Kirchgemeinde betreibt Integrationsarbeit
Die Reformierte Kirchgemeinde Langenthal leistet einen Beitrag zur Integration von Menschen aus Eritrea. Der Kirchgemeinderat hat sich entschieden, im Bereich der Migrationskirche aktiv zu werden. Während eines Pilotprojekts tritt die Kirchgemeinde bis Ende Januar 2020 als Gastgeberin für christlich orientierte Religionsgemeinschaften aus Migrationskreisen auf.
Den Anstoss, im Bereich Migrationskirche aktiv zu werden, kam laut den Kirchgemeinderäten Corinne Zurbriggen (Ressort Soziales ) und Richard Bobst (Ressort Kultus) von Sozialdiakon Uwe Weinhold. Dieser sei seit einem Benefiz-Anlass für eine Schule in Äthiopien in Kontakt mit eritreisch-orthodoxen Christen gestanden, erzählten die beiden anlässlich einer Medienorientierung.
Die Eritreer seien mit dem Wunsch an ihn herangetreten, Räume der Reformierten Kirchgemeinde Langenthal für Gottesdienste und Kulturunterricht nutzen zu dürfen. Der Kontakt sei später mit dem Besuch eines reformierten Gottesdienstes vertieft worden, erläuterte Zurbriggen. «Anschliessend haben wir diesen Ball aufgenommen und eine Gruppe gebildet, die dieses Thema bearbeitete», gab Corinne Zurbriggen zu verstehen.
Anderer Kulturkreis, andere Gepflogenheiten
Man habe mit der Fachstelle Migration der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn Kontakt aufgenommen, weil diese Anlaufstelle über sehr viel Erfahrung im Bereich der Migrationskirche verfüge, betonten die beiden Kirchgemeinderäte. «Sie haben uns fachmännisch unterstützt und uns wertvolle Tipps gegeben für die Weiterentwicklung dieses Projekts», hielt Zurbriggen fest.
Man sei sich noch vermehrt bewusstgeworden, dass es sich bei den Eritreern um eine Gruppe aus einem anderen Kulturkreis handle, mit anderen Gepflogenheiten.
Gottesdienst als Riesenfest
Deshalb habe man sich entschlossen, vorerst einige gemeinsame Anlässe zu organisieren. Am 16. März haben die Eritreer einen Gottesdienst und einen Unterricht für ihre Kinder organisiert. Dabei sei es beim anschliessenden eritreischen Mittagessen mit einer Kaffeezeremonie zu einem Austausch mit den Kirchgemeindemitgliedern gekommen. Im Verlaufe der Gespräche habe man wertvolle Informationen zum eritreischen Glauben, über die Kultur, zu den heimatlichen Wurzeln dieser Leute und über ihr Leben als Migranten in unserem Land erhalten. Im Juni habe man dann einen weiteren gemeinsamen Gottesdienst, am Flüchtlingssonntag, durchgeführt.
«Doch wir spürten, dass die Eritreer selber etwas gestalten und durchführen wollten», bemerkte Richard Bobst, der feststellen durfte, dass für die Eritreer ein Gottesdienst ein Riesenfest darstellt, bei dem man nach dem Gottesdienst nicht nach Hause geht, sondern gemeinsam weiterfeiert.
Diese Form der Gottesdienstgestaltung hätte jedoch aktuell, nicht zuletzt wegen des Umbaus der Kirche Geissberg, die personellen und infrastrukturellen Möglichkeiten der Reformierten Kirchgemeinde überstiegen, gaben die beiden Kirchgemeinderäte zu verstehen. Deshalb habe man sich entschlossen, ein Pilotprojekt zu lancieren, das sich vorerst nur auf die Durchführung von Gottesdiensten beschränkt. Dazu habe man auch die Kirchgemeinde Spiegel bei Bern besucht, die sich bereits seit 15 Jahren im Bereich der Migrationskirche mit Eritreern engagiert. Hier habe man weitere wertvolle Inputs erhalten.
Pilotprojekt mit sechs Gottesdiensten
Das Pilotprojekt sieht nun sechs Gottesdienste bis Ende Januar vor. Von der Reformierten Kirchgemeinde sei jeweils mindestens eine Person anwesend. Man habe mit den Eritreern eine Vereinbarung getroffen und gewisse Verbindlichkeiten gefordert.
Wichtig ist den beiden Kirchgemeinderäten der Hinweis, dass es bei diesem Projekt nicht bloss um ein «Kostenloses-zur-Verfügung-Stellen» von Räumlichkeiten gehe, sondern vielmehr um einen gemeinsamen Weg mit gegenseitigen Berührungspunkten. Deshalb entrichten die Eritreer für
das Benützen der Räumlichkeiten im Forum Geissberg auch einen symbo-lischen Beitrag von 75 Franken pro Gottesdienst. Man habe genau hingeschaut, was für die Kirchgemeinde verträglich sei, erwähnte Richard Bobst. Auch sei man sich bewusst, dass dieses Projekt zu Diskussionen führen werde, weil andere Organisationen und Vereine für die Benützung der kirchlichen Infrastruktur Beiträge entrichten müssten.
Doch man wolle diesen Weg vorerst einmal beschreiten, «weil es ein Anliegen von uns ist, eine offene Kirche zu haben», sagte Richard Bobst. Im Spätherbst werde man eine erste Bilanz ziehen. Corinne Zurbriggen stellte in Aussicht, dass bei einer allfälligen Fortsetzung des Projekts weitere Räumlichkeiten, beispielsweise das Zwinglihaus (besser geeignet für allfällige Verpflegungen), in die Überlegungen einbezogen würden.
Man sei sich bewusst, dass diese Leute unter einander gut vernetzt seien und Langenthal sehr zentral liege, weshalb es nicht abwegig sei, dass dieses Angebot Signalwirkung haben und weitere Eritreer aus andern Regionen anlocken könnte. «Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir das Projekt eher zurückhaltend gestartet», erwähnte Richard Bobst. Es liege der Kirchgemeinde fern, diese Leute zu missionieren, betonten die beiden Kirchgemeinderäte. «Für uns stellt dieses Projekt ein Akt der Willkommenskultur dar und ist ein Beitrag zur Integration von Menschen aus andern Kulturkreisen», gab Bobst zu verstehen.
Wenn sich diese Leute hier wohlfühlen würden, sei das ein wertvoller Beitrag zur Integration, sind die beiden überzeugt, die darauf hinweisen, dass die Zahl der Kirchgemeinden, die sich auf einen Dialog und ein Miteinander mit Migrationskirchen einlassen, in den letzten Jahren zugenommen hat. Dazu sagt Pia Grossholz-Fahrni, Synodalrätin Departement OeME-Migration: «Die Kirchgemeinden lernen andere Glaubensformen kennen, sie erleben Gottesdienste mit anderen Liedern, anderen Predigten, sie begegnen andern Frömmigkeitsarten, sie lernen andere Bibelarbeiten kennen und merken, dass sich daraus neue Impulse für das spirituelle Leben der eigenen Kirchgemeinde ergeben können.»
Von Walter Ryser