• Am Burgerhegetag in Wasen haben Jägerinnen und Jäger des Jagd- und Wildschutzvereins Trachselwald unter fachkundiger Anleitung von Forstarbeitern im Burgerwald Tannen und Lärchen gesetzt. · Bild: Marion Heiniger

  • Seit zehn Jahren ist die Jägerin Claudia Burkhard Hegeobfrau beim Jagd- und Wildschutzverein Trachselwald. · Bild: zvg

  • Auch bei Schnee leisten die Jäger ihre freiwilligen Hegestunden, hier beim Spittelweiher in Sumiswald. · Bild: zvg

27.04.2023
Emmental

Jäger als Heger zum Schutz der Natur

Die Jagd und der Naturschutz sind fest miteinander verbunden. In einer stark beanspruchten Natur kämpft die wild lebende Tierwelt um ihren Platz. Von einem «natürlichen Gleichgewicht» kann schon lange keine Rede mehr sein. Ohne die Jagd würden die Wildbestände überhandnehmen, was in der Folge zu Schäden in der Land- und Forstwirtschaft führt. Für die Jägerinnen und Jäger des Jagd- und Wildschutzvereins Trachselwald ist deshalb neben der eigentlichen Jagd die Hege und Pflege der Natur ein elementarer Aspekt.

Fokus · Es war ein düsterer und regnerischer Samstagmorgen, an dem sich 20 Jägerinnen, Jäger und Forstarbeiter auf dem Viehschauplatz in der Kurzenei in Wasen zum Burgerhegetag trafen. Ihr Ziel war es, an diesem Vormittag im Burgerwald eine Vielzahl von jungen Bäumen zu setzen und vor dem Verbiss von Rehen, Gämsen und Hirschen zu schützen. Eingeteilt wurde in drei Gruppen. Eine der Gruppe hatte 200 Weisstannen und 180 Lärchen im Gepäck. Mit dem erforderlichen Material unter dem Arm machte sich die Gruppe im Burgerwald auf einem kahl geschlagenen Waldstück an die Arbeit. Nach einer kurzen Einführung durch erfahrene Forstarbeiter legten die motivierten Jägerinnen und Jäger in dem steilen, unwegsamen und vom Regen durchweichten Gelände los. Sie gruben Löcher, setzten Bäumchen ein, schlugen Pfähle gleich daneben in die Erde und zogen ein Drahtgeflecht darüber. «Besser wäre es natürlich, wenn die Bäume selbst wachsen könnten und nicht durch uns gesetzt werden müssten, denn sobald man einen Baum setzt, verletzt man den Boden und das ist wiederum für Rehe und Gämsen interessant», erklärt Hegeobfrau Claudia Burkhard.

Beitrag zum Erhalt der Natur
Wer sich im Kanton Bern zur Jägerin oder zum Jäger ausbilden lassen möchte, muss wissen, dass sich seine oder ihre Aufgabe nicht nur auf das Erlegen von Wildtieren beschränkt, sondern dass auch hegerische Tätigkeiten in Feld und Wald dazu gehören. Das Hegen hat bei den Mitgliedern des Jagd- und Wildschutzvereins Trachselwald einen hohen Stellenwert. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Natur und fördern gleichzeitig die Artenvielfalt. Die Jägerinnen und Jäger legen wertvolle Hecken an, tragen den Brachflächen Sorge, bekämpfen Neophyten, pflegen Biotope, verhüten Verkehrsunfälle, schützen im Wald junge Bäume vor dem Verbiss von Reh und Gämse und wenden unzählige Stunden für die Rehkitzrettung auf.
Die Hege im Vereinsgebiet wird durch Hegeobfrau Claudia Burkhard geleitet und ist in zehn Teilgebieten organisiert. Diese Teilgebiete werden wiederum von zwölf Hegechefs geführt. «Ich koordiniere das jährliche Hegeprogramm und trage die Zahlen für die Statistik zusammen. Ansonsten läuft das Hegen durch die erfahrenen Hegechefs selbstständig», fasst die Mutter von zwei schulpflichtigen Mädchen ihre Aufgabe als Hegeobfrau in wenigen Worten zusammen. Die Hege-Arbeit beginnt für die Jägerinnen und Jäger im Frühling und reicht bis weit in den Sommer hinein. Während sich die erfahrenen Weidmänner und -frauen jeweils freiwillig «zum Dienst» melden, ist es für die Jungjägerinnen und -jäger Pflicht. Sie müssen, um für die Jägerprüfung zugelassen zu werden, im ersten Ausbildungsjahr 30 Hegestunden und im zweiten Ausbildungsjahr 50 Hegestunden vorweisen können. «Dabei gibt es aber noch sogenannte Gabelwerte, das heisst, die Hegestunden müssen bei unterschiedlichen Arbeiten geleistet werden. Bei der Wildschadenverhütung, Rehkitzrettung, Biotophege, Hundeausbildung, Unfallverhütung, bei der Notfütterung und der Bestückung der Salzlecken», erklärt Claudia Burkhard. Damit diese Vorgaben erfüllt werden können, sieht auch das Hegeprogramm des Jagd- und Wildschutzvereins Trachselwald eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufgaben vor.

