• Remo und Margret Nyfeler produzieren seit über 30 Jahren den Cuboro. Mittlerweile ist ein neuer Hype ausgebrochen. · Bild: Leroy Ryser

07.05.2018
Oberaargau

Japan-Hype made in Gondiswil

Die Nyfeler Holzwaren aus Gondiswil stellen seit über 30 Jahren das beliebte Schweizer Kugelbahnsystem Cuboro her. Nach einer zwischenzeitlichen Baisse wegen der Euro-Krise sind die Auftragsbücher wieder übervoll, weil sich vor allem die Japaner um das Produkt reissen. Das Unternehmen ausbauen ist aber einfacher gesagt als getan. Auch deshalb haben die Firmeninhaber Respekt davor, den Auftrag zu verlieren. Dabei gibt es gute Gründe, wieso sie diesen seit über 30 Jahren ausführen.

 

Gondiswil · Im letzten Jahr wurde die Firma Nyfeler Holzwaren 80 Jahre alt. So richtig bemerkt hat das aber niemand. Aufgrund von erdrückendem Produktionsstress haben Remo und Margret Nyfeler die Feierlichkeiten auf die eigenen vier Wände beschränkt. «Wir haben mit meinen Eltern angestossen. Für mehr hatten wir keine Zeit», sagt Firmeninhaber Remo Nyfeler. In diesem Jahr sollen die Feierlichkeiten nachgeholt werden. Zwar ist nicht etwa weniger Arbeit vorhanden, das Jubiläum liegt den beiden aber dennoch am Herzen. «Unsere Mitarbeiter sind uns sehr wichtig. Ohne sie ginge es nicht. Deshalb planen wir einen Tagesausflug sowie Feierlichkeiten während der Gondiswiler Gewerbeausstellung anfangs Oktober», verrät Margret Nyfeler. Wie genau die aussehen werden sei noch nicht geklärt. Wahrscheinlich wird die ganze Geschichte der langjährigen Spielwarenproduktion aufgearbeitet, spezielle Events dürften auch im eigenen Betrieb anstehen. Vorerst soll die Detail-Planung zu Gunsten der Produktion aber noch ein bisschen nach hinten geschoben werden.

Ein Hype in Asien
Der Grund, für den seit Monaten anhaltenden Produktionsstress, liegt derweil weit entfernt in Japan. Nyfeler Holzwaren produziert nämlich seit über 30 Jahren das Cuboro-Kugelbahnsystem, bei dem Marmeln durch verschiedene Holzklötze hindurch geleitet werden. Diese Bausätze können beliebig angeordnet werden und gelten längst als Traditionsspiel in Schweizer Kinderstuben. Als aber vor kurzem im japanischen Fernsehen die Mutter eines populären Schachweltmeisters das Geheimnis der Intelligenz ihres Sohnes lüftete und auf das Cuboro-Spiel zurückführte, brach ein unvergleichbarer Hype aus. Die Begeisterung an der Genauigkeit der Fertigung ist in Japan gross, die Tatsache, dass das Produkt «Swiss made» ist, trägt wohl einen weiteren Teil dazu bei. Der Cuboro-Grundkasten «Standard», der in der Schweiz 250 Franken kostet, wird in Japan bereits für über 1000 Franken verkauft, weil er schlicht und einfach Mangelware ist.
Das wiederum hat den Erfinder Matthias Etter dazu bewogen, mehr Bausätze bei der Nyfeler Holzwaren zu bestellen. «Geplant ist es, etwa 25 000 Baukästen auszuliefern. Nur schon das wird aber knapp», verrät Remo Nyfeler. Etter selbst hätte am liebsten gegen doppelt so viele Produkte bestellt, weil die Nachfrage derart gross ist. Das ist aber nicht so einfach.

Der Einfluss des Chefs
Zu Beginn produzierte Nyfeler Holzwaren nur wenige Serien pro Jahr für die Firma Cuboro. Aber schon bald konnte die Firma Cuboro das Sortiment erweitern und es gelang Mat-thias Etter das Produkt auf der ganzen Welt bekannt zu machen. Mit der grös-seren Nachfrage ist auch die Schreinerei gewachsen. Weil die Produktion in dieser Zeit ständig hochgehalten werden musste, entstand in gewissen Bereichen fast ein improvisiertes Wachstum. «Die Qualität musste immer stimmen, das ist das Wichtigste. Einen grossen Teil der Maschinen haben wir selbst entwickelt oder speziell anfertigen lassen», erklärt Remo Nyfeler. Gleiches gilt auch für eine neue CNC-Maschine, an der seit bald einem Jahr mit dem Hersteller herumgetüftelt wird, damit alles nach Wunsch und Vorgaben klappen kann.
Für beispielsweise den administrativen Aufbau – Marketing, Büroarbeiten oder die Buchhaltung – blieb oft zu wenig Zeit. Fast schon wie ein Baukasten wurde die Firma Schritt für Schritt ausgebaut und erweitert, so gut es ging und soweit es überhaupt möglich war. Dass bei diesem Ad-Hock-Wachstum einige Bereiche hinterherhinken, führte wenig überraschend auch zu einzelnen Schwierigkeiten. «Ich versuchte im Nachhinein mehr Struktur reinzubringen. Bei solchen Optimierungen sind wir jetzt auf guten Wegen», sagt Margret Nyfeler. Auf das neue Jahr hin wurden so auch zwei neue Stellen geschaffen, um die Produktion bewältigen zu können. Mittlerweile arbeiten 14 Mitarbeiter bei Nyfeler die insgesamt neun Vollzeitstellen bekleiden. Auch künftig soll ein qualitatives Wachstum angestrebt werden. Ganz im Sinne von: Grösser werden ja, aber nicht um jeden Preis.

