«Kritische Stimmen sind hier selten geworden – sie dürfen nicht verstummen»
Bei den Langenthaler Gesamterneuerungswahlen Ende Oktober konnte Pascal Dietrich seinen Sitz im Stadtrat mit 797 Stimmen problemlos verteidigen, und das, obschon er als parteiloser Kandidat mit seiner neuen Liste – der Liste 49 – angetreten war. Ein respektables Ergebnis, das jedoch, betrachtet man seine 14-jährige Erfahrung im Stadtrat sowie den engagierten Politstil des 45-Jährigen, gar nicht mal so überraschend ist. Im grossen Monats-Interview mit dem «UE» geht es um Lokalpolitik und vier bevorstehende Langenthaler Politjahre, die definitiv spannend werden.
«UE»-Redaktor Patrick Jordi im Gespräch mit Stadtrat Pascal Dietrich, Gemeindeschreiber von Dürrenroth
Pascal Dietrich, wie ordnen Sie Ihren persönlichen Wahlerfolg und den Erfolg Ihrer Liste 49 ein?
Die Prognosen waren schwierig einzuschätzen. Es ist schon länger her, dass in Langenthal eine neue Liste zur Wahl stand, und wir waren nur zu dritt auf der Liste. Da wir uns beim Stadtrat im Proporzwahlsystem befinden, ist ein Grundstock an unveränderten Listenstimmen entscheidend. Deshalb habe ich meine Chancen vor der Wahl bei etwa 30 bis 50 Prozent gesehen. Ich wusste nicht, wie die Leute – gerade die etwas älteren Wählerinnen und Wähler – auf meine Haltung zur Pandemie reagieren würden. Vielleicht wären einige nachtragend. Es war deshalb auch eine Generationenfrage: Früher konnte ich immer auf die Unterstützung der älteren Generation zählen, aber jetzt war auch die jüngere Generation ein entscheidender Faktor.
Sie konnten Ihren Sitz im Stadtrat verteidigen, obschon der angesprochene Grundstock an unveränderten Listenstimmen bei Ihrer Liste nicht gerade gross war.
Ja, wir hatten zwar nur 38 unveränderte Wahlzettel – weniger als 50 sind für das Halten eines Sitzes in der Regel eine Herausforderung. Doch es gab dafür viele veränderte Wahlzettel und zahlreiche Panaschierstimmen, was mich sehr gefreut hat. Das zeigt, dass viele Wählerinnen und Wähler bereit waren, den zusätzlichen Aufwand auf sich zu nehmen, um eine eigene Liste zu erstellen. Meine beiden Kollegen auf der Liste haben ebenfalls gut abgeschnitten, obwohl sie politisch unbekannt sind. Das war für mich besonders wichtig, denn es war keine Alibi-Kandidatur. Beide hätten das Mandat im Fall einer Wahl tatsächlich angenommen.
Ihre dezidierte Haltung zur Pandemie und dazu, wie strikt mit dieser auch hierzulande umgegangen worden ist, mag Ihnen Stimmen ge-kostet haben. Auf der anderen Seite dürfte Ihnen die gewonnene Kindergarten-Abstimmung geholfen haben.
Das Kindergarten-Thema hat sicher auf beide Seiten Einfluss gehabt – für mich also nicht nur in positiver Hinsicht. Dafür sind einige Leute, die sich wegen meiner Haltung zur Pandemie von mir abgewandt hatten, durch meinen Einsatz im Gegner-Komitee der Kindergarten-Abstimmung wieder zu mir «zurückgekehrt» und haben mir nun vermutlich ihre Stimme gegeben. Auf der anderen Seite gab es natürlich auch Widerstand, unter anderem vonseiten der FDP, die die Kindergarten-Vorlage grossmehrheitlich unterstützt hatte. Mir wurde die Schuld daran gegeben, dass das Projekt an der Urne gescheitert ist. Das kann ich jedoch verkraften. Wer mich kennt, der weiss, dass ich trotz viel Gegenwind zu meiner Position stehe.
