Kirche eröffnet bürgernahen Treffpunkt
Nach Jahrzehnten der Vermietung soll die Sigrist-Wohnung beim Forum Geissberg in Langenthal nicht mehr als solche genutzt werden. Stattdessen entsteht dort in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum ein bürgernahes Zentrum mit offener Tür für Bedürftige und weitere Interessierte. Die reformierte Kirchgemeinde Langenthal will nach drei Jahren auswerten, ob sich das neue Angebot der Sozialdiakonie gelohnt hat.
Geissberg-Sigrist Hanspeter «Budy» Lehmann ist nach Rütschelen gezogen, weshalb die ans Forum Geissberg angegliederte Wohnung seit einiger Zeit leer steht. An der Versammlung der reformierten Kirchgemeinde Langenthal wurde nun bekannt, dass diese Immobilie, die laut Kirchgemeinderatspräsident Reto Steiner seit Jahrzehnten als Sigrist-Wohnung genutzt wird, nicht mehr als solche zum Einsatz kommen soll.
Die Kirchgemeinde verzichtet also bewusst auf eine Weitervermietung und damit auch auf erhebliche Mieteinnahmen. Dies zugunsten eines neuen Angebots für bedürftige Menschen.
Aktuelles Angebot weist Hürden auf
Ein sozialdiakonisches Angebot – also das Beraten und Begleiten von Menschen in Lebensübergängen und herausfordernden Lebenssituationen – stellt die reformierte Kirchgemeinde freilich bereits heute zur Verfügung. Wie an der Versammlung jedoch klar wurde, scheint das aktuelle Angebot mit einigen Hürden verbunden zu sein. Kurz gesagt: Es ist nicht in allen Belangen sonderlich bürgernah. Ein Problem stellen offensichtlich die Räumlichkeiten dar, in denen die Sozialdiakonie derzeit untergebracht ist. Die beiden Sozialdiakoninnen Iris Bäriswyl und Sabine Woodtli haben ihre Büros aktuell im Verwaltungszentrum der Kirchgemeinde, also im ehemaligen Pfarrhaus neben der Kirche Geissberg. «Ich habe mein Büro im ersten Stock – wenn jemand zu mir kommen möchte, höre ich unter Umständen nicht einmal die Klingelbetätigung im Erdgeschoss», sagte Iris Bäriswyl an der Kirchgemeindeversammlung und wies damit exemplarisch auf die Hürden hin, mit denen die Sozialdiakoninnen derzeit zu kämpfen haben.
Bäriswyl wie auch Präsident Reto Steiner mussten den Entscheid, beim Forum Geissberg ein neues sozialdiakonisches Zentrum einzurichten, mit guten Argumenten verteidigen, denn ein Votum aus der Versammlung machte kritisch darauf aufmerksam, dass das heutige Angebot im ehemaligen Pfarrhaus doch eigentlich ganz zweckmässig sei und es «herausgeworfenes Geld» sei, wenn man künftig auf die Mieteinnahmen der Sigrist-Wohnung verzichte.
Reto Steiner entgegnete, dass am jetzigen Standort kaum Möglichkeiten bestünden für vertrauensvolle Gespräche – eine Grundvoraussetzung für seriöse sozialdiakonische Beratungen. «Diskretion und eine wohlige Atmo-
sphäre sind gefragt», unterstrich er, «es ist nicht zu vergleichen mit einem gewöhnlichen Schalterbesuch auf der Stadtverwaltung.» Durch das neue Angebot könne sich die Kirchgemeinde anders positionieren und näher bei den Menschen sein. Und durch die unmittelbare Nähe zum Stadtzentrum sei die Sigrist-Wohnung bestens geeignet für ein niederschwelliges sozialdiakonisches Angebot.
Tag der offenen Tür am 25. August
Wie dieses künftig aussehen soll, machte Iris Bäriswyl an der Versammlung ebenfalls klar. Geplant ist ein Treffpunkt, wobei der wohnungsartige Charakter des Gebäudes beibehalten werden soll. Die Menschen sollen zusammenfinden können, sei es in der Küche am Tisch, in der Stube oder anderswo im neuen Treffpunkt Geissberg.
Nebst dem Büro der beiden Sozialdiakoninnen werden bedürftige Leute und weitere Interessierte in dem Zentrum auch ein Nähatelier, eine Abgabestelle für Kinderkleider sowie einen Platz mit PC vorfinden, an dem Wohnungs- und Arbeitssuchende in Ruhe arbeiten können. Am 25. August wird der neue Treffpunkt mit einem Tag der offenen Tür eröffnet. Vorerst ist das neue Angebot auf drei Jahre befristet. Nach dieser Zeitspanne will der Kirchgemeinderat eine Auswertung vornehmen.
Ertragsüberschuss anstatt Verlust
Aktuell zählt die reformierte Kirchgemeinde Langenthal 6610 Mitglieder, wovon 5479 stimmberechtigt sind. An der Versammlung in der Kirche Geissberg waren 26 Stimmberechtigte anwesend. Diese hiessen allesamt – mit Ausnahme einer Enthaltung – die Jahresrechnung 2022 gut, die mit einem kleinen Ertragsüberschuss von 4143.99 Franken abschliesst. Budgetiert gewesen war eigentlich ein Verlust von 103 761.95 Franken. Dank der Ausgabendisziplin sowie aufgrund von Mehreinnahmen bei den Steuern von 61 000 Franken habe ein Defizit jedoch abgewendet werden können, erklärte Kirchgemeinderat und Finanzverwalter Daniel Rüegger.
Wie aus der Jahresrechnung hervorgeht, profitierte die Kirchgemeinde vor allem vom Mehrertrag bei den Steuern juristischer Personen. Dieser Mehrertrag betrug im Jahr 2022 ganze 211 400 Franken. Bei den Steuern
natürlicher Personen musste jedoch ein Minderertrag verzeichnet werden und zwar in der Höhe von 150 500 Franken.
Weiter hatte die Versammlung noch zwei Kreditabrechnungen zu genehmigen. Beide Geschäfte wurden einstimmig angenommen. Einerseits ging es um die Renovation des Pfarrhauses am Birkenweg im Hardquartier. Dieser Kredit wurde mit 32 056.90 Franken leicht überschritten, für das Gebäude mit Baujahr 1958 resultierten Sanierungskosten von total 506 056.90 Franken. Den Kredit unterschritten hat man dagegen bei der Unterstützung für die Finanzverwaltung. Für diese musste man zwischenzeitlich externe Hilfe beiziehen. Die Kreditunterschreitung beträgt 1232.45 Franken, dies bei Gesamtkosten von 163 767.55 Franken.
Von Patrick Jordi