Herausforderung: Qualität halten
Dabei klingt es eigentlich einfach. Mehr Leute einstellen, mehr Maschinen anschaffen und somit mehr produzieren. Oder etwa nicht? «Die grosse Herausforderung ist es, die Qualität zu halten. Damit die Marmeln richtig rollen, dürfen die Hölzer nicht mehr als fünf Hundertstelmillimeter voneinander abweichen», erklärt Remo Nyfeler und spricht damit von einer unvergleichbaren Präzision. Auch neue Maschinen müssten deshalb haargenau arbeiten und letztlich brauche es trotzdem immer die Kontrolle des Menschen. Damit die Qualität gehalten werden kann, ist Remo Nyfeler überzeugt, dass auch sein persönlicher Einfluss als Qualitätskontrolleur sehr wichtig ist. «Die Nähe zum Produkt und zu den Mitarbeitern ist mir sehr wichtig. Ein zu grosses Wachstum, glaube ich, würde die Qualität sogar gefährden. Dass wir ein kleiner Betrieb sind, ist ein Vorteil.» Wohl auch deshalb konnten die Gondiswiler den Präzisionsanspruch über Jahre halten oder sogar noch verbessern.
Gerade dieses einzigartige Merkmal ist auch der Grund, weshalb Plagiatsversuche – von denen es schon mehrere gab – auf der ganzen Welt scheiterten. «In China wollte zuletzt jemand den ‹Cuboro› nachmachen, gescheitert sind daran aber bisher alle. Viele unterschätzen beispielsweise die Vorarbeit. Das Holz muss exakt getrocknet und verarbeitet werden und das kontrollieren wir immer wieder sehr genau», erklärt Remo Nyfeler. Dabei wird das Holz während einem Jahr draussen luftgetrocknet – ideal bei den Windverhältnissen im hügeligen Gondiswil – danach wird das Holz noch technisch während etwa drei Wochen in der eigenen Trocknungskammer auf die gewünschte Endfeuchte gebracht. «Es geht sehr viel um Know-How. Und das haben wir uns 30 Jahre lang aufgebaut», erklärt Remo Nyfeler. Von heute auf Morgen sei es deshalb praktisch unmöglich, die gleiche Menge zum gleichen Preis und der gleichen Qualität an einem anderen Ort herzustellen.

In dritter Generation
Zweifellos hat das auch mit dem Herzblut der Nyfeler-Generationen zu tun. Vater Hans ist ein Tüftler, der mit einem für die Firma Näef produzierten Kugel-Labyrinth wegen dem Absatz von vier Millionen Stück auf sich aufmerksam machte und damit den Cuboro-Auftrag an Land ziehen und mit-entwickeln konnte. Sohn Remo führt das nun in dritter Generation nahtlos weiter, sodass mittlerweile über 400 Kubikmeter Holz jährlich verarbeitet werden. «Wir haben Respekt davor, dass eine andere Firma uns ersetzen könnte, weil sie vielleicht mehr oder günstiger produzieren kann. Oder dass ein anderes Material aus irgendwelchen Gründen lukrativer wird», verrät Remo Nyfeler. Deshalb lege er weiterhin sehr viel Wert auf Qualität, das sei der hauseigene Trumpf. Und Swiss-Made aus Holz habe eben bis zuletzt einen grossen Wert.
Und diesen Wert schätzen auch die Mitarbeiter. Diese seien stolz, ein Produkt herzustellen, welches in der ganzen Welt beliebt ist. Und logischerweise steckt auch von der Inhaberfamilie selbst sehr viel Einsatz und Freude darin. «Es ist schön, wenn man den Erfolg sieht. Oder auch, wenn eine neue Maschine angeschafft werden kann, weil es gut läuft», erklärt Remo Nyfeler. Gerade die Selbstständigkeit an sich bedeutet ihnen viel, weshalb sie es auch auf sich nehmen, manchmal auf Ferien oder Freizeit zu verzichten. «Wir versuchen uns ein bisschen zurückzunehmen», sagt Margret Nyfeler. Manchmal klappt es besser, manchmal weniger. Einerseits für den Erfolg und andererseits für die nachgeholten Jubiläumsfeierlichkeiten lassen sich Überstunden auch in diesem Jahr eher ertragen. Letztlich aber ist ihnen gelungen, was nur wenige Unternehmen schaffen: Etwas zu produzieren, das weltweiten Erfolg geniesst.

Von Leroy Ryser