Wo lässt sich die Liste 49 politisch einordnen? Irgendwo zwischen SVP und FDP?
Das ist schwierig zu sagen, denn die Liste 49 ist noch nicht fest in einem bestimmten politischen Lager verankert. Zum Glück konnte ich zwei Kollegen, die wie ich in Langenthal aufgewachsen sind, für die Liste gewinnen. Wir haben bewusst kein festes Parteiprogramm und sind derzeit auch nicht als Partei organisiert, doch wir sind uns einig, dass wir weiter in diese Richtung arbeiten möchten – vielleicht entwickelt sich daraus etwas Beständiges. Persönlich halte ich wenig vom klassischen Links-Rechts-Schema. Ich habe mich immer in der Mitte gesehen, in der Mitte des Freisinns, der für mich die «richtige Mitte» ist. Viele Stimmen sagen heute jedoch, dass die FDP nicht mehr wirklich die Mitte repräsentiert.
Glauben Sie, dass das auch in Langenthal der Fall ist?
Bei uns steht die FDP glücklicherweise noch sehr gut da – anders als in manchen Regionen des Kantons Bern, wo sie an Boden verliert. Das liegt sicher daran, dass sie hier breiter aufgestellt ist und eine Volkspartei-Mentalität pflegt, wie man sie früher in vielen FDP-Ortssektionen fand. Trotz allem, was in jüngster Vergangenheit passiert ist (Anm. der Redaktion: Pascal Dietrich trat 2021 aus der FDP aus), fühle ich mich nach wie vor der FDP nahe, weil Freiheit und Eigenverantwortung für mich entscheidende Werte sind. Während der Pandemie war ich jedoch enorm enttäuscht, dass die FDP diese Werte auf nationaler Ebene an vielen Stellen verraten hat. Von der FDP Langenthal war ich allerdings nicht direkt enttäuscht – hier ist der Bezug zur Basis noch stark und lebendig.
Warum haben Sie im Hinblick auf die Wahlen 2024 eine Rückkehr auf die FDP-Liste ausgeschlossen? Liegt es daran, dass Sie konsequent Ihren Corona-Standpunkt verfolgen, oder gab es andere Gründe?
Ja, für mich ist es wichtig, konsequent zu bleiben. Zwar haben wir intern noch Gespräche geführt, und ich habe mir eine Rückkehr zur FDP durchaus überlegt. Aber letztlich wäre das nicht wirklich konsequent gewesen. Zusätzlich gab es auch andere Punkte, mit denen ich in der FDP nicht voll übereinstimme – etwa die sehr starke Betonung der Digitalisierung, der ich eher skeptisch gegenüberstehe. Mit einer eigenen Liste fühle ich mich freier, auch wenn ich dabei das Risiko eingegangen bin, dass ich vielleicht nicht gewählt worden wäre. Diese Liste war eine Offerte an die Bevölkerung von Langenthal, um eine kritische Stimme im Parlament zu erhalten. Solche Stimmen sind hier eher selten, und ich finde es wichtig, dass sie nicht verstummen.
Kommt es zu einer Fraktion von FDP, jll (Jungliberale) und Liste 49?
Darüber müssen wir noch Gespräche führen. Die Signale am Wahlabend waren jedoch positiv, und auf beiden Seiten besteht grundsätzlich Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Die FDP kann von meinem Wissen profitieren, und es wäre ein Vorteil, wenn die Fraktion grösser wird. Für mich persönlich könnte dies ebenfalls Vorteile bringen, insbesondere im Hinblick auf den Informationsfluss. Eine grössere Fraktion könnte es mir ausserdem erleichtern, meine Anliegen im Stadtrat besser einzubringen und durchzusetzen.
Welche Themen werden Ihnen ab 2025 weiterhin wichtig sein?
