Kein Arbeitstag wie der andere
Anfangs September ist Claudia Rindlisbacher als Regierungsstatthalterin des Verwaltungskreises Emmental in die Fussstapfen von Markus Grossenbacher getreten. Mit den täglichen Aufgaben ist sie seit Jahren vertraut; sie war Grossenbachers Stellvertreterin. Trotzdem muss sich Claudia Rindlisbacher in neuer Verantwortung und mit neuen Ausgangslagen zurechtfinden. Der «Unter-Emmentaler» hat sie nach gut 100 Tagen im Amt besucht.
Liselotte Jost-Zürcher im Gespräch mit Claudia Rindlisbacher, Regierungsstatthalterin des Verwaltungskreises Emmental seit 1. September 2016.
Steuerinventare der Notare überprüfen; ein Gespräch mit einer Tourismus-Beauftragten der Gemeinde Langnau führen; Unterlagen vorbereiten für eine Sitzung der Geschäftsleitung der Regierungsstatthalter in Bern; mit der Praktikantin eine Verfügung besprechen; an einer Medienkonferenz teilnehmen; Mitarbeitergespräche führen; reihenweise Verfügungen usw. unterzeichnen; telefonische Anfragen beantworten ...
In der Agenda von Claudia Rindlisbacher hat es nicht viel «Luft», Termin reiht sich an Termin.
Trotzdem muss sie jeden Augenblick damit rechnen, dass etwas Unvorhergesehenes geschieht und dass sie zu einem Vorfall ausrücken muss. «Das Schöne an meinem Beruf sind die vielen Kontakte mit Menschen; und dass kein Tag wie der andere ist, dass ich morgens nie weiss, was alles kommt», sagt sie im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler».
Claudia Rindlisbacher ist in Trachselwald, am Fuss des Schlosshügels, aufgewachsen. Im Schloss war damals noch die gesamte Verwaltung des einstigen Amtsbezirks Trachselwald eingemietet. Und hier hat die junge Regierungsstatthalterin später ein Praktikum als angehende Juristin absolviert. «Schon damals konnte ich es mir gut vorstellen, einmal in einem Regierungsstatthalteramt tätig zu sein», sagt sie im Gespräch mit dem «UE».
Ein wunderschöner Beruf
Wenn in der Zwischenzeit auch vieles geändert hat – bereits im Studium hat sie damit eine berufliche und persönliche Zielgerade eingeschlagen. Diese führte zwar nicht mehr zurück ins Trachselwalder Schloss, aus welchem die Verwaltung nach der Bezirksreform ausgezogen ist; dafür aber ins Langnauer Amtshaus. Claudia Rindlisbacher ist heute «Herrin» über 40 Emmentaler Gemeinden.
Ihren Entscheid, dieses verantwortungsvolle Amt zu übernehmen, habe sie nie bereut. «Ich habe einen wunderschönen Beruf, der vielseitiger nicht sein könnte.»
Zusammen mit Franziska Steck vom Verwaltungskreis Seeland ist sie die einzige Frau in der mehrheitlichen Männerdomäne der bernischen Regierungsstatthalter. Das sei kein Problem, findet sie. Doch sie gesteht, dass sich ihre Rolle nach dem Amtsantritt als Regierungsstatthalterin auch in dieser Domäne entscheidend geändert habe. Dies zeige sich an den Geschäftsleitungssitzungen deutlich, stellt sie fest. Sie muss sich intensiv vorbereiten, hat an alles zu denken, redet mit: «Ich muss mir meinen Platz in diesem Gefüge suchen.»
Auch im Regierungsstatthalteramt selbst kam viel Neues auf die frischgebackene Regierungsstatthalterin zu. Einerseits war sie nun selbst verantwortlich für die Triage der Aufgaben, «was ist nötig und welche Reihenfolge drängt sich auf». Zudem hatte ihr Amtsantritt im gesamten, an sich sehr stabilen Team eine Rotation zur Folge. Mark Gerber hat ihre Stellvertretung übernommen. Aufgaben wurden neu zugeteilt; eine Angestellte ist neu zum Team gestossen.
«Nachtschicht»
Nach allen diesen Veränderungen war es Claudia Rindlisbacher ein grosses Anliegen, sich ausreichend Zeit für die Mitarbeitergespräche zu nehmen und die neuen Stellenprofile eingehend zu besprechen. Kein Wunder, dass sie zuweilen auch Abend- und Nachtstunden zu Hilfe nehmen muss, um alles zu bewältigen. Denn die Kontakte zu den Gemeinden, Behörden und zum Volk dürften nicht zu kurz kommen, hält sie fest. Ausserdem sei klar: «Über aller Administration stehen die Mitarbeitenden; sie sind das Wichtigste.»
