Jung und Alt feiern ihren Kirchenraum
Der Kirchturm verrät es: In Gondiswil befindet sich die Kirche im Mehrzweckgebäude. Und das ist etwas Besonderes. Gebaut wurde der Raum vor 100 Jahren in das damalige Schulhaus. Mit Feierlichkeiten, einer spannenden Kirchenführung und einer Festtagspredigt wurde das 100-Jahr-Jubiläum gebührend gefeiert.
Gondiswil · Die Strahlen der Abendsonne fallen an diesem Jubiläums-Samstag durch die Kirchenfenster in den Kirchenraum. Es ist ein besonderer Ort. Vorne im Chor befindet sich der Taufstein aus dem Jahr 1921, der zugleich Abendmahltisch ist; links die Kanzel mit Pfarrstuhl; besonders schön ist die seitliche Bogenempore. Auch eine elektrische Orgel wurde 1935 in das Lokal eingebaut. Von der Einrichtung her sei es zwar ein sakraler Kirchenraum, wirke aber eher wie eine heimelige Stube, sagt Margret Nyfeler. Sie macht an der Jubiläumsfeier die Kirchenführung und hat die Besucher in den schönen Raum eingeladen. Hinein führt eine unauffällige Tür im Mehrzweckgebäude Gondiswil. Gondiswil gehört zur Kirchgemeinde Melchnau.
Wohl einzigartige Kirche
Die Gondiswilerin Margret Nyfeler amtete zehn Jahre als Sekretärin in der Kirchgemeinde Melchnau und ist Mitglied der Synode der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Sie habe sich schon in ganz jungen Jahren für Geschichte, Kultur und spezielle Gebäude interessiert, erzählt die Mutter zweier Kinder. Als sie vor drei Jahren den Grundkurs für Kirchenführungen der Reformierten Kirche mit dem Titel «Rundgang in Geschichten» besuchte, erarbeitete sie eine Führung durch die eigene Kirchgemeinde aus. Sie habe zuerst an die Kirche Melchnau gedacht, «denn Gondiswil hat ja eigentlich gar keine richtige Kirche», berichtet sie. Im Laufe des Kurses aber wurde ihr bewusst, «wie spannend die Geschichte von Gondiswil ist». Und wie die Gondiswiler vor 100 Jahren überhaupt zu einem Kirchenlokal kamen und weshalb es ihnen so wichtig war, eine eigene Kirche zu haben. Das ist ein Teil der Arbeit von Margret Nyfeler (siehe Text unten).
Die «Kinderwoche» feiert mit
Die Vorbereitungsgruppe hat für das Jubiläumswochenende Feierlichkeiten für Jung und Alt vorbereitet. Auch die Kinder und das Leiterteam der Kinderwoche feiern mit – als Abschluss einer herrlichen Kinderwoche mit tollen Ausflügen, Workshops und Kursen. Für das Jubiläum aber hat das Leiterteam extra ein Programm zum Thema «Chrüz u quer dür Chile u Zyt» auf die Beine gestellt. So herrscht an diesem Samstagnachmittag im Mehrzweckgebäude grosse Geschäftigkeit. Eine Gruppe Kinder lernt also mit einem Suchspiel die Kirche kennen und erfährt, weshalb eigentlich eine Kirche gebaut wird. Andere lassen sich in historischen Kleidern stolz fotografieren. Und jedes Kind malt ein Holzklötzli bunt an. «Als Symbol dafür, dass die Kirche aus vielen verschiedenen Menschen besteht», erklärt Beatrix Nyffenegger vom Leiterteam. Aus den Klötzli wird eine Stele gefertigt – eine bleibende Erinnerung an das 100-Jahr-Jubiläum des Kirchenlokals. Und natürlich dürfen die Kinder ebenso wie die Erwachsenen zum Glockenturm hochsteigen und das Uhrwerk und die zwei Glocken bewundern.
Theater und Festtagsgottesdienst
Am Abend findet eine schlichte 100-Jahr-Feier statt. Die Jubiläums-Besucher lauschen den Worten des Pfarrer-Ehepaars Rosmarie und Kurt Heiniger, die sich Gedanken zur Kirche von gestern und heute machen. Eine kleine Theatergruppe führt liebenswert vor, weshalb Gondiswil ein eigenes Kirchenlokal wollte. Als krönenden Abschluss der Jubiläums-Feierlichkeiten und der Kinderwoche sind am Sonntag alle zu einem Festtagsgottesdienst eingeladen. Die Festpredigt hält Pfarrerin Uta Ungerer. Seit Anfang März ist die Mutter dreier Kinder Pfarrerin in der Kirchgemeinde Melchnau. Sie gehörte zur Vorbereitungsgruppe und ist eine der Initiatorinnen der Feier. Sie sagt es so in ihrer Predigt: «Es berührt mich, dass vor 100 Jahren mutige Frauen und Männer in Gondiswil sich dazu entschieden, es zu wagen, Gott diesen sichtbaren Platz mitten im Dorf zu geben.» Sie spüre, wie wertvoll und wichtig bis heute dieser heimelige Kirchenraum für Jung und Alt im Dorf sei.
Von Elsbeth Anliker