Freiheit und Eigenverantwortung sind für mich zentrale Werte, das wird auch in Zukunft so bleiben. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir als Gesellschaft füreinander Sorge tragen, insbesondere im Bereich der sozialen Absicherung. Auch der Umweltschutz liegt mir am Herzen. Wer mich kennt, weiss, dass Natur- und Umweltschutz für mich eine grosse Bedeutung haben. Allerdings bin ich oft nicht derselben Meinung wie die Grünen, wenn es um den Weg dorthin geht. Ich vertrete eine andere Auffassung von «grün», die für mich mehr Eigenverantwortung und weniger staatliche Eingriffe bedeutet.
Und auf lokaler Ebene?
Eine gute Verkehrsanbindung ist nach wie vor entscheidend, und ich finde, das wird oft unterschätzt. Ein Beispiel ist der Autobahnzubringer: Zwar greift dieser in die Natur ein, aber er ist für die ganze Region Oberaargau, speziell für Langenthal und Aarwangen, enorm wichtig. Auch beim Bahnanschluss sollten wir hartnäckig bleiben. Es bringt wenig, 70 bis 100 Millionen Franken in den Bahnhof zu investieren, wenn wir letztlich nicht die Züge haben, die uns wirklich nützen. Dass der Direktzug nach Zürich laut SBB-Konzept gestrichen werden soll, halte ich für einen grossen Nachteil für Langenthal. Hier müssen wir aktiv bleiben, und zwar alle politischen Lager gemeinsam. Stadtpräsident Reto Müller nutzt als Grossrat seine Kontakte in Bern, aber wir müssen uns generell noch stärker dafür einsetzen.
In der Vergangenheit haben Sie sich auch immer wieder fürs Stadtzentrum eingesetzt.
Ja, die Attraktivität des Zentrums ist wichtig. Hier gibt es noch Potenzial. Ich würde mir wünschen, eine Flaniermeile von der Oberen Marktgasse bis zur Alten Mühle durchzuziehen, sodass eine richtige Achse entsteht, die das Zentrum belebt. Der Bereich Untere Marktgasse funktioniert bereits, aber die Verbindung vom Wuhrplatz bis zur Alten Mühle könnte das Zentrum noch attraktiver machen. Auch wäre es eine Idee, die Langete in der Oberen Marktgasse zugänglicher zu machen, zum Beispiel mit Treppen im Bereich Löiebrüggli. Ein Wasserspiel vor dem Choufhüsi würde Menschen anziehen. Ebenso gibt es im Bereich der Querachse Manor–Tell noch Entwicklungspotenzial. Wichtig ist mir dabei auch, dass der Verkehr nicht komplett aus dem Zentrum verbannt wird. Das eingeführte LKW-Verbot halte ich für sinnvoll, und Tempo 30 für alle anderen wäre eine gute Option. Schneller kann man auf dieser Achse sowieso kaum fahren. Allerdings würde dann gemäss Bundesrecht die Möglichkeit für Fussgängerstreifen entfallen, was man genau abwägen müsste.
Die Kindergärten scheinen Ihnen ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu bleiben.
Bei der Kindergarten-Abstimmung ging es mir nicht in erster Linie um die Finanzen oder darum, Geld zu sparen, sondern darum, dass die Kinder möglichst kurze Wege haben. Früher sind die Kinder erst mit sechs Jahren in den Kindergarten gekommen, jetzt starten sie bereits mit vier. In dem Alter können sie oft noch nicht alleine über die Hauptstrasse gehen, und lange Schulwege sind für sie eine zusätzliche Belastung. Mir geht es darum, die Interessen der Familien und Kinder stärker zu berücksichtigen, nicht nur jene der Lehrerschaft. Die Quartierkindergärten sind eine echte Stärke von Langenthal, die unbedingt erhalten bleiben sollte. In Herzogenbuchsee hat man das bereits erkannt.
