• Grosses Interesse am WVO-Morgenanlass und an den Ausführungen der Referenten (von links): Edi Fischer, Lukas Rühli und Daniel Klein. · Bilder: Walter Ryser

20.09.2022
Oberaargau

KMU's vor grosser Energie-Herausforderung

Beim Morgenanlass «Chefsache» des Wirtschaftsverbandes Oberaargau (WVO) drehte sich alles um Energie. In zwei Referaten

wurde den Anwesenden vor Augen geführt, dass die Schweiz noch weit von einer Energie-Autarkie entfernt ist und dass der

Verbrennungsmotor noch länger Bestand haben dürfte als viele vermuten.

Eine stattliche Anzahl Mitglieder fand sich zu früher Stunde im Hotel Bären in Madiswil zum Morgenanlass
«Chefsache» des Wirtschaftsverbandes Oberaargau (WVO) ein. Der neue Präsident Edi Fischer (CEO Bucher Motorex AG, Langenthal) wies bei seinen Begrüssungsworten darauf hin, dass auf die Unternehmen grosse Herausforderungen warten würden. Nach überstandener Corona-Pandemie bleibe den KMU’s keine Zeit zum Durchatmen, denn die steigenden Energiekosten würden viele Firmen vor grosse Probleme stellen. Sowohl Firmen wie auch Private strebten deshalb vehement eine autarke Energieversorgung an.
Damit leitete Fischer über zum ersten Referenten, Lukas Rühli von der Denkfabrik «avenir suisse». Der Forschungsleiter «Smart-Government» versuchte aufzuzeigen, was die Schweiz auf dem Weg zu «Netto-Null» tun sollte und was nicht. Als erstes wartete er mit einer guten Nachricht auf und erwähnte, dass die Feinstaubbelastung in der Luft heute deutlich niedriger sei als vor 100 Jahren. Solche Fortschritte seien dagegen beim Klimawandel nicht ersichtlich. Man dürfe sich die Frage stellen, weshalb es uns in diesem Bereich nicht gelungen sei, den Co2 -Ausstoss zu senken, während wir in anderen Bereichen die Umweltbelastung reduzieren konnten?

Weniger konsumieren ist nutzlos
Die Antwort auf diese Frage sei einfach, entgegnete Rühli den anwesenden WVO-Mitgliedern und gab ihnen zu verstehen, dass der gesamte Wohlstand, den wir uns erarbeitet haben, auf fossilen Energieträgern aufgebaut ist. Viel Zeit bliebe uns aber nicht mehr, um das Ziel von «Netto-Null» zu erreichen. Zwar sei in der Schweiz der Treibhausgas-Ausstoss in den letzten Jahren leicht gesunken, weltweit betrachtet sei dieses Ergebnis jedoch nicht relevant. «Wir betreiben die Massnahmen zum Schutz des Klimas nicht nur aus eigenem Interesse, sondern auch deshalb, weil es moralisch richtig ist und wir einen Beitrag für den Rest der Welt leisten wollen», rief er in Erinnerung, weshalb wir in diesem Bereich mit unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen.
Diesbezüglich räumte er aber auch unmissverständlich mit einem Klischee auf. «Überall hört und liest man, dass wir bescheidener werden müssen und dass wir uns beim Konsum einschränken sollen. Gerade im Bereich von fossilen Energieträgern ist dies jedoch ein Trugschluss, denn, wenn wir die fossilen Energien nicht beanspruchen, wird es jemand anderes tun und so lange werden diese Energieträger unvermindert gefördert.» Bereits heute zeigten Berechnungen, dass bis 2040 kein Rückgang bei der Förderung fossiler Energien zu erwarten sei.

