• Blick in das Innere der total sanierten Kirche Geissberg in Langenthal, die im Oktober mit mehrtägigen Feierlichkeiten wieder eröffnet wird. · Bilder: Hans Mathys

  • Für einmal war das Interesse an der Kirchgemeindeversammlung gross – sie galt aber in erster Linie dem Rundgang in der renovierten Kirche Geissberg.

22.09.2020
Langenthal

Kirche Geissberg vor der Wiedereröffnung

Vom 19. bis 25. Oktober wird die reformierte Kirchgemeinde Langenthal die seit August 2019 erneuerte Kirche Geissberg mit spannenden Anlässen eröffnen. Im Anschluss an die Kirchgemeindeversammlung genossen die Teilnehmenden erste Einblicke ins Innenleben der Kirche.

«Ich kann mir schlecht vorstellen, dass ihr alle nur wegen der zu genehmigenden Rechnung 2019 gekommen seid», sagte Reto Steiner, Präsident des reformierten Kirchgemeinde Langenthal, bei der Begrüssung der zur Versammlung erschienenen 56 Mitglieder. Bei aktuell 5962 Stimmberechtigten entspricht dies einer Beteiligung von 0,94 Prozent. Tatsächlich interessierten sich viele primär für die Besichtigung der Kirche nach der Versammlung.
Für die musikalische Eröffnung der Versammlung sorgte Rainer Walker, Leiter der Oberaargauer Musikschule Langenthal, mit einer verblüffenden Klavier-Version von Johann Sebastian Bachs «Widerstehe doch der Sünde». Zum Schmunzeln animierten in der Folge die «einleitenden Gedanken» von Pfarrer Cédric Rothacher mit «Fredu» als Hauptakteur, der mit seinem Messer eine Kirchenbank mit einem Herz und dem Namen Evi «verziert» hatte. Im Zuge der Kirchen-Erneuerung ist diese alte Bank – wie alle übrigen ebenfalls – herausgerissen worden.
 
2,6 Millionen Franken Umsatz
Nach dem gelungenen Auftakt der Versammlung stellte Rats-Vizepräsident Daniel Rüegger, zuständig fürs Ressort Finanzen, die von Finanzverwalter Hans Peter Wiedmer geführte Jahresrechnung 2019 vor, die erstmals unter HRM2 erstellt wurde. Dabei hätten, so Rüegger, auch viele Bezeichnungen geändert. Aus der Bestandesrechnung sei eine Bilanz geworden, aus der Laufenden Rechnung eine Erfolgsrechnung, aus dem Voranschlag ein Budget und aus dem Vorbericht eine Berichterstattung. Eine Änderung habe es auch bei den Abschreibungen gegeben. Rüegger nannte als Beispiel die Kirche, die auf 40 Jahre abgeschrieben werde – also jährlich 2,5 Prozent der Gestehungskosten.
Für das Jahr 2019 wurden planmässig 107 300 und zusätzlich 135 400 Franken abgeschrieben, womit sich bei einem Ertrag und einem Aufwand von je 2,6 Millionen Franken eine ausgeglichene Jahresrechnung ergab. Die Steuereinnahmen von 2,25 Millionen Franken sind nahezu identisch mit dem Vorjahr. Auf natürliche Personen entfallen 1,83 Millionen Franken (130 000 Franken mehr als 2018), auf juristische Personen 420 000 Franken (146 000 Franken weniger als 2018). Daniel Rüegger: «Trotz Mitgliederschwund haben sich die Steuern der natürlichen Personen um 7,7 Prozent erhöht. Dagegen ist das Steueraufkommen der juristischen Personen um 25 Prozent zurückgegangen.» Ende 2019 betrug das Eigenkapital 3,3 Millionen Franken. Wegen der Corona-Situation werde das Budgetieren sehr herausfordernd, zumal speziell bei den juristischen Personen Mindereinnahmen zu erwarten seien. Über das Budget 2021 wird am 23. November 2020 die Kirchgemeindeversammlung zu befinden haben.
 
