• Networking und Schulung zu früher Stunde beim WVO-Morgenanlass ...

  • ...mit zwei Krisenmanagerinnen: Während Béatrice Lüthi (rechts) als Präsidentin den WVO durch die Corona-Krise führt, berät Bettina Zimmermann Unternehmen im Bereich Krisenmanagement.

13.09.2021
Oberaargau

Krisenschulung für die WVO-Mitglieder

Beim Morgenanlass des Wirtschaftsverbandes Oberaargau (WVO) im Restaurant Kreuz in Herzogenbuchsee unterzog Bettina Zimmermann, CEO der GU Sicherheit & Partner AG, die 60 Anwesenden einer Krisenschulung. Sie machte klar: «Krisenmanagement ist Chefsache.»

Oberaargau · Eine erstaunliche Anzahl von 60 Mitgliedern folgte dem «Weckruf» von Béatrice Lüthi, Präsidentin des Wirtschaftsverbandes Oberaargau (WVO). Sie und ihr Vorstands-Team hatten zum Morgenanlass ins Restaurant Kreuz in Herzogenbuchsee eingeladen. Lüthi zeigte sich erfreut, dass wieder physische Treffen möglich sind und viele Mitglieder diese Möglichkeit auch wahrnehmen. «Wir befinden uns aber nach wie vor in schwierigen Zeiten. Bei etlichen Unternehmen fehlt Fachpersonal, bei anderen wird das Material verspätet oder gar nicht geliefert. «Das führt dazu, dass Firmen Kurzarbeit anmelden müssen, obwohl die Auftragsbücher voll sind», bemerkte die WVO-Präsidentin, die sich zudem daran stört, dass die ganze Corona-Diskussion im Land sehr emotionsgeladen verläuft. «Das nimmt zum Teil absurde Formen an», zeigte sie sich schockiert.
Aber wie soll ein Unternehmen reagieren, wenn es in eine Krise gerät? Bettina Zimmermann absolvierte dazu mit den Anwesenden eine morgendliche Krisenschulung. Die Ostschweizerin ist CEO der Firma GU Sicherheit & Partner AG und ist seit zwölf Jahren als Beraterin für Unternehmen in den Bereichen Krisenmanagement, Krisenkommunikation, Risk- und Bedrohungsmanagement tätig. Aufgewachsen ist Bettina Zimmermann in Herzogenbuchsee, weshalb sie beim WVO-Morgenanlass quasi ein Heimspiel absolvierte.

Corona ist keine typische Krise
Die Referentin führte den Anwesenden als erstes vor Augen, mit welchen Risiken ein Unternehmen heute konfrontiert ist. Das Allianz Risk-Barometer weist diesbezüglich für die Schweiz drei hauptsächliche Risiken auf: Eine Betriebsunterbrechung, eine Pandemie und Cyber-Vorfälle. Aber auch eine Strommangellage (Blackout) oder der Ausfall des Mobilfunkes werden als Risiken mit hoher Bedrohung für Unternehmen eingestuft. «Wenn eines dieser Risiken eintrifft, dann befinden wir uns in einer Krise, in einem Zustand akuter Schwierigkeiten», erläuterte die Krisenmanagerin.
Die aktuelle Corona-Krise bezeichnete Bettina Zimmermann aber nicht als typische Krise. Die Pandemie habe viele Unternehmen zweifellos gefordert und Schwierigkeiten verursacht. «Doch auf alle Entscheide des Bundesrates konnte man sich entsprechend vorbereiten und vorgängig das Vorgehen und die zu treffenden Massnahmen besprechen», sagte die Referentin. Eine echte Krise erfasse ein Unternehmen von 0 auf 100, beispielsweise, wenn am Morgen auf dem Bildschirm nichts mehr zu sehen sei als ein weisses Feld, auf dem eine Lösegeldforderung erscheine, mit der Drohung, bei Nichtbezahlen alle Daten zu löschen.

Von der ersten Minute an gefordert
«Viele Unternehmer, mit denen ich spreche, sagen mir jeweils, dass sie nie zahlen würden», erwähnte Bettina Zimmermann. Doch wenn dieser Fall dann tatsächlich eintreffe, würden genau diese Chefs anfangen zu überlegen, würden eine Risikoabwägung vornehmen, was weniger Schaden verursache, ein totaler Betriebsausfall oder eine Zahlung an die Erpresser. Die Erfahrung zeige, dass sich die Realität in einem solchen Fall komplett anders präsentiere als man sich dies im Vorfeld ausgemalt habe, betonte die Referentin. «In einem Krisenfall sind Sie als Chef von der ersten Minute an gefordert, richtige Entscheide und Massnahmen zu treffen. Dabei stehen Sie vor Fragestellungen, wie man sie vom normalen Arbeitsalltag her nicht kennt», erläuterte sie.

Krisenmanagement ist Chefsache
Bettina Zimmermann machte den Zuhörern klar, dass es in einer Krisensituation darum gehe, den Fortbestand der Firma zu sichern. Deshalb rät sie Unternehmen, sich auf mögliche Bedrohungslagen vorzubereiten. Ein wirksames Krisenmanagement bestehe aus einem Krisenstab, der über geeignete Leute verfüge, die man zuvor in einem Crash-Kurs geschult haben sollte, über Räumlichkeiten, wo man tagen kann und einfache, klare Führungsprozesse sowie eine taugliche Krisenkommunikation. Gerade der letzte Punkt sei von grosser Bedeutung in der heutigen Zeit mit Social Media, wo alles in Echtzeit publiziert werde. «Hier geht es um Schnelligkeit und Treffsicherheit der Worte. Es macht deshalb Sinn, wenn die Krisenkommunikation jemand macht, der Übung darin hat.» Entscheidend sei jedoch, dass ein Krisenmanagement Chefsache sei. «Deshalb gehört in einen Krisenstab nur ein Chef und nicht zwei, die sich widersprechen, sondern einer, der entscheiden kann», bemerkte Bettina Zimmermann. Und letztendlich benötige man zur Bewältigung einer Krise auch immer Glück, fügte die Referentin hinzu, die den Unternehmern empfahl, keine Bundesordner mit Konzepten für den Notfall zu füllen, sondern lediglich eine praxistaugliche Checkliste anzufertigen.
Ihr Referat schloss Bettina Zimmermann mit ein paar hoffnungsvollen Worten an die Adresse der anwesenden Firmenleitenden, denen sie zu verstehen gab, dass eine Krise nicht den Untergang eines Unternehmens bedeuten müsse. Entscheidend sei, wie man diese bewältige und welche Vorkehrungen man getroffen habe. Sie riet deshalb den Anwesenden, in ihren Firmen genau hin- und nicht wegzuschauen, die Risiken zu identifizieren, daraus Szenarien abzuleiten und vor allem das «Undenkbare» nicht auszuschliessen, weil genau dies in Krisenzeiten eintreffe.

Von Walter Ryser