Ihre politischen Vorstösse und Aktivitäten betreffen oft sehr konkrete Themen, die teilweise nur Minderheiten betreffen; sogenannte «Brennpunkte» der Lokalpolitik. Die Badi ist ein Beispiel hierfür. Haben Sie dennoch auch den Blick für das grosse Ganze?
Absolut – besonders wenn es um die Attraktivität Langenthals als Wirtschaftsstandort geht. Von einer starken Wirtschaft profitieren wir letztlich alle. Ein grosses Problem ist jedoch der Mangel an Bauland und die oft langwierigen und komplizierten Prozesse bei der Baubewilligung. Natürlich wird das kantonal geregelt, aber wir haben auch auf Gemeindeebene noch ein Baureglement. Es wäre hilfreich, wenn man gewisse Vorgaben etwas weniger streng auslegen würde.
Wie soll das gehen?
Ich denke, dass man von der politischen Führung her klare Zeichen setzen könnte und den Mitarbeitenden der Bauverwaltung mehr Rückendeckung geben müsste, falls es zu Einwänden aus der Bevölkerung kommt. Das würde den Bauprozess sicherlich beschleunigen und vereinfachen. Auch gesunde Finanzen und möglichst tiefe Steuern sind mir wichtig, denn wir stehen im Standortwettbewerb. Zwar haben wir im Kanton Bern eine der niedrigeren Steuerbelastungen, aber im Vergleich zu Kantonen wie Aargau oder Luzern sind wir im Nachteil. Diesen können wir nur ausgleichen, wenn wir uns weiterhin um niedrige Steuern bemühen.
Kommen wir zu den Wahlresultaten. Wie schätzen Sie das Ergebnis der Stadtpräsidenten-Wahl ein?
Das mässige Abschneiden von Reto Müller habe ich so erwartet. In den letzten Jahren hat er an Schwung verloren, und mehrere Dinge sind ihm nicht gelungen. Es ist allerdings wichtig zu erkennen, dass die Kritik, die er einstecken muss, oft den gesamten Gemeinderat betrifft. Manchmal empfinde ich das als etwas unfair. Auf der anderen Seite: Als Profi muss er sich dieser Kritik stellen, und das gehört zu seiner Rolle dazu, vor allem, weil er als angestellter Stadtpräsident auch entsprechend entlohnt wird.
Was halten Sie vom Resultat bei den Gemeinderatswahlen?
Das starke Abschneiden der SVP mit drei statt zwei Sitzen im Gemeinderat hatte ich so nicht erwartet. Solche überraschenden Sitzverschiebungen können jedoch passieren und sind unserem Wahlsystem geschuldet, das in Langenthal auch beim Gemeinderat auf Listenwahlen und Proporz basiert. Ich sage es schon seit vielen Jahren: Mir wäre eine Majorzwahl für den Gemeinderat lieber. Ich habe bereits mehrfach versucht, diese Änderung voranzutreiben, aber leider konnte ich mich nicht durchsetzen. Was dieser Sitzgewinn nun für die nächste Legislatur bedeutet, ist schwer zu sagen. Auch in der vorherigen Legislatur gab es eine bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat, jetzt ist diese jedoch noch deutlicher ausgeprägt. Das könnte Auswirkungen auf bestimmte Themen haben, insbesondere auf progressive Anliegen wie die Energiethemen, die von FDP-Gemeinderat Michael Schär vertreten werden. Es könnte durchaus schwieriger werden, solche Themen durchzusetzen.
Welche Auswirkungen haben die Wahlen Ihrer Meinung nach auf den Ratsbetrieb im Stadtrat? Wenn man in einem groben Schema denkt, lautet das Verhältnis neu: 22 bürgerliche und 18 linke Stadträtinnen und Stadträte.
