• Die bernischen Gemeinden haben, abhängig von ihrer Grösse, unentgeltliche grundversorgungsleistungen der Kantonspolizei zugute. Überschreiten sie ihr «Kontingent», müssen sie weitere Leistungen kaufen. · Bild: pixelio

04.10.2018
Region

Kontingent überschritten – dann muss die Gemeinde Polizeiinterventionen bezahlen

Die Gemeinde Sumiswald hat die ihr zustehenden unentgeltlichen Grundversorgungsleistungen der Kantonspolizei Bern (Kapo) von fünfzig Interventionen pro Jahr überschritten und muss deshalb die zusätzlichen Leistungen künftig «einkaufen». Dazu

wurde ein Leistungsvertrag zwischen Kapo und Gemeinde abgeschlossen. Mit einem solchen Vertrag steht Sumiswald indessen bei weitem nicht alleine da. 2017 sind im Kanton Bern bei 118 Gemeinden Leistungsverträge mit der Kapo ausgewiesen worden.

Sumiswald · Die folgende Mitteilung in der jüngsten Sumiswalder Dorfzeitung «Di schwarzi Spinnele» hat hellhörig gemacht: «Die Zahl der angeforderten Interventionen bei der Kantonspolizei hat in Sumiswald zugenommen, sodass die der Gemeinde Sumiswald zustehenden unentgeltlichen Grundversorgungsleistungen von fünfzig Interventionen pro Jahr überschritten wurden. Die zusätzlichen Leistungen müssen zukünftig eingekauft werden. Der Gemeinderat hat einen Leistungsvertrag mit der Kantonspolizei abgeschlossen.» 

Doch Gemeindeschreiber Martin Affolter ist erstaunt wegen der Anfrage des «Unter-Emmentaler», ob etwa die Kriminalität zugenommen habe. Ihm sei nichts bekannt. Polizeiinterventionen? Keine Ahnung für was. Sumiswald sei eine so friedliche Gemeinde wie eh und je. 

Anzahl der Interventionen in Stadt und Land steigend
Die Anzahl der sicherheitspolizeilichen Interventionen auf kommunaler Ebene sei über die vergangenen drei Jahre tendenziell gestiegen, schreibt die Medienstelle der Kantonspolizei Bern auf Anfrage des «Unter-Emmentaler». Dies sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten, wobei es in städtischen Gebieten deutlich mehr Interventionen gebe. 

Zur Schwere von Ereignissen wurde allerdings keine allgemeine Aussage gemacht. Dieses Kriterium werde nicht statistisch ausgewiesen, hiess es bei der Medienstelle.

Gemäss Polizeiverordnung des Kantons Bern erbringt die Kantonspolizei Bern für sämtliche Gemeinden des Kantons bis zu einem gewissen Umfang unentgeltliche Leistungen. Diese umfassen einzelne Einsätze, insbesondere solche, bei denen kein Aufschub möglich ist (beispielsweise bei akuter Gefahr) oder weil eine Intervention durch die Gemeinde aus Zeit- oder Kapazitätsgründen nicht möglich ist. 

Das Kontingent unentgeltlicher Leistungen seitens der Kantonspolizei Bern hängt dabei von der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde ab. So haben beispielsweise Gemeinden mit bis zu 1000 Einwohnern jährlich maximal 15 Interventionen, bis 2000 30, bis 3000 45 und Gemeinden mit über 3000 höchstens deren 50 zugute. 


Von Anhaltung bis zu Wasserschaden

Wird der Grenzwert überschritten, informiert die Kantonspolizei die Gemeinde. Interventionsleistungen werden spätestens nach der dritten Überschreitung auf Basis eines Vertrages oder der gesetzlichen Grundlagen verrechnet. Der den Gemeinden zu belastenden Leistungskatalog der Kantonspolizei ist beträchtlich und umfasst über 80 verschiedene Arten von Ereignissen, unter anderem Anhaltung, Baustellen, Belästigung, Demonstrationen, Einweisungen (FU), Gegenstand auf Fahrbahn/Strasse, Hilfeleistungen allgemein, Randalierer, Ruhestörung/Lärm, Suchaktionen, Suizidabsicht, Veranstaltungen, verdächtiges Verhalten, Waldbrand, Wasserschaden ...

Bezüglich der Kosten weist die Medienstelle der Kantonspolizei auf das Polizeigesetz hin. Die Kosten für jene Interventionen, die über das oben erwähnte unentgeltliche Kontingent hinausgehen, müssen – sofern gesetzlich oder vertraglich nicht anders geregelt – durch die jeweilige Gemeinde abgegolten werden. Dies kann im Rahmen eines Leistungs- oder Ressourcenvertrags zwischen Kantonspolizei Bern und Gemeinde geschehen. 

Eine Gemeinde hat aber auch die Möglichkeit, sich die zusätzlichen Interventionen ohne Vertrag oder bei Vertragsverzicht in Rechnung stellen zu lassen. Grundsätzlich gilt: Bezieht eine Gemeinde bei der Kantonspolizei Bern kostenpflichtige Leistungen, setzt sich deren Berechnung aus einem Personal- und einem Sachkos-tenanteil zusammen. Die Verrechnung der Interventionsleistung wird auf Basis eines Zeiterfassungssystems ermittelt. Die genaue Berechnung kann auf der Homepage der Kantonspolizei Bern unter «Leitfaden Gemeinden» ermittelt werden. 


Nicht alle Einsätze tangieren die Gemeindekontingente

Damit liegt auf der Hand – nicht alle sicherheitspolizeilichen Interventionen gewichten gleichstark. Und auch eine friedliche Gemeinde wie eben Sumiswald kann in die Lage kommen, dass sie ihr Kontingent überschritten hat. Dass das Dorf Standort einer Polizeiwache ist habe keinen Einfluss, ist übrigens von der Kapo zu erfahren. Standorte von Polizeiwachen würden hauptsächlich organisatorischen und polizeitaktischen Kriterien unterliegen. Und: Es gibt auch Interventionen, die das Kontingent der Gemeinden nicht tangieren, beispielsweise bei Ereignissen betreffend Fallwild, die als kantonale Aufgabe deklariert und somit von der Verrechnung an die Gemeinden ausgeschlossen sind.

Von Liselotte Jost-Zürcher