Erhalten, schützen, bekämpfen
Während das Setzen und Schützen von jungen Bäumen unter dem Deckmantel der Wildschadenverhütung steht, nützt die Biotophege dem Erhalt der Artenvielfalt. Hierbei werden Biotope auch aufgewertet oder neu geschaffen. Einer der wichtigsten Biotop-Hegetage ist für die Jägerinnen und Jäger des ehemaligen Amts Trachselwald derjenige beim Spittelweiher (Schlossweiher), ein kleines Naturparadies unterhalb des Schlosses Sumiswald, bei dem es für Naturliebhaber viel zu beobachten gibt.
Das grösste Aufgabengebiet der Hegenden ist jedoch die Rehkitzrettung im späten Frühling und Sommer. Sie soll verhindern, dass die Rehkitze, welche von ihren Müttern meist in hohen Wiesen abgesetzt werden, von Mähmaschinen verletzt oder getötet werden. Hierbei führen unterschiedliche Methoden zum Ziel. Beim sogenannten Verblenden werden am Vorabend vor der Mahd Tücher, Futtersäcke oder Folienstreifen aus Aluminium in der zu mähenden Wiese aufgehängt. Beim Verwittern werden durch mitgeführte Hunde oder durch Verspritzen chemischer Duftstoffe fremde Gerüche in die Wiese eingebracht. Dies soll bewirken, dass die Muttertiere beunruhigt auf die Veränderung reagieren und ihren Nachwuchs in der Nacht aus der Gefahrenzone in sicherere Gebiete bringen. Bei der Rehkitzsuche aus der Luft werden Drohnen eingesetzt, die mit Wärmebildkameras ausgerüstet sind. Mithilfe eines mobilen Bildschirms können so die Retter schnell zum Rehkitz gelangen, um es in Sicherheit zu bringen. Ein Drohneneinsatz ersetzt jedoch das Verblenden und Verwittern nicht, da mit einem Ausfall der Drohne jederzeit gerechnet werden muss.
Eine weitere Aufgabe, welche die Grünröcke sehr ernst nehmen, ist die Bekämpfung invasiver Neophyten, also absichtlich eingeführte oder versehentlich eingeschleppte Pflanzen, die sich stark ausbreiten und die heimische Flora zurückdrängen, wie beispielsweise das Drüsige Springkraut oder der Japanische Knöterich. «Hierbei sind wir meist unterstützend für die Gemeinden unterwegs und leisten auch auf privatem Grund kostenlose Arbeit, ein Znüni nehmen wir aber gerne an», erklärt die 48-jährige leidenschaftliche Jägerin mit einem Augenzwinkern.

Vermeiden von Unfällen
Präventionsarbeit leistet die Jägerschaft bei der Unfallverhütung durch Wildwechsel im Strassenverkehr. Zwar ist der Nutzen auf Dauer der rot oder weiss reflektierenden Blendstreifen am Strassenrand umstritten, doch immer noch werden sie an den Bäumen angebracht. «Auch wenn es für die Rehe nichts oder nur wenig nützt, können die Autofahrer anhand der Blendstreifen erkennen, dass auf diesem Strassenstück ein Wildwechsel stattfinden kann und sie dann hoffentlich vorsichtiger fahren», merkt Claudia Burkhard an. Als Versuchsprojekt hatte der Kanton Bern vor Jahren bei potenziell gefährlichen Strassen blaue Reflektoren, die sogenannten Wildwarner, welche an Strassenleitpfosten angebracht werden, dem Jagd- und Wildschutzverein zur Verfügung gestellt. Wenn das Licht der Autoscheinwerfer auf die blauen, gekrümmten Reflektoren fällt, strahlen diese das blaue Licht in einem breiten Winkel wieder ab. Blaues Licht schätzen viele Wildtiere als gefährlich ein und schrecken davor zurück. Ist das Fahrzeug verschwunden, löst sich auch das blaue Licht wieder auf und das Reh kann die Strasse überqueren. «Wir haben die Wildwarner im Huttwilwald und zwischen Weier und Häusernmoos angebracht und reinigen jährlich deren Oberfläche», erwähnt Claudia Burkhard, die seit elf Jahren ausgebildete Jägerin und seit zehn Jahren Hegeobfrau ist.
Das Ausbringen von Salzlecksteinen ist ebenfalls Aufgabe der Jägerinnen und Jäger. Infolge der anhaltenden Versauerung (Abnahme des pH-Wertes) der Böden sind natürlich vorkommende Mineralien und Spurenelemente für Pflanzen und damit für die Tiere, die diese Pflanzen fressen, kaum mehr zugänglich. Deshalb sind im Winter des Öfteren Rehe am Strassenrand anzutreffen, wo sie das Streusalz auflecken. Um Unfälle zu verhindern, werden Salzlecksteine ausgelegt und die Tiere damit zurück in den Wald gelockt. Im Tätigkeitsgebiet des Jagd- und Wildschutzvereins Trachselwald werden so jährlich rund 500 Kilogramm Salz verbraucht.
«Gesamthaft haben so im letzten Jahr 137 aktive Hegende 3510 freiwillige Hegestunden geleistet», verrät Claudia Burkhard mit Blick auf ihre sorgsam geführte Statistik. Davon fallen 2613 Stunden auf die Rehkitzrettung, 362 Stunden auf Biotopschutz und Biotop­hege, 199,5 Stunden auf die Wildschadenverhütung, 189 Stunden auf die Wild- und Notfütterung (hier werden die Stunden für das Ausbringen von Salzlecksteine sowie das Mähen von Brachland verbucht) und 146,5 Stunden wurden für die Unfallverhütung aufgewendet.

Von Marion Heiniger