• Susanne und Simon Reist mit ihren Kindern Raffael und Jael betreiben ihren Landwirtschaftsbetrieb Regenerativ. · Bild: Thomas Peter

08.09.2022
Oberaargau

Klimawandel verändert die Landwirtschaft

Simon Reist bewirtschaftet seinen Landwirtschaftsbetrieb biologisch. Biologisch sei eine gute und gesunde Grundlage für den Boden, reiche aber in Zukunft nicht mehr aus. Daher lässt er immer mehr die Regenerative Landwirtschaft einfliessen. Das Ziel hierbei ist, dass Böden, Wasserkreisläufe und die Vegetation besser werden.

Rohrbachgraben · Simon Reist und seine Frau Susanne Reist haben ihren Landwirtschaftsbetrieb 2015 von seinen Eltern übernommen. Nach der Übernahme haben sie den Betrieb, der seit Mitte der 90er- Jahre biologisch bewirtschaftet wird, von Milchwirtschaft auf Mutterkühe umgestellt. «Somit sind wir schon lange ohne herkömmliche Dünge- und Spritzmittel unterwegs», erklärt Simon Reist. Auch die Landwirtschaft sieht sich mit den klimatischen Veränderungen konfrontiert. «Ich bin der Meinung, dass jetzt die Zeit gekommen ist, um neue Wege zumindest auszuprobieren. Da die Böden in Zukunft mit weniger Wasser und extremeren Temperaturen auskommen müssen, ist es entscheidend, dass wir ihnen bestmögliche Voraussetzungen schaffen, um weiterhin fruchtbar zu bleiben», sagt der Landwirt. «Lange zeichnete sich der biologische Landbau durch den Verzicht von chemischen Spritzmitteln aus, was auch die Basis eines gesunden Bodens ist. Aber mit den sich ankündenden klimatischen Veränderungen wird dies aus meiner Sicht nicht mehr reichen.

Regenerative Landwirtschaft
«Auf die Regenerative Landwirtschaft bin ich vor einigen Jahren durch einen Kurs zum Thema Mikroorganismen aufmerksam geworden. Ich sah sofort Möglichkeiten, welche sich auf dem eigenen Betrieb ohne grosse Investitionen umsetzen lassen», erklärt er seinen Start in die neue Bewirtschaftung. Und so startete er bald darauf mit der Herstellung von Effektiven Mikroorganismen (EM) in seinem ehemaligen Milchtank. Diese verhindern Fäulnis und Schimmelbildung und helfen dem Boden, sich wieder nachhaltig zu regenerieren. «Ein schöner Nebeneffekt ist, dass die Gülle kaum noch riecht», lacht der 41-Jährige. Und so kamen immer neue Komponenten dazu wie zum Beispiel die Pflanzenkohle. «Die Kombination von Pflanzenkohle und EM wirkt in den Hofdüngern sehr gut. Die Pflanzenkohle hat wegen der Pyrolyse eine riesige Oberfläche. Durch die Zugabe in den Hofdünger kann sie sich mit Nährstoffen anreichern, welche anschliessend langsam wieder an die Pflanzen abgegeben werden. Zusätzlich wird mit Pflanzenkohle noch CO2 im Boden gebunden», erklärt er weiter.
Die Regenerative Landwirtschaft sei ein sehr umfassendes Gebiet. Der Betrieb von Familie Reist befindet sich erst ganz am Anfang dieses Prozesses. «Die grösste Herausforderung stellt dabei unsere hügelige Landschaft dar, da die meisten bodenschonenden Maschinen für flache Felder entwickelt werden. Also muss auch hier alles Schritt für Schritt erprobt und gegebenenfalls selbst aus- oder umgebaut werden», berichtet er. Das Ziel sei es nicht, neue Geräte anzuschaffen, sondern vorhandene Ressourcen zu nutzen. Manchmal genüge auch ein Schritt zurück. «So mähen wir beispielsweise unsere Felder wieder mit dem Balkenmäher, um den Boden und die Biodiversität zu schonen», sagt er. «Und Kompromisse gehören natürlich auch bei uns dazu.» Veränderungen im Boden würden langsam vorangehen, was eine sehr genaue Beobachtung erfordere. «Am besten sind Veränderungen auf Parzellen zu sehen, welche zum Beispiel durch Verdichtung oder Fehler in der Bewirtschaftung beschädigt sind», erklärt er. Dank einem Arbeitskreis zum Thema Regenerative Landwirtschaft sei er gut mit anderen Landwirten aus der Region vernetzt. Er finde den Austausch sehr wertvoll. «Auf jeden Fall werde ich den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen und schauen, wohin die Reise geht. Ich bin aber sehr zuversichtlich für meinen Betrieb, das Richtige zu tun», sagt er bestimmt.

Dinkel und Speisehafer
Die Landwirtschaftliche Nutzfläche der Familie Reist beträgt rund 20 Hektaren sowie 7 Hektaren Wald. 22 Mutterkühe mit Kälbern, ein Stier, zwei Mastschweine und rund zwölf Hühner sowie ein Hund und mehrere Katzen gehören ebenfalls zum Hof. Als Ackerkulturen bauen sie Dinkel und Speisehafer an. Weiter pflegen sie über 200 Hochstammbäume. Einen Teil ihrer Produkte vermarkten sie direkt ab Hof. «Und ein kleines Agrotourismusangebot, ein Doppelbett im Wald, bringt Abwechslung in unseren Hofalltag», schmunzelt der Landwirt.
Susanne Reist arbeitet neben dem Hof zu rund 60 Prozent als Lehrerin. Simon Reist ist gelernter Landwirt und Zimmermann und erledigt die täglichen Arbeiten auf dem Hof zusammen mit seinem Vater. Ihre beiden Kinder Raffael (7 Jahre) und Jael (4 Jahre) sind wenn möglich überall dabei und helfen tatkräftig mit.

Von Marianne Ruch