Die Wahlen haben zwar nur kleine Verschiebungen im Stadtrat gebracht, aber diese Veränderungen können dennoch eine Bedeutung haben. Die Blockade zwischen Links und Rechts dürfte es fortan nicht mehr geben, und das ist positiv. Ich möchte allerdings in diesem Zusammenhang nochmals betonen, dass der Fokus auf ein Blockdenken schwierig ist. Es wäre wichtig, dass wir wieder aufeinander zugehen und miteinander reden. Aktuell spüren wir ein gewisses Misstrauen von der linken Seite.
Können Sie konkreter werden?
Oft hat man auf linker Seite offenbar den Eindruck, dass wir mit unseren Vorschlägen etwas «Böses» im Schilde führen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Schulsozialarbeit, wo es viele und zähe Diskussionen gab. Ich überlege mir, wie wir diesem Misstrauen entgegenwirken können. Der Dialog ist in letzter Zeit schwieriger geworden. Uns fehlen die Personen auf der linken Seite, mit denen man nach den Sitzungen in die Beiz gehen und informell über Themen sprechen konnte, um Kompromisse zu finden. Das ist schade, denn informelle Gespräche können oft sehr hilfreich sein, um Lösungen zu erarbeiten.
Sehen Sie die Gefahr, dass die künftige bürgerliche Mehrheit im Stadtrat die linke Minderheit einfach überstimmen wird – ohne Wenn und Aber?
Es darf nicht sein, dass wir einfach abstimmen, ohne die Argumente und Positionen der anderen Seite zu berücksichtigen. Es ist wichtig, dass wir weiterhin den Austausch von Argumenten suchen und die Diskussion aufrechterhalten. Ich denke, die Linke müsste punktuell auch aktiver werden und mit uns ins Gespräch gehen, je nach Thema. Ein konstruktiver Dialog ist entscheidend, um zu verhindern, dass die Mehrheit einfach ihre Entscheidungen durchsetzt, ohne die Anliegen der Minderheit zu hören.
Ihre Art zu politisieren ist für gewisse Leute manchmal unbequem – sehen Sie das auch so? Woher kommt das?
Mein Credo ist, ehrlich und direkt zu sein. Ich drücke mich in deutlichen Worten aus und habe nie den Berufswunsch gehegt, Diplomat zu werden. Es ist mir wichtig, dass ich weiss, wovon ich rede. Poltern ohne Fachwissen ist für mich nicht akzeptabel. Ich finde, es gehört zur parlamentarischen Kultur, dass man miteinander debattiert. Einfach ein Fraktionsvotum vorzubereiten und abzulesen, kann nicht der Weg sein. Und ja, mag sein, dass ich oft ans Rednerpult gehe. Aber in Bezug auf die Länge und die Redezeit halte ich mich eigentlich in einem angemessenen Rahmen.
In vier Jahren: Können Sie sich vorstellen, für den Gemeinderat – oder sogar für noch mehr – zu kandi-dieren?
Das ist eine schwierige Frage. Grundsätzlich würde ich gerne im Gemeinderat tätig sein, aber das hängt primär von meiner beruflichen Situation ab. Um für den Gemeinderat zu kandidieren, müsste ich im Beruf möglicherweise etwas reduzieren können, was aktuell nicht der Fall ist. Der Aufwand variiert je nach Ressort, und als Gemeinderat ist es wichtig, die Verwaltung zu führen und die Dossiers gut zu kennen. Das erfordert eine erhebliche Zeitinvestition – man spricht von einem Pensum von ungefähr 30 bis 40 Prozent.
Kommt hinzu, dass Sie als Gemeinderat diplomatischer agieren müssten.
Ja, für meine Persönlichkeit könnte das effektiv eine Herausforderung darstellen, vor allem wegen des Kollegialitätsprinzips im Gemeinderat. Man muss bereit sein, in einem gewissen Rahmen zurückzustecken, und das könnte mir eventuell Schwierigkeiten bereiten. Das würde mir emotional zu schaffen machen. Auch meine Familie spielt eine entscheidende Rolle, denn man ist mit einem öffentlichen Amt immer im Schaufenster, und das muss man wirklich wollen – als Gemeinderat noch mehr denn als Stadtrat.
