• «Ich schätze am ‹Unter Emmentaler›, dass er in der Region verwurzelt ist und das Leben in den Dörfern widerspiegelt», findet Elisabeth Spichiger, die acht Jahre Gemeindepräsidentin von Rohrbach war. · Bild: Thomas Peter

18.11.2021
Oberaargau

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Aufhören

Elisabeth Spichiger gibt Ende Jahr ihr Amt als Gemeindepräsidentin von Rohrbach ab. Mit Leib und Seele und sehr viel Herzblut war sie acht Jahre Gemeindepräsidentin. Keinen einzigen Tag möchte sie missen. Aber genau jetzt ist für sie der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören und das Amt abzugeben.

Rohrbach · Bevor sie Präsidentin wurde, war sie bereits acht Jahre für den Gemeinderat tätig. Sie nahm das Amt als Präsidentin an, weil sie als Vize bereits in viele Geschäfte involviert war und sie die ganze Verantwortung reizte. Auch wusste sie, dass sie jederzeit auf die Verwaltung zählen konnte. Diese sei mit Tat und Rat zur Seite gestanden, und sie habe sich immer darauf verlassen können. «Ich war zudem auch in der privilegierten Lage, dass ich seit Beginn der zweiten Amtsperiode pensioniert bin und ich mir die nötige Zeit, die das Amt in Anspruch nimmt, nehmen konnte», sagt die heute 68-Jährige. Die Chance, hinter die Kulissen zu sehen und etwas zu bewirken, war ihre Motivation. «Und ich habe einfach gerne Menschen, und Rohrbach ist mein Daheim », erklärt sie. Vieles habe sie bewirken können, Kontakte knüpfen, verhandeln und auch einiges wieder kitten.

Erste Frau als Gemeindepräsidentin von Rohrbach
Sie lebt seit 42 Jahren in Rohrbach, war 28 Jahre in der katholischen Kirche als Katechetin und als Sekretärin der Pfarrei tätig, und somit schon immer stark mit dem öffentlichen Gemeinwesen verbunden. Sie war die erste Frau, die in Rohrbach als Gemeindepräsidentin gewählt wurde. Das sei ihr gar nicht bewusst gewesen, war ihr auch nicht wichtig. «Ich hatte immer meinen Platz im Leben, privat wie im Beruf, auch und gerade in der katholischen Kirche. Ich bin bereits in einer liberalen, gleichberechtigten Familie gross geworden», erzählt sie. Obwohl man es nicht immer allen recht machen kann, und sicher sei sie nicht für alle die «top» Präsidentin gewesen, wie sie meint, das sei gar nicht möglich. Stets sei sie jedoch bemüht gewesen, allen möglichst gerecht zu werden und auch einzelnen Personen Gehör zu verschaffen. «Aber es gibt Gesetze und niemand kann einfach machen, was und wie er oder sie will», erklärt sie. In der schwierigen Corona-Zeit hat sie über 100 Telefonanrufe an über 75-Jährige getätigt. «Ich wollte wissen, wie es den älteren Gemeindemitgliedern geht, und ich habe festgestellt, dass das Gemeindeleben, das Familien- und Nachbarschaftsleben gut funktioniert und zueinander geschaut wird», erzählt sie erfreut.

Highlights in der Amtszeit
Ganz klares Highlight war der Bau des Altersheimes «Sunnehof». «Da war ich fast von der ersten Sitzung bis zur Einweihung mit dabei», erzählt sie. Es sei einfach wunderbar und sie freue sich sehr, dass die Gemeinde das mitrealisieren konnte und es nun ein Zuhause für die ältere Generation im Dorf gibt. Sehr eingesetzt habe sich der Gemeinderat auch dafür, dass wieder ein Arzt im Dorf praktiziere, nun sind es sogar zwei Ärztinnen. Das haben sie geschafft und darüber freuen sie sich sehr. Vor rund drei Jahren haben sie auch den «Wochenmärit» mit regionalen Produkten angestossen und ins Leben gerufen.
Eher mühsam sei aber, dass man nur mit grossen Schwierigkeiten Personen für ein Amt in der Gemeinde findet. «Gerade jetzt, für die Gemeinderatswahlen Ende November, habe ich viele, auch viele Frauen, angefragt und bekam etliche Nein. Viele wollen halt nicht in der Öffentlichkeit stehen – das frustriert mich schon», bedauert sie. Aber ansonsten sei es einfach eine intensive, lehrreiche und unvergessliche Zeit gewesen.

«Gebe den Schlüssel ab und dann ...»
Was macht eine Gemeindepräsidentin nach dem Amt? «Nichts», sagt sie und lacht. Sie wisse es nicht, sie habe keine Pläne, schaue einfach, was komme und was jeder einzelne Tag und das Leben ihr bringen werde. Bis jetzt habe sie alle Anfragen für Ämter abgelehnt. Die Agenda sei leer und das sei gut so. «Ich freue mich auf die Zeit danach, und es wird einfach gut sein. Ich habe mein Leben stets im Moment gelebt, und das werde ich auch in Zukunft tun», erklärt sie. Bis zum Ende des Jahres freut sie sich nun aber noch auf jede einzelne Sitzung, jedes einzelne Gespräch und wird es geniessen.

Von Marianne Ruch