Kombistelle Jugend und Diakonie
Die beiden Kirchgemeinderätinnen Corinne Zurbriggen (Ressort Sozialdiakonie) und Katrin Gfeller (Ressort Kirchliche Unterweisung/Jugend) informierten über die Pläne der reformierten Kirche Langenthal nach der vorzeitigen Pensionierung von Ruth Lanz (Sozialdiakonie) per Mitte 2020. Dieser bisherige 40-Prozent-Job soll auf 80 Prozent aufgestockt werden. Gesucht wird eine «authentische Persönlichkeit» für die Kinder-/Jugendarbeit und Diakonie.
Diese Kombistelle soll ab 1. Februar 2021 (oder nach Vereinbarung) starten. Hauptaufgaben sind die Förderung und Weiterentwicklung von bestehenden Projekten und Angeboten im Bereich Kinder, Jugendliche und Familien. Die Koordination und Leitung von Anlässen, Projektwochen, Ausflügen und Kursen zählt ebenso zum Aufgabenbereich wie die Netzwerkarbeit innerhalb der Kirchgemeinde sowie mit anderen Institutionen und Akteuren.
Weil der Kirchgemeinderat das Kosten-Nutzenverhältnis für das vorliegende Ausführungsprojekt «Hindernisfreier Zugang mit Rampenlösung» (Kostenpunkt rund 400 000 Franken) als zu ungünstig erachtete, beschloss er im Zuge der anstehenden Sanierung der Kirche Geissberg die Sistierung. Der Rat erteilte Richard Bobst als Präsident der Baukommission den Auftrag, eine kostengünstigere Lösung auszuarbeiten. Bobst setzte dazu eine Arbeitsgruppe ein. Dieser gehören (neben ihm) an: Beatrix Grunder (Procap), Urs Hallauer (Verwalter Kirchgemeinde und Mitglied Baukommission), Hans-Peter Lehmann (Sigrist und Mitglied Baukommission), Daniel Rüegger (Kirchgemeinderat und Mitglied Baukommission), Christa Schönberger (Pro Senectute), Markus Zahnd (Architekt) und Corinne Zurbriggen (Kirchgemeinderätin).
Die Einschätzung der Arbeitsgruppe: «Das vorliegende Projekt mit der Rampe ist untauglich. Es hält einer Kosten-Nutzen-Analyse nicht stand und wird nicht als erkennbarer Mehrwert im Sinne der von der Kirche beabsichtigten Willkommenskultur gesehen. Eine Investition in einen weiteren hindernisfreien Zugang zur Kirche – nebst dem Zugang via Krematorium und Parkgelände – mit Einbindung des Forums Geissberg hätte für die Kirchgemeinde einen bedeutend grösseren Nutzen.» Aufgrund einer Besichtigung vor Ort wurden mit einer Liftbaufirma Möglichkeiten zur Erstellung von Liftanlagen geprüft. Dazu liegen jetzt drei Varianten vor: Mini, Midi und Maxi. Die Abklärungen laufen.

Einwöchige Eröffnungsanlässe
«Die Kirche Geissberg soll ein einladender Ort für Inspiration, eine Plattform für Spiritualität sowie Lebens- und Gestaltungsraum für Inszenierungen sein», sagte Kirchgemeinderat Richard Bobst (Ressort Kultus/Veranstaltungen). Die Kirche soll neu erlebt werden. Sie biete einen sakralen Raum, der zum Trauern und zum Nachdenken geeignet sei – «und man darf hier auch alleine sein».
Bobst warf einen Blick auf die Anlässe zur Wiedereröffnung der Kirche Geissberg, die vom 19. bis 25. Oktober 2020 stattfinden. Start ist am Montag, 19. Oktober, 19 Uhr, mit einem humorvollen Kurzreferat von Bernhard Minder zur Geschichte der 1197 erbauten ersten Kirche auf dem Geissberg. Grussworte wird auch Bischof Felix Gmür an die Anwesenden richten. An den ersten fünf Abenden wird der pensionierte Pfarrer Werner Sommer jeweils von 23.40 Uhr bis Mitternacht für ein «Geissberger Schreckmümpfeli» besorgt sein. Am Donnerstagabend, 22. Oktober, steht ein Podium zum Thema «Kirche wohin?» auf dem Programm. Am Freitagabend ist Satiriker Andreas Thiel zu Gast, und am Sonntag findet die eigentliche Einweihungsfeier mit zahlreicher Prominenz statt. Eigens für diesen Gottesdienst komponierte Rainer Walker vier Stücke für Chor und Ensemble.

Viel Lob für die erneuerte Kirche
Nach der Versammlung «pilgerten» alle Interessierten vom Forum Geissberg in die nur wenige Meter entfernte Kirche, in der Baukommissions-Präsident Richard Bobst Spannendes zu den diversen Erneuerungen berichtete. Es sehe so aus, als werde man letztlich eher knapp unter als knapp über dem Baukredit von 3,5 Millionen Franken liegen. Eingebaut habe man eine Pelletheizung. Zum Glück habe man nach dem Gräberfund bald wieder zur Normalität zurückkehren können, weil seitens der Archäologie kein Interesse bestanden habe, hier etwas «rauszunehmen»
Vermutet wird, dass es ehemalige Pfarrer sind, die vor langer Zeit hier begraben worden sind. Bobst schätzt, dass es – wären Grabungen angeordnet worden – bis zur Einweihung der erneuerten Kirche Geissberg eine Verzögerung um ein Jahr gegeben hätte. Eine kleine Küche ist auf der rechten Seite beim Haupteingang installiert worden. Die Kirchenuhr ist wieder in Betrieb. Glockengeläute und Stundenschlag werden von der Eröffnungswoche an erklingen. Die gewonnenen ersten Eindrücke der Besucherinnen und Besucher fielen positiv aus – selbst zu den neuen 4er-Sitzbänken. «Die Kirche erscheint mir aber irgendwie kleiner», meinte eine Seniorin.

Von Hans Mathys