Was müssen die Bürgerlichen Ihrer Meinung nach im Hinblick auf die Stadtpräsidentenwahl in vier Jahren tun?
Zunächst einmal: Wer immer motzt, sollte selber antreten. Und dann: Ein Patentrezept bezüglich Stapi-Wahl habe ich nicht, aber ich glaube, dass es auf kommunaler Ebene nicht richtig ist, eine Person langfristig aufzubauen. Man sollte ein Jahr vor den Wahlen genau hinschauen und beurteilen, wer die richtige Person aus dem bürgerlichen Lager ist. Grundsätzlich wäre es wohl besser, wenn der Stadtpräsident zur Mehrheit im Gemeinderat gehören würde, also ein bürgerlicher Stapi bei einer bürgerlichen Mehrheit – das ist meine persönliche Meinung. Und was unumstösslich ist: In vier Jahren sollte es sicher eine echte Stadtpräsidentenwahl geben, bei der alle Beteiligten die Chance haben, sich zu beweisen und ihre Visionen für die Stadt einzubringen.
Wie lange sind Sie insgesamt schon im Stadtrat beziehungsweise politisch tätig?
Mein politisches Engagement begann bereits 1998, als Adrian Wüthrich das Jugendparlament Oberaargau gründete und ich dabei von Anfang an beteiligt war. Ab 1998 war ich dort als Mitstreiter von Adrian aktiv. 2001 trat ich den Jungliberalen bei und wurde später deren Präsident. Nach den Wahlen 2004 erhielt ich die Anfrage, in eine Kommission einzutreten, und so war ich ab dem 1. Januar 2005 in der Kommission für öffentliche Sicherheit tätig.
Später rutschten Sie in den Stadtrat nach.
Richtig, per 1. Januar 2011 bin ich in den Stadtrat nachgerutscht und bin seitdem lückenlos seit 14 Jahren Stadtrat. Von 2013 bis 2020 war ich zwei Legislaturen lang in der Geschäftsprüfungskommission (GPK) tätig, zuletzt als Präsident, nachdem ich zwei Jahre Vizepräsident war. Mir gefällt es, die Geschäfte vertieft zu betrachten, vorzubereiten und vorab zu besprechen, auch kritische Fragen zu stellen. Wegen der Amtszeitbeschränkung musste ich die GPK verlassen. In der zu Ende gehenden Legislatur war ich in keiner Kommission mehr aktiv. Unter anderem wegen meiner beruflichen Belastung.
Genau, kommen wir noch auf Ihre berufliche Situation zu sprechen. Sie haben ja einen recht spannenden Werdegang.
Ich habe die Matura in Langenthal gemacht und bereits während meiner Zeit am Gymnasium für das damalige Langenthaler Tagblatt (Tägu) geschrieben und Sonntagsdienste übernommen. Eine Zeit lang arbeitete ich auch in Solothurn für die Sportredaktion der Solothurner Zeitung mit ihren Kopfblättern Langenthaler Tagblatt und Berner Rundschau. Martin Moser, der damalige Tägu-Redaktionsleiter, holte mich schliesslich wieder zurück nach Langenthal und machte mich zum Stadtredaktor. Anschliessend habe ich ein Jurastudium begonnen, kam jedoch nicht mehr so richtig in den akademischen Betrieb hinein und habe nach einem Jahr wieder aufgehört. Stattdessen arbeitete ich in der Berichterstattung am Solothurner Obergericht, was mich schliesslich zu meinem Job als Gerichtssekretär führte, den ich 15 Jahre lang ausübte. Zuerst am Gerichtskreis IV im Schloss Aarwangen, wo die Atmosphäre wie in einer grossen Familie war, fast wie in einem KMU, da wir alle am gleichen Strick zogen. Nach der Fusion der Gerichte und dem Umzug nach Burgdorf erlebte ich eine Veränderung in der Unternehmenskultur, die nicht mehr die gleiche war.
