Investitionen bringen einen Motivationsschub
Die Emmentaler Schaukäserei in Affoltern hat in den letzten Jahren stürmische Zeiten durchlebt, finanzielle Engpässe überstanden und sieht nun mit neuem Schwung einer verheissungsvollen Zukunft entgegen. Kurt Nüesch hat als Verwaltungsrat und vor allem auch als Präsident die entscheidenden Phasen in der Geschichte der «Schaukäsi» miterlebt und mitgeprägt. Mehr denn je ist der Verwaltungsratspräsident von der positiven Zukunft überzeugt, erst recht mit dem neuen Erlebnis-Rundgang, der im Winter eröffnet werden soll. Dank diesem nächsten, grossen Schritt erlebt das Umfeld in Affoltern einen spürbar grossen Aufschwung.
Leroy Ryser im Gespräch mit Kurt Nüesch, VR-Präsident der Emmentaler Schaukäserei, Affoltern
Kurt Nüesch, wenn Sie an ihre mehrjährige Tätigkeit für die Emmentaler Schaukäserei denken, glaube ich, dass Sie aktuell besser schlafen können als auch schon. Ist das richtig?
In meiner Amtszeit gab es Zeiten, in denen ich sehr gut geschlafen habe, in anderen Zeiten war es sehr herausfordernd und es gab auch schlaflose Nächte. Momentan sieht es aber sehr gut aus.
Was war entscheidend, dass in Affoltern ruhigere Zeiten eingekehrt sind?
Gestartet hat alles mit dem Entscheid der Sortenorganisation, hier stärker einzusteigen und die Emmentaler Schaukäserei zum Schaufenster für den Emmentaler AOP weiter zu entwickeln. Seither nutzt die Sortenorganisation diese Möglichkeit viel stärker. Die Schaukäserei ist ein wichtiges Element ihres Marketings geworden.
Vor dieser Trendwende gab es für die Schaukäserei harte Zeiten. Wieso musste diese Talsohle durchschritten werden?
Die Schwierigkeiten haben begonnen, als wir die notwendigen Abschreibungen nicht mehr tätigen konnten. Zeitgleich war auch der Emmentaler AOP in einer schwierigen Situation. Die Sortenorganisation musste unter dem Druck austretender Mitglieder die Mengensteuerung aufheben. Dann fiel der Preis des Emmentalers ab Käserei in kürzester Zeit um 2 Franken pro Kilogramm.
Das hat einen Rattenschwanz erzeugt.
Richtig. Für uns wie auch für unsere Milchlieferanten wurde es damit richtig schwierig. Einen grossen Teil der Einbussen haben wir selbst mit tieferen Abschreibungen und der Inkaufnahme von Verlusten getragen. Weil wir den Preisdruck teilweise auch auf die Milchlieferanten abwälzen mussten, wollten einige nicht mehr an die Schaukäserei liefern und stellten ihre Produktion um.
Das hat die Schaukäserei getroffen?
Das waren heftige Zeiten. Die Zukunft der Schaukäserei stand grundsätzlich in Frage, weil wir wirtschaftlich und finanziell in Schieflage geraten sind. An einer Krisensitzung mit den wichtigsten Akteuren wurde auch über einen Plan B diskutiert. Dieser beinhaltete, für das Areal einen Investor zu suchen. Immerhin ist der Standort der Schaukäserei attraktiv und die Gebäude in einem sehr guten Zustand. Entsprechend gab es auch einzelne lose Gespräche mit möglichen Interessenten. Selbstverständlich verfolgten wir in erster Linie den Plan A – dafür brauchte es aber eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Sortenorganisation und neue Finanzmittel.
Wie entstand die Wende?
Es ist ungefähr vier Jahre her, als erste konkrete und positive Gespräche mit der Sortenorganisation stattgefunden haben. Dort wurde signalisiert: Jawohl, wir engagieren uns hier.
Zeitgleich entstanden auch auf strategischer Ebene an Turbulenzen. Sie selbst waren zeitweise VR-Präsident der Emmentaler Schaukäserei und zugleich Direktor der Schweizer Milchproduzenten SMP. War das eine schwierige Situation?
Albert Rösti reichte damals überraschend seinen Rücktritt als Direktor der SMP ein, weshalb ich bis zu meiner Pensionierung übernehmen durfte. Bevor ich mein Mandat von der Schaukäserei an Markus Aebi übergeben konnte, war ich einige Zeit in dieser Doppelfunktion tätig. Das waren spannende Herausforderungen. Neben meiner Arbeit hatte nicht mehr viel Platz.
Zugleich blieben Sie mit der Schaukäserei verbunden und als nach Markus Aebis Rücktritt drei Jahre später der Posten des VR-Präsidenten frei wurde, kehrten Sie in gleicher Funktion zurück. Die Schaukäserei scheint ein bisschen Ihr Kind zu sein ...
