• Verleger Daniel Gaberell (rechts) strahlt, weil sich Fotograf Jürg Stauffer sehr positiv über die Neuerungen des Jahrbuches 2022 äussert. · Bild: Hans Mathys

22.11.2022
Oberaargau

«Jahrbuch Oberaargau» in neuem Format

Das seit 1958 erscheinende «Jahrbuch Oberaargau» hat sich ein modernes Kleid verpasst – mit neuem Layout, kürzeren Themen, breiterer Vielfalt und vielen Porträts. Bei der Buch-Taufe kamen die Neuerungen der reich bebilderten Ausgabe 2022 gut an. Mit einem jüngeren Zielpublikum soll der Leserschwund gestoppt werden.

«Menschen, Orte, Geschichten im Berner Mittelland», lautet auf dem Cover des «Jahrbuchs Oberaargau 2022» der Untertitel. An der Buchvernissage in der Alten Mühle sind zusätzliche Stühle nötig, um dem Publikumsandrang gerecht zu werden. Bei der Begrüssung präsentiert Daniel Gaberell, Präsident der Jahrbuchvereinigung sowie Leiter der Redaktion und der Geschäftsstelle, Jahrbücher aus über 60 Jahren in verschiedenen Grössen. Dabei fällt das neue Format der aktuellen Ausgabe 2022 aus dem Rahmen. «Ob dieser wohlbedachte und gut überlegte Schritt der richtige ist?», fragt sich Verleger Daniel Gaberell, der sagt, eine Reaktion auf die kontinuierlich sinkenden Verkaufszahlen sowie auf den Mitglieder- und Abonnentenschwund – Stichwort Überalterung – sei nötig gewesen, ansonsten das Jahrbuch in fünf Jahren keine Existenzberechtigung mehr gehabt hätte. Gaberell: «Die neu strukturierten Inhalte, das erfrischende Erscheinungsbild und die Absicht, durch die sozialen Medien das ganze Jahr über mit unseren Leserinnen und Lesern im Dialog zu stehen, sollen das Jahrbuch in eine gesicherte Zukunft führen. Helfen Sie mit, das Jahrbuch-Schiff in den neuen Gewässern auf Kurs zu bringen. Es hat sich viel geändert – eigentlich fast alles. Das Ganze hat Überwindung, Mut, Arbeitsstunden und Geld erfordert.»

Granit-Koloss und Kummli Thömu
An der Buchvernissage kommt zuerst Patrick Sigrist zu Wort. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der visuellen Designfirma P’Inc. AG in Langenthal, die auf Gestaltungen spezialisiert ist. «Man hat mir viele Freiheiten gelassen», bemerkt er erfreut. Das Jahrbuch mit dem geänderten Format und den neuen Schriftarten sei nachhaltig und bleibe auch künftig modern. Daniel Gaberell stellt die verschiedenen Beiträge des 65. Jahrbuchs mit 13 Kapiteln vor und beginnt dabei mit dem «vor einer halben Stunde» zum Ehrenmitglied der Jahrbuchvereinigung ernannten Vorstandsmitglied Herbert Rentsch. Der ehemalige Zeitungsredaktor berichtet unter dem Titel «Der Granit-Koloss im Industrie-Gebiet» über Findlinge bei der Bystronic in Niederönz, die ursprünglich aus dem Südwallis stammen. Das zweite Kapitel im Jahrbuch 2022 ist Thomas Kummli gewidmet – subtil porträtiert von Beat Hugi. Die Ärzte gaben dem heute 66-Jährigen bei der Geburt im Jahr 1956 aufgrund seiner geistigen und körperlichen Handicaps höchstens 30 Lebensjahre. Heute ist er als treuer Fan des FC Langenthal an jedem Match seiner Lieblinge dabei – früher sogar als Linienrichter. Eine besondere Beziehung hatte Thömu zu Andy Egli, der von 1979 bis 1994 total 77 Spiele mit der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft absolvierte und den FC Langenthal 2009 als «Trainer auf Zeit» für fünf Partien vor dem Abstieg aus der 2. Liga inter rettete. Thömu habe bei den für den FCL so eminent wichtigen Spielen jeweils direkt neben der Trainerbank gestanden, erinnert sich Andy Egli – «und Thömu hat das Spiel laufend gelesen und kommentiert.» An der FCL-Hauptversammlung vom 19. August 2022 ist Thomas Kummli mit viel Applaus
zum Ehrenmitglied ernannt worden – -zusammen mit FCL-Teammanager Heinz Aebi.