Der «Unter-Emmentaler»: Was hat Sie in den ersten drei Monaten als neue Regierungsstatthalterin zeitlich am meisten beschäftigt?
Claudia Rindlisbacher, Regierungsstatthalterin: Da ich Markus Grossenbacher oft in die Gemeinden begleitet und zu den Behörden und Verwaltungen regen Kontakt gepflegt habe, war eine Vorstellung in diesem Sinn nicht nötig. Dennoch ist es natürlich wichtig für mich, zu erfahren, welche Erwartungen sie an mich haben. Viel Zeit investierte ich dagegen in die ausführlichen Mitarbeitergespräche, in das neue Organigramm und in die Zuständigkeiten. Es gab neue Stellenbeschriebe, und auch die Unterschriftenregelung wurde angepasst.
Sie waren bereits mehrere Jahre als stellvertretende Regierungsstatthalterin tätig. Was hat sich in Ihrer beruflichen Tätigkeit vor allem geändert?
Abgesehen von der Verantwortung und dem «an alles denken» vor allem die Menge an Informationen, die an mich gelangen. Die Triage und die effiziente Bearbeitung sind daher sehr wichtig.
Wie verliefen die Einarbeitung des Mitarbeiterstabs, respektive die «neue» Zusammenarbeit?
(Lacht) Da müssen Sie meine Mitarbeitenden selbst fragen ... Nein, ernsthaft. Von mir aus gesehen lief wirklich alles rund. Ich habe sehr gute, motivierte und erfahrene Leute. Obwohl die Monate über den Wechsel hinweg für niemanden einfach waren. Die Mitarbeitenden mussten sich oft überlegen oder auch abklären, ob noch Markus Grossenbacher zuständig ist, obschon ich es bin, allenfalls beide ... Aber insgesamt, wie gesagt, bilden wir ein tolles Team, und alle haben sich aus meiner Sicht gut in die neue Situation eingefunden.
Wie beurteilen Sie die ersten Kontakte mit den regionalen Gemeindevertretern?
Es gab nach meinem Amtsantritt als Regierungsstatthalterin kaum «erste Kontakte», wir haben uns schon vorher recht gut gekannt. Ich beurteile die Zusammenarbeit als sehr angenehm.
In Ihrem Alltag gibt es zuweilen tragische Vorfälle. Was beschäftigt Sie am meisten, und wie können Sie Belastendes verarbeiten?
Am meisten beschäftigen mich die menschlichen Schicksale, zum Beispiel wenn jemand nach einem Brand nichts mehr hat. Darüber zu sprechen hilft mir bei der Verarbeitung am meisten.
Wie sieht es seit dem Amtsantritt mit Ihrer persönlichen Work-Life-Balance aus, haben Sie überhaupt noch Zeit, um sich Ihren Hobbys zu widmen?
Ganz ehrlich? Diese ist im Moment in ziemlicher Schieflage. Aber wie in jedem neuen Job braucht es etwas Zeit, bis man sich eingelebt hat. Ich bin überzeugt, dass sich meine Work-Life-Balance wieder ausbalancieren wird. Momentan sind vor allem die Wochenenden fix reserviert, um zu reiten. Und auch sonst versuche ich mir Zeit für mich herauszunehmen.
Am 6. Januar werden Sie erstmals das traditionelle Neujahrs-Apéro leiten. Was möchten Sie den Gemeindevertreterinnen und -vertretern mit ins 2017 geben?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich hoffe, es kommt mir noch etwas Motivierendes in den Sinn.
Wie sieht es in den Emmentaler Gemeinden generell mit der Besetzung von Ämtern aus? Allgemein wird es ja immer schwieriger, geeignete und fähige Personen zu finden, die sich für das Gemeinwesen engagieren.
Das sieht in den Emmentaler Gemeinden nicht anders aus. Es wird auch hier immer schwieriger, motivierte und fähige Personen zu finden. Bis jetzt haben es die Gemeinden jedoch immer noch geschafft, alle ihre Ämter mit guten Leuten zu besetzen.
Welche Ziele und Schwerpunkte haben Sie sich für Ihr erstes Amtsjahr gesetzt, nachdem der Anfang nun «überstanden» ist?
Ich habe mir für das erste Amtsjahr keine expliziten Ziele oder Schwerpunkte vorgenommen. Mein persönliches Ziel ist es, mich gut und schnell einzuarbeiten, und mir ist es ein Anliegen, das gut aufgestellte und gut funktionierende Regierungsstatthalteramt Emmental so weiter zu führen. Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahr die eine oder andere Herausforderung auf mich wartet, und ich freue mich darauf.