Ich habe mit der Milch- und Käsewirtschaft gelebt – mein ganzes berufliches Leben lang. In dieser Zeit ist mir die Käsewirtschaft wichtig geworden und der Emmentaler sowie dessen Schaukäserei gehören natürlich dazu, zumal ich bereits bei der Eröffnung der Schaukäserei dem Verwaltungsrat angehörte. Es hat hier aber mehrere andere Personen gegeben, die sehr viel investiert haben. Es ist deshalb nicht mein Kind. Ich habe aber durch mein jahrelanges Engagement eine spezielle Beziehung zu diesem Ort hier entwickelt.
Ich erlaube mir die Frage dennoch: Waren Sie immer überzeugt, dass Sie Ihr «Kind» retten können?
Von Anfang an. Deshalb habe ich mich auch erneut engagiert. Es machte mir immer sehr viel Freude, vor allem auch die Zusammenarbeit mit Leuten aus der Region, speziell den Mitarbeitenden und den Milchproduzenten. Hier erlebte ich viele spannende Momente. Aber natürlich waren wir uns auch bewusst, dass es eine grosse Herausforderung und kein Selbstläufer sein wird, die Schaukäserei zu erhalten und weiter zu entwickeln.
In welchem Moment wurde Ihnen bewusst, dass es wieder bergauf gehen kann?
Das war etwa ein Jahr vor dem Entscheid der Sortenorganisation. Vorher hat es geharzt, es fühlte sich an, als wäre Sand im Getriebe. Im Jahr 2016 aber hatten wir intensive Gespräche über unsere Zusammenarbeit. Wir bildeten eine neue Projektgruppe und haben ab diesem Moment zielgerichtet auf das Projekt hingearbeitet, welches wir nun realisieren. Zugleich wurden wir in der Öffentlichkeit wieder positiver wahrgenommen. Es entstand eine Energie, die enorm hilfreich war.
Und wie man hört, hat sich auch die Zusammenarbeit mit der Sortenorganisation seither merklich verbessert?
Die Gesellschaften wachsen immer mehr zusammen und nutzen die möglichen Synergien immer besser. Das freut mich sehr. Erfreulich ist dabei, dass die Sortenorganisation nun stark auf die Schaukäserei setzt. Ihre Events finden hier statt, die Logos wurden angepasst und der Auftritt auf Social Media erfolgt mittlerweile gemeinsam. Zugleich engagiert sich die Sortenorganisation bei der Realisierung des Projekts enorm in der Person von Alfred Rufer. Im Weiteren ist ja dann auch vorgesehen, dass sie sich in der Betreibergesellschaft – die noch gegründet wird – mit 60 Prozent des Aktienkapitals beteiligt. All das zeigt, dass die Sortenorganisation immer mehr die Verantwortung für das Führen von diesem Betrieb übernimmt und ihn als Schaufenster für den Emmentaler AOP nutzen will.
Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken: Was waren für Sie Meilensteine, die den nun anhaltenden Aufschwung ermöglicht haben?
Der wichtigste Moment war der Beschluss an der Delegiertenversammlung der Sortenorganisation. Wir wussten, dass dies ein anspruchsvolles Gremium ist. Dort gibt es unterschiedliche Interessensgruppen, weshalb es schwierig ist, den Konsens zu finden. Immerhin wurde dort beschlossen, dass die Sortenorganisation sich mit 1,8 Millionen Franken einbringen will. Für mich war dies die Wegscheide. Danach konnten wir den Plan B ausschliessen.
Wie ging es weiter?
Der nächste Meilenstein war der Beschluss zur Rekapitalisierung mit dem Kapitalschnitt und der Aufstockung des Aktienkapitals in der Schaukäserei.
Aktuell ist es weiterhin möglich, Aktienkapital zu zeichnen. Wie läuft die Rekapitaliserung?
Natürlich sind die ganz grossen Beträge bereits bei der ersten Runde der Rekapitalisierung gezeichnet worden. Wir spüren aber auch jetzt eine grosse Verbundenheit. Und wahrscheinlich hat auch das Zückerli, das wir ausgeben, ein bisschen geholfen. Wer eine Aktie im Nennwert von 200 Franken zeichnet, erhält jährlich eine Vergünstigung von fünf Franken bei einem Einkauf von 20 Franken. Das wurde bereits rege genutzt. Insgesamt ist die Zeichnung von neuem Aktienkapital wie erwartet verlaufen. Die weitere Finanzierung erfolgt mit Darlehen aus der Branche und die Aufstockung der Hypotheken bei der Ersparniskasse Affoltern.
Diese Rekapitalisierung war nötig, um Investitionen in der Schaukäserei zu ermöglichen. Aktuell sind Bauarbeiten für einen neuen Erlebnisrundgang am Laufen. Was passiert derzeit in Affoltern?
