel in der Katholischen Kirche zwar nicht werden, aber Pfarreiseelsorgerin ist und bleibt sie mit Leib und Seele: «Ich möchte die Leute begleiten und ihnen helfen, ihre Lebensthemen zu finden.» · Bild: Chantal Bigler

17.06.2021
Luzerner Hinterland

In die Traditionen der Kirche reingeboren

Christine Demel, Pfarreiseelsorgerin des Pastoralraums Willisau, ist sich sicher: «Man wird in eine Kirche mit ihren Traditionen und Gefühlen reingeboren.» Die 54-jährige Wiesbadnerin und Bürgerin von Frauenfeld kennt in ihrem Leben nichts anderes und hat auf Dauer gelernt, zu verzichten. So auch auf das Weiheamt, welches in der Katholischen Kirche den Männern vorbehalten ist.

Gettnau · Sie hört zu und nimmt einem ernst: Christine Demel ist seit 2015 die Pfarreiseelsorgerin der Katholischen Kirche Willisau. Anfangs Jahr haben sich die Pfarreien Hergiswil, Gettnau, Geiss, Menznau, Menzberg und Willis­au zu einem gemeinsamen Pastoralraum Willisau zusammengeschlossen. Die Leitung des Pastoralraumes wird von Andreas Wissmiller geführt. Mit ihm leisten unter anderem drei weitere Theologinnen und Theologen Seelsorge. Dazu gehört auch Christine Demel, die Ansprechperson der Pfarrei Gettnau ist und sich den verschiedenen Aufgaben des Pastoralraums Willisau annimmt. Zu ihren Haupttätigkeiten gehören die Seelsorge, die Vorbereitungen der Gottesdienste oder auch Gruppen zu begleiten.

Als Frau ist der Weg weniger flexibel
Das reine Männerteam sei zwar für die Frauenfelderin mit deutscher Herkunft eine Herausforderung, störe sie aber nicht: «Papst Franziskus hat gesagt, dass Frauen Fragen stellen würden, auf welche Männer nie kommen würden. Interessant ist, dass wir Frauen uns am Männerdenken anlehnen können», sagt Demel und vermutet damit, dass Frauen wahrscheinlich oft einfach flexibler seien als die Männer.
Dass die Frauen in der Katholischen Kirche nach wie vor weniger dürfen, kann auch Pfarreiseelsorgerin Christine Demel bestätigen: «Ich habe zwar die gleichen kirchlichen Rechte wie die Männer, aber Weiheämter wie Diakon, Priester und Bischof sind nur ihnen vorbehalten.» Das Frauenrecht gehe seit dem 16. Jahrhundert bergab und es müsse in diversen Bereichen noch viel getan werden, so auch in der Kirche, stellt Demel fest. Dass die 54-Jährige auf das Spenden der Sakramente und die Priesterweihe verzichten müsse, tue ihr weh, aber sie weiss, «dass jede Entscheidung für eine Lebensform auch Verzicht bedeutet. Es geht darum, das zu wählen, was einem glücklich macht», so Demel. Ihre Entscheidung vor sechs Jahren, den Pastoralraum Frauenfeld zu verlassen, bereut sie ebenfalls nicht: «Den Wechsel nach Willisau habe ich gemacht, weil in der Stellenausschreibung viel Liturgie und Diakonie vorkam.» Christine Demel arbeitet zu 100 % für die Pfarreien des Pastoralraums Willisau, 40 % davon in Gettnau. «Ich finde es schön, hier in der Pfarrei zu sein, ein Daheim zu haben und gemeinsam mit den Menschen den Glauben zu leben», antwortet Demel. So käme für die zierliche Frau mit grau meliertem Haar auch keine Gefängnisseelsorge in Frage. Der Gedanke sei zwar reizvoll, aber sie würde das Altersheim oder das Spital dann doch eher dem Gefängnis vorziehen.

Die Kirche erlebte Zurückhaltung
«Die Stimmung während der Pandemie war bei den Kirchenmitgliedern etwas gedrückt, weil sie sich für jeden Gottesdienst anmelden mussten», bemerkt Demel. Mit den jüngsten Lockerungsschritten erhofft sich die Kirche einen Schritt hin zu mehr Normalität: «Organisatorisch hatten wir unter Einhaltung des Schutzkonzeptes natürlich einen extrem hohen Aufwand.» Keine Zurückhaltung spürte Demel hingegen bei ihren Seelsorge-Gesprächen: «Die Leute haben mich nach wie vor auf der Strasse auf ihre Bedürfnisse angesprochen», betont Demel. Gleichzeitig stelle sie aber auch fest, dass die pandemiebedingte Situation sie und auch die Angehörigen forderte, weil Spital- und Altersbesuche ausfielen . «In Situationen, wo mich die Seelsorge persönlich mitnimmt, versuche ich einfach, Mensch zu sein.» Und wenn das nicht funktioniere, «schöpft sie die Kraft von oben». Demel betont, wie wichtig es ihr sei, die Leute auf ihrem Weg zu begleiten und sie zu einem glücklichen Leben zu führen: «Ich kenne meinen Weg und weiss, wie ich meine Antworten für mein Leben suche.» Sie wolle den Menschen mit ihrem Beruf helfen, auch auf die Fragen aus ihrem Leben Antworten zu finden.
Als Christine Demel mit 18 Jahren vor der Berufswahl stand, beriet sie sich mit ihrer Religionslehrerin und einem Priester. Dabei wurde ihr bewusst, dass ihre Liebe zu Zahlen und dem logischen Denken nur eine Spielerei war. Sie entschied sich gegen den Beruf Mathematiklehrerin und für ein theologisches Studium und eines im Sozialwesen.
Privat nimmt sich Christine Demel gerne Zeit für ihren Kater und ihre Katze oder spielt auf der Querflöte.

Von Chantal Bigler