Weder, Heiniger und Maria Waser
Gleich drei Autoren – Hans Christian Salzmann, Jürg Liechti und Simon Kuert – ist der Text «Das Mädchen mit dem Schmetterling» zu verdanken. Die Statue stammt vom 1990 verstorbenen Bildhauer, Plastiker, Maler und Zeichnungslehrer Jakob Weder. «Wunderbar gestaltet», kommentiert Daniel Gaberell diese Publikation im Jahrbuch und meint dabei wohl zugleich das Werk des Künstlers «Weder Kobi». Sehr lesenswert sind auch die Kindererinnerungen des am 18. Mai 1947 geborenen, an der Dorfgasse 62 in Schoren/Langenthal aufgewachsenen Fred Heiniger, der 37 Jahre lang Fahrlehrer war und seit 57 Jahren Hobbymusiker in Bands und Soloprojekten ist. Als Juwel erweist sich die Geschichte von Hans Kaspar Schiesser und Hansjörg Fankhauser «Lili, Runggeli und Zopf» über die Kinder- und Jugendzeit von Maria Waser, der «bedeutendsten Schriftstellerin des Oberaargaus.» Unter dem Titel «40 Bäume für eine Orgel» erzählt Christine Sackmann-Schneeberger die Geschichte der drei «Meisterwerke» in der reformierten Kirche Roggwil. Wissenswertes bietet Autor Jürg Rettenmund zur 1956 gegründeten Apparatefabrik Afag in Huttwil, die im Mai 2021 von Huttwil nach Zell in den Kanton Luzern zog, womit eine Tradition im oberen Langetental zu Ende ging. «Industrie-Geschichten sind Jürg Rettenmunds Spezialdisziplin», sagt Buchverleger Daniel Gaberell.

Jürg Stauffer und Pedro Lenz
Für beeindruckende Bilder eines Streifzugs durch den Oberaargau morgens um 5 Uhr sorgt Marcel «Masi» Marti. Ungewöhnliche Bilder sind im Jahrbuch 2022 unter dem Titel «Der Langete entlang» auch von Fotograf Jürg Stauffer zu bestaunen, der die Buch-Taufe mit einigen seiner an Wänden befestigten aussagekräftigen Fotos bereichert. Mit einer Ausnahme sind alles Schwarz-Weiss-Fotos. Daniel Gaberell nutzt die Gelegenheit zu einem Interview mit dem Fotografen und Gestalter. Dieser äussert sich sehr positiv zum neuen Erscheinungsbild des Jahrbuchs: «Tolle Formen, grosse Titel und verschiedene Schriften, die zu den Beiträgen passen.» Daniel Gaberell weist auf einen weiteren Glanzpunkt des neuen Buches hin – auf die Kolumne von Pedro Lenz. Der 1965 in Langenthal geborene Schriftsteller werde fürs Jahrbuch auch künftig eine zum Schmunzeln anregende Kolumne beisteuern. Verleger Daniel Gaberell stellt unter dem Titel «Mir hei e Verein – I ghöre derzue» sieben der insgesamt 882 Oberaargauer Vereine mit Bild und Kurztext vor. Gaberell komplettiert das Oberaargauer Jahrbuch mit einem Dutzend Porträts – in Wort und ganzseitigen Fotos.
Zum Zug kommen dabei Bruno Leuenberger (Lokführer), Christoph Keller (Natur- und Vogelschutz), Christina Thaler (Verwalterin Burgergemeinde Langenthal), Markus, Marianne und Marcel Gilgen (Fischzucht), Hasan -Aksoy (Kebap-Spezialist), Heinz Grogg (seit 63 Jahren Vereinsmitglied -beim FC Bützberg), Nicole Ackermann (Fähr-
betrieb), Christine Burch (Keramikerin), Othmar Gaberthül (Töffli- und Velowerkstatt), Samuel Bärtschi (Jäger), Ueli Flückiger (Maler) und Seraine Aschwanden (Ärztin). Am Ende der Buch-Taufe empfiehlt Daniel Gaberell das lesens- und sehenswerte Buch als ideales Geschenk zu Weihnachten.

Von Hans Mathys