Energieumbau ist viel zu teuer
Für Rühli ist deshalb klar, dass wir künftig innovative erneuerbare Energien benötigen, um aus diesem Dilemma zu kommen. Denn nur wenn weltweit echte Alternativen zur Verfügung stehen würden, könne die Förderung von fossilen Energieträgern gesenkt und deren Attraktivität deutlich reduziert werden. Doch auch auf diesem Weg lauerten beträchtliche Stolpersteine, fügt er gleich hinzu. So erwähnte er, dass eine Elektrifizierung der gesamten Schweizer Energieversorgung den Stromverbrauch deutlich erhöhen würde. Dies wiederum würde Photovoltaik-Anlagen im Umfang von 13 Prozent unserer Siedlungsfläche benötigen. Pumpspeicherkraftwerke als Alternative seien ebenfalls wenig tauglich, weil hier ein Ausbau der Kapazität von rund 220 Prozent erforderlich wäre, was einem Ausbau von mehreren Pumpspeicherstauseen in der Grössenordnung der Grande-Dixence entsprechen würde. Dies sei angesichts der Einwände von vielen Umweltschutzverbänden schon bei deutlich kleineren Bauvorhaben völlig illusorisch, betonte der Referent. Auch beim Wasserstoff gebe es beträchtliche Vorbehalte, denn auch hier seien gigantische Speicherkapazitäten erforderlich. Und die Weiterentwicklung von Synfuels (Synthetische Kraftstoffe) sei in der Schweiz wenig sinnvoll, global gesehen aber machbar.
Ein derartiger Umbau der Energiein-frastruktur innerhalb der Schweiz wäre laut Lukas Rühli erstens enorm teuer und zweitens unglaublich ressourcenintensiv. Deshalb seien internationale Lösungen mit möglichst globalen preislichen Ansätzen nötig, um «Netto-Null» zu erreichen, notabene mit Kosten, die die Bevölkerung auch nur ansatzweise zu tragen bereit sei. Rühli plädiert aber auch dafür, Technologien zur Rückholung von Co2 aus der Atmosphäre voranzutreiben. Und hier könnte die Schweiz durchaus eine führende Rolle spielen, glaubt er, weil wir ein wohlhabendes Land seien und über bestens ausgebildete Arbeitskräfte verfügen würden. «Wo, wenn nicht hier, sollte Forschung an einem solchen Prozess vorangetrieben werden», gab er zu verstehen.

Totgesagte leben länger
Welche Rolle spielt in diesem Kontext künftig der Verbrennungsmotor? Darauf versuchte Daniel Klein, Dipl. Ing. bei der FPT Motorenforschung AG in Arbon, eine Antwort zu liefern. Auch er räumte zu Beginn mit einem Mythos auf und sagte, dass es sinnlos sei, ein Verbot für Verbrennungs-Autos zu erlassen, «weil diese bei der Klimabilanz während ihres Lebenszyklusses nicht schlechter abschneiden als E-Autos.» Doch der Verbrennungsmotor habe aktuell einen schweren Stand. Galt dieser während fast 90 Jahren als der einzige und konkurrenzlose Ermöglicher von individueller Mobilität, so wurde er in den letzten Jahren aufgrund seiner Emissionen zum Auslaufmodell erklärt.
Doch Klein wies darauf hin, dass im Fernverkehr, mit LKW’s, im Offroad-Bereich und bei Baumaschinen nur Verbrennungsmotoren die nötigen Reichweiten und Leistungen liefern würden. «Rein technologisch fehlen in vielen Anwendungsbereichen schlicht Alternativen zum klassischen Verbrenner», erwähnte Daniel Klein. Dennoch ist er überzeugt, dass kein Weg an einer Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors vorbeiführt. «Ein Motor, der mit synthetischem Treibstoff betrieben wird, läuft klimaneutral», blickte Klein in die Zukunft und stellte fest, dass die Fortschritte der elektrischen Antriebe die Entwicklung von Verbrennungsmotoren aus dem «Dornröschenschlaf» geholt hätten. Für Daniel Klein ist deshalb klar, dass der «Opa» Verbrennungsmotor gerade seinen zweiten Frühling erlebt und einer Zukunft entgegenblickt, in der es ihn noch lange geben wird.

Von Walter Ryser