So liessen Sie sich noch zum Gemeindeschreiber ausbilden.
Ja, ich habe zuletzt den Diplomlehrgang zum Gemeindeschreiber absolviert. Dieser Lehrgang war teils berufsbegleitend zu meiner Tätigkeit als Gerichtssekretär. Bereits während der Ausbildung konnte ich jedoch in der Gemeinde Dürrenroth als stellvertretender Gemeindeschreiber anfangen. Diese Stelle trat ich per 1. Februar 2019 an. Ab dem 1. Januar 2021 übernahm ich schliesslich die Position des Gemeindeschreibers. Meine Vorgängerin war dann bis zu ihrer Pensionierung Ende November 2022 noch meine Stellvertreterin. Es war in der Tat ein optimaler Ablöse- und Übergangsprozess.
Ein aktuelles Thema, das Sie als Gemeindeschreiber bestimmt umtreibt, ist das Verschwinden des Anzeigers Trachselwald. Was bedeutet das für die Gemeinde in Bezug auf amtliche Publikationen, und wie geht Dürrenroth mit dieser Situation um?
Es ist wirklich schade für Dürrenroth, dass der Anzeiger Trachselwald verschwindet. Obwohl Dürrenroth zum Emmental gehört, spielt die Gemeinde eine wichtige Brückenfunktion – sei es in der Schule, die auf Huttwil ausgerichtet ist, oder in der Feuerwehr, wo wir zwar eine eigene haben, aber auch mit Huttwil zusammenarbeiten. Dürrenroth befindet sich oft zwischen Stuhl und Bank. Mit dem Anzeiger Trachselwald hatten wir eine gute Lösung für amtliche Publikationen. Nun wechseln wir zum Anzeiger Oberes Emmental. Der Anzeiger von Burgdorf kam für uns nicht in Frage, weil dort die Publikationen nur noch digital angeboten werden. Bei uns lesen viele Menschen nach wie vor in Papierform. Der Wechsel zum Anzeiger Oberes Emmental wird nahtlos erfolgen, und wir hoffen, dass wir damit die Bürger weiterhin gut informieren können.
Was macht Pascal Dietrich eigentlich, wenn er nicht arbeitet oder politisiert?
In meiner Freizeit dreht sich vieles um meine Familie. Ich habe viele Abendtermine und kämpfe darum, wenigstens einen Abend pro Woche für sie zu reservieren. Meine Partnerin und ich sind nicht verheiratet, aber wir haben einen gemeinsamen Sohn, der inzwischen 13 Jahre alt ist. Mit ihm unternehme ich gerne Ausflüge, da er sich sehr für Technik interessiert. Wir teilen einige gemeinsame Interessen wie Schifffahrten, Bahnfahrten und den Aufbau von Modelleisenbahnen. Auch Geschichte und Geografie begeistert uns beide.
Sport und Eishockey spielen in Ihrem Leben bekanntlich auch eine Rolle.
In meiner Kindheit und Jugend habe ich Eishockey gespielt, und das Interesse daran ist bis heute geblieben; ich schaue immer noch gerne die Spiele des SC Langenthal. Aktuell spiele ich jedoch kein Eishockey mehr, dafür gehe ich gerne Skifahren, was auch unserem Sohn viel Freude bereitet. Im Sommer geniesse ich es, zu schwimmen. Ich bin ein grosser Verfechter und Unterstützer der Badi Langenthal – was man ab und zu auch in der Politik merkt. Und kürzlich habe ich mit Tennis angefangen – hauptsächlich meiner Partnerin zuliebe. Wandern ist ebenfalls eine Aktivität, die ich gerne mache. Ich lese auch