Seit einiger Zeit ist das Gebäude der Käserei aus den 50er-Jahren eine Baustelle. Dort werden künftig die Besucher empfangen und auf den Rundgang losgeschickt. Dieser wird unterirdisch verlaufen und ist derzeit am Entstehen. Die baulichen Arbeiten sind dort weitgehend realisiert, aktuell wird an der Inszenierung gearbeitet. Daneben haben wir das sehr grosszügig dimensionierte Treppenhaus im Hauptgebäude abgerissen, um für die Besucher in diesem Bereich mehr Platz zu bieten.
Wann sollen die Umbauarbeiten abgeschlossen sein?
Wir planen im November oder Dezember den Rundgang zu eröffnen und den Besuchern zu übergeben.
Diese Arbeiten verursachen einiges an Lärm. Wie reagieren die Mitarbeiter und die Besucher darauf?
Unseren Mitarbeitenden muss ich ein grosses Kompliment ausstellen. Sie tragen das gut mit. Für jemanden, der den ganzen Tag hier arbeitet, ist das teilweise eine grosse Belastung. Dennoch gibt es wenig Murren oder Jammern. Natürlich haben auch die Besucher diesen Umbau gespürt und verständlicherweise waren einige nicht erfreut über die Situation mit den derzeit herrschenden Einschränkungen und Immissionen. Das kann ich verstehen. Wir wollen aber die Schaukäserei auch während dem Umbau an jedem Tag offen halten.
Was verändert sich vor Ort durch diesen Rundgang?
Künftig wird man zum Ende des Rundgangs einen speziellen Raum für die Degustation von Emmentaler-AOP- Käse in verschiedenen Reifegraden vorfinden. Der Einblick in den Käse-keller wird vom Degustationsbereich her neu gestaltet. Und auch die Umgebung der Schaukäserei wird sich etwas verändern.
Investiert wird aber nicht nur in diesen Rundgang. Daneben soll auch die Produktion erneuert werden, richtig?
Das ist korrekt. Wir planen, im nächsten Jahr unsere in die Jahre gekommenen Produktionseinrichtungen zu ersetzen. Bei dieser Investition stehen zwei wichtige Punkte im Zentrum: Einerseits wollen wir für die Besucher attraktiv sein, andererseits wollen wir rationell produzieren. Das heisst, dass die Qualität weiterhin bei mindestens 19 Punkten bleiben und die Arbeitsabläufe effizienter werden müssen.
Während der Umbauphase wird die Produktion in Affoltern ruhen. Wann ist diese Pause eingeplant?
Die Planungen laufen derzeit noch. Wir nehmen uns hierfür genügend Zeit und diskutieren mit verschiedenen Fachleuten, um die bestmögliche Lösung zu finden. Vorgesehen ist, dass die Produktion als zweite Priorität – nach dem Rundgang – im Laufe des nächsten Jahres erneuert wird.
Gibt es noch eine dritte Priorität?
Ja, wir haben vorgesehen, auch den Gastro-Bereich, das heisst das Restaurant und die Küche zu erneuern. Zudem werden auch die 30-jährigen Heizungs- und Lüftungsanlagen durch effizientere Anlagen ersetzt. Für das Gesamtprojekt hat der Verwaltungsrat beschlossen, maximal 8 Millionen Franken zu investieren. Aktuell sind wir gut unterwegs – zeitlich und auch finanziell.
Worauf darf sich der Besucher ab Ende Jahr besonders freuen?
Der Rundgang wird sehr originell und informativ sein. Alle, die an diesem Projekt mitarbeiten, sind begeistert. Wir sind sehr gespannt, ob auch die Besucher positiv überrascht oder sogar begeistert sein werden.
Können Sie etwas konkreter werden und uns mitteilen, was die Besucher auf diesem Rundgang erwartet?
Der Rundgang hat zwei Dimensionen. Einerseits inszenieren wir die Geschichte des Emmentalers von den ersten Käsereien bis zur heutigen Produktion. In der anderen Dimension wird die Herstellung thematisiert. Sprich: vom Gras bis zum ausgereiften Emmentaler AOP. In insgesamt elf Räumen erlebt der Besucher eine spannende und originell erzählte Geschichte.
Man spürt es nicht zuletzt auch in Ihren Antworten. Dieser Rundgang führt hier in Affoltern zu weiterem Optimismus. Es ist spürbar, dass es endgültig bergauf geht und die negativ-stürmischen Zeiten endgültig vorbei sind.
Absolut, es ist wahrlich ein Aufschwung vorhanden. Wir freuen uns auf einen ausserordentlich spannenden und witzig gemachten Erlebnisrundgang, der Informationen süffig aufbereitet den Besucherinnen und Besuchern vermittelt. Natürlich sind wir alle aktuell mit diesem Projekt sehr gefordert, weil es parallel zum Tagesgeschäft realisiert wird. Aber dieser Aufschwung ist für alle Beteiligten auch sehr motivierend.