Jubeljahr in Krisenzeiten
Bären-Serie (2): 2020 hätte der historisch bedeutende Landgasthof Bären in Sumiswald ein Jubiläum zu feiern. Seit 25 Jahren ist er im Besitz der Familie Hiltbrunner und wird auch von dieser geführt. Das Jahr wird in die Geschichte eingehen – so oder so. Wann im Restaurant wieder Gäste ein- und ausgehen, ist noch unklar. Trotz der gegenwärtigen schwierigen Umstände: «Wir leben in einem privilegierten Land», sagt der Geschäftsführer Stefan Hiltbrunner.
Sumiswald · Die Corona-Massnahmen des Bundesrats haben auch im «Bären» Sumiswald nicht Halt gemacht. Ausser den Interviewteilnehmenden sitzt niemand in der Gaststube, geschweige denn in einem der Säle oder in den Stübli. Dennoch – Tischtücher zieren das Spinnen-Stübli, einfache Frühlingsdekoration zeigt die Bereitschaft, hier wieder Gäste zu empfangen, zu bedienen, zu verwöhnen. «Sie fehlen uns», sagt Stefan Hiltbrunner im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler». «Wir haben viele Stammgäste, die seit Jahrzehnten bei uns einkehren. Ich denke oft, wie es ihnen wohl geht.»
Die «Familie» zusammenhalten
Auch um die 22 Angestellten, die jetzt weitgehend zuhause bleiben müssen, kümmert er sich. «Meine Mitarbeitenden sind mir nicht egal. Zuweilen erkundige ich mich bei ihnen nach dem Befinden.» Dabei helfen ihm fleissig seine Schwester Karin Hiltbrunner und seine Mutter Susy Hiltbrunner, welche die Kontakte täglich mit ein oder mehreren Telefonanrufen aufrechterhält. Trotz Corona gelingt es damit, die «Bären»-Familie zusammenzuhalten. Überhaupt, und das ist Stefan Hiltbrunner beim Interview zum Vornherein am wichtigsten: «Ich will nicht jammern, mag auch kein Gejammer hören. Wir leben in einem privilegierten Land, anderen geht es viel schlechter.»
Seit dem «Lockdown» werden hier Arbeiten erledigt, die entweder zeitlich vorgezogen wurden wie einige kleine Renovationen oder solche, für die vorher niemand recht Zeit fand. Zuweilen halfen – mit den nötigen Sicherheitsmassnahmen – auch einzelne Angestellte mit. Jetzt aber sei man definitiv «à-jour», meint Stefan Hiltbrunner. Das Team sei demnach mehr als bereit für den ersehnten «Lockout».
Einige wenige Hotelgäste bringen ein bisschen Leben in den Betrieb, den Stefan und Karin Hiltbrunner im Moment alleine schmeissen. Nur Frühstück wird angeboten – natürlich kein Buffet. Die Gäste sitzen in gebührendem Abstand beim «Zmorge» und erhalten das Frühstück auf dem Teller serviert. Im ganzen Betrieb gelten strenge Hygieneregeln. Die Hygiene beim Zimmerdienst verursache allerdings kaum mehr Arbeit als normalerweise: «Wir halten es stets sehr streng mit der Reinigung der Zimmer. Aber anstatt beispielsweise die Türfallen mit Seifenwasser abzureiben, werden sie jetzt zusätzlich noch desinfiziert», so Stefan Hiltbrunner. Viel laufe aber auch im Hotel nicht: «Die Geschäftsreisenden fehlen weitgehend, ebenso die Touristen oder die Übernachtungsgäste, welche hier ihre Feste gefeiert hätten.»
