Kein Interesse an Fussball und Spenden
Der Langenthaler Stadtrat hat kein Interesse an Fussball, weshalb der EM-Match Frankreich – Schweiz nur wenige Sekunden über die Leinwand flimmerte und die Parlamentarier wollen auch nicht wissen, wie die Parteien ihre Wahl- und Abstimmungskämpfe finanzieren, weshalb eine entsprechende Motion als nicht erheblich erklärte. Dafür genehmigte der Stadtrat Geld für die Sanierung des Pfadiheimes sowie für das Musikschul- und Bibliotheksgebäude.
Unglücklicher hätte der Termin für die letzte Sitzung des Langenthaler Stadtrates nicht ausgesucht werden können, stand doch um 21 Uhr der Fussball-EM-Achtelfinal zwischen der Schweiz und Frankreich auf dem Programm. Die reich befrachtete Traktandenliste liess schon zu Beginn erahnen, dass die Sitzung bis zum Anpfiff der EM-Partie kaum beendet sein würde. Stadtratspräsidentin Renate Niklaus (glp) hatte allerdings Verständnis für die Fussball-Fans unter den Stadträtinnen und Stadträten und liess deshalb bei Spielbeginn die Partie ohne Ton über die Grossleinwand hinter dem Stadtratsbüro übertragen. Doch dabei machte sie die Rechnung ohne ihre Vizepräsidentin Béatrice Lüthi (FDP), die dieses Vorgehen harsch kritisierte, worauf nach wenigen Sekunden auf der Leinwand wieder Mattscheibe herrschte.
Genauso wenig Verständnis zeigte das bürgerliche Lager im Stadtrat gegenüber dem Ansinnen der SP-/GL-Fraktion, die mittels einer Motion die Offenlegung der Finanzierung von Parteien sowie deren Wahl- und
Abstimmungsaktivitäten forderte. Motions-Erstunterzeichnerin Saima Sägesser (SP) machte sich für das Anliegen stark und bemängelte diesbezüglich die fehlende Transparenz. Dabei sei dies ein grosses Bedürfnis der stimmberechtigten Bevölkerung, die ein Recht darauf habe, zu wissen, woher die Gelder für die verschiedenen Parteien stammten, argumentierte sie.
Dieses Bedürfnis könne man in Langenthal nicht länger ignorieren. Dabei wies sie darauf hin, dass die SP beim letzten Wahlkampf im Herbst 2020 die Finanzierung ihrer Wahlaktivitäten offengelegt und damit für Transparenz gesorgt habe.
Clavadetscher versenkt Steilpass
Damit lieferte sie FDP-Stadtrat Diego Clavadetscher unverhofft einen Steilpass – wie ihn an diesem Abend auch der Schweizer Fussballer Granit Xhaka in der 90. Minute zum 3:3-Ausgleich auf Mario Gavranovic lieferte, notabene unbemerkt von den Langenthaler Stadtparlamentariern – den Clavadetscher dazu nutzte, das Ansinnen der linken Ratshälfte zu zerpflücken. Er machte Saima Sägesser darauf aufmerksam, dass die SP in ihrem Wahlkampf keineswegs finanzielle Transparenz geschaffen habe, ganz im Gegenteil, habe man doch die Finanzierung nicht komplett offengelegt. Denn wäre dies der Fall, müssten auch sämtliche Freiwilligen- und Fronarbeitsstunden erfasst und mit einem entsprechenden Stundenlohn deklariert werden. Clavadetscher gab zu bedenken, sollte die Motion als erheblich erklärt werden, müssten künftig sämtliche Parteimitglieder ein entsprechendes Formular ausfüllen und akribisch über ihre Einsätze Buch führen.
Clavadetschers Parteikollege Pascal Dietrich hakte hier ein und gab zu verstehen, dass ein solches Vorgehen für eine Stadt wie Langenthal völlig übertrieben sei. Und SVP-Stadtrat Michael Schenk mahnte, nicht immer mehr Reglemente und Verordnungen zu erlassen, «weil unter solchen Bedingungen bald niemand mehr bereit ist, sich auf freiwilliger Basis in einer Partei zu engagieren.» Zwar wurde das Anliegen der SP-/GL-Fraktion anschliessend einstimmig als Motion mit Weisungscharakter deklariert, aber mit 18 Ja-gegen 19 Nein-Stimmen wurde die Motion als nicht erheblich erklärt.
Geld für Pfadiheim
Mehr Einigkeit herrschte unter den Stadträtinnen und Stadträten bei der Vorlage über die Sanierung des Pfadiheimes. Nach bald 30 Jahren stehen beim Pfadiheim umfassende Sanierungsarbeiten an. Der 1985 gegründete Heimverein hat zu diesem Zweck ein Projekt lanciert, das diverse Massnahmen vorsieht. Diese verursachen Kosten in der Höhe von 243 342 Franken. Der Heimverein ist aus eigener Kraft nicht in der Lage, das Projekt zu finanzieren. Er beantragte deshalb beim Gemeinderat ein Darlehen in der Höhe von 215 000 Franken. Die Laufzeit des Darlehens beträgt 25 Jahre. Gleichzeitig wird der Heimverein Pfadi Langenthal dazu verpflichtet, beim Lotteriefonds ein Unterstützungsgesuch einzureichen und den Betrag vollumfänglich zur sofortigen Teilrückzahlung des Darlehens zu verwenden. Gemeinderätin Helen Morgenthaler (Ressort Kultur und Sport) ermunterte den Stadtrat gemäss dem Pfadfinder-Motto «Jeden Tag eine gute Tat» diesem Begehren zuzustimmen. Dies tat das Parlament auch, nicht ohne die Hinweise einzelner Redner, dass beim geplanten Sanierungs-Projekt laut den vorgelegten Budgetzahlen im Bereich Sponsoring und Eigenleistungen noch erhebliches Steigerungspotenzial bestehe.
Ein weiteres Gebäude in Langenthal hat es gemäss Stadtpräsident Reto Müller bitter nötig, saniert zu werden. Die Rede ist vom Musikschul- und Bibliotheksgebäude, das in den Jahren 1939/40 als Gewerbeschulhaus vom Architekten Hector Egger erbaut wurde und ein wichtiges Gebäude beim Schulzentrum Kreuzfeld darstellt.
Vieles an diesem Gebäude stammt laut Müller aus den 1980er-Jahren, sei zum Teil mehr als 40 Jahre alt und mittlerweile komplett veraltet. Das denkmalpflegerisch erhaltenswerte Gebäude beherbergt heute im Erdgeschoss die Regionalbibliothek und in den oberen Geschossen die Oberaargauische Musikschule Langenthal.
Dietrichs Ärger über die Kredithöhe
Mit der geplanten Erneuerung soll das Gebäude auf den heutigen Stand der baulichen Massnahmen gebracht werden. Handlungsbedarf besteht nebst der Neustrukturierung des Raumangebotes insbesondere bei der Gebäudetechnik, den sanitären Anlagen, der Wärmedämmung, dem Brandschutz und in hohem Masse auch bei der gänzlich fehlenden Hindernisfreiheit im Bereich der Gebäudeerschliessung. Zudem soll mit der Erneuerung möglichst der Gebäudestandard Minergie ECO erreicht werden.
Zu guter Letzt benötigt das Gebäude laut Reto Müller auch äusserlich einige Anpassungen. Für die Projektierung des Vorhabens ist ein Kredit in der Höhe von 480 000 Franken vorgesehen. Die Kosten für die Gesamtsanierung sind im Investitionsplan der Gemeinde Langenthal 2021 bis 2025 enthalten und mit 4,5 Millionen Franken veranschlagt. Geplant ist, dass die Sanierung des Gebäudes bis Sommer 2025 abgeschlossen ist.
Obwohl das Geschäft im Rat unbestritten war, gab es kritische Stimmen, beispielsweise von FDP-Stadtrat Pascal Dietrich, der die Notwendigkeit der Sanierung als unbestritten bezeichnete, dem gemäss eigener Aussage aber beim Blick auf die Höhe des Kredites alle Haare zu Berge stehen. «Noch bevor überhaupt der erste Nagel eingeschlagen wird, geben wir eine halbe Million Franken für die Planung dieses Projektes aus. Es ist schlicht unglaublich, welche Beträge wir in Langenthal immer wieder für Planungen ausgeben», kritisierte er und mahnte, endlich auch in diesem Bereich den Gürtel enger zu schnallen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet könne er deshalb diesem Geschäft nicht zustimmen, setzte er ein Zeichen.
Ein wirkungsloses allerdings, stimmte doch der Rat dem Projekt samt Kredit mit 33 Ja-Stimmen, bei zwei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen deutlich zu.
Von Walter Ryser