Mitarbeitende als wichtigste Akteure
Die Geschwister Hiltbrunner wagen einen zaghaften Blick eher Monate voraus als auf die nächsten weiterhin ungewissen Wochen. Da wäre ja unter anderem das 25-Jahr-Jubiläum der Familie Hiltbrunner im Landgasthof Bären, Sumiswald, zu feiern. Seit 1995 ist der «Bären» in ihrem Besitz. Kleine Kundengeschenke warten – vorläufig. Auch weitere Aktivitäten wären geplant gewesen, so etwa ein Besuch von der Brauerei Egger aus Worb mit dem mehrspännigen Pferdefuhrwerk. Mit der Brauerei Egger werden seit Jahrzehnten Beziehungen gepflegt.
Ebenso steht ein Betriebsausflug auf dem Programm, zu welchem auch alle Angehörigen der Mitarbeitenden und die Pensionierten eingeladen sind. Dieser Ausflug ist nun im Spätsommer/Herbst vorgesehen. «Das wird unsere wichtigste Jubiläums-Aktivität sein», hält Stefan Hiltbrunner fest. «Denn unsere Mitarbeitenden sind oder waren die wichtigsten Akteure in unserem Betrieb.» Kopf hoch und das Beste aus der Situation machen, heisst es im «Bären» Sumiswald: «Durchhalten und sich nicht verrückt machen lassen. Die Krise wird uns noch lange beschäftigen», meint Karin Hiltbrunner. Es ist der Familie Hiltbrunner ein Anliegen, ihren Gästen alles Gute zu wünschen. «Wir freuen uns auf ein Widersehen!»
Corona ist bei weitem nicht die erste solche Krise, die den historischen «Bären» erschüttert. Eine besondere Bedeutung kommt dem Landgasthof durch Gotthelfs Überlieferung der «Schwarzen Spinne» zu (der «Unter-Emmentaler» berichtete).
Der «Schwarze Tod», eine Lungenpest und Pandemie, welche zwischen 1434 bis 1440 die ganze Welt erfasste, wütete auch im Emmental. Dieses von Jeremias Gotthelf in seiner Novelle «Die schwarze Spinne» erwähnte Jahr gilt als älteste Erwähnung des «Bären», der zu jener Zeit eine Taverne war.
Im 16. Jahrhundert suchte eine weitere Seuche die Region heim, bis die «Schwarze Spinne», welche sie verbreitete, eingesperrt und damit unschädlich gemacht werden konnte. Aus dieser Zeit soll der runde Tisch in der Gaststube stammen, um welchen sich die letzten Männer der Gegend, welche die Pest überstanden hatten, versammelten. Sie sollen alle am selben Tisch Platz gefunden haben …
Man geht davon aus, dass der heutige Unterbau auf das Jahr 1764 zurückzuführen ist. 1808 fiel das Gebäude einem der damaligen häufigen Brände zum Opfer. Im selben Jahr noch begann der Neubau. 1929 wurde das «Scheuerhaus» erstellt, die «Dependance». 1898 wurde der Saal im zweiten Obergeschoss eingebaut. Gleichzeitig wurde der «Bären» mit einem steilen, markanten Krüppelwalmdach samt Quergiebel gedeckt. Der Theatermaler Johann Kraus bemalte den Saal im Jugendstil. 1963 wurde die «Dependance» verkauft. 1976 erhielt der Saal eine weitere Renovation. Über 1400 Stunden arbeitete das Restauratoren-Ehepaar Ochsner aus Bern daran, die Malereien wieder in vollen Farben erstrahlen zu lassen.
Gepflegt und laufend renoviert
1988 wurde der «Bären» geschlossen, 1990 dann neu und renoviert eröffnet. Zwei Jahre später nahm der Regierungsrat des Kantons Bern den historischen Landgasthof ins Inventar der geschützten Kulturdenkmäler auf. 1995 übernahm die Wirtefamilie den renommierten Landgasthof und führte diesen weiter bis hin zur heutigen Blüte. Unablässig wurden und werden stilgerechte und zeitgemässe Renovationen und Erweiterungen vorgenommen. In die Geschichte dürfte insbesondere der 2003 eröffnete «Atico»-Saal eingehen.
Von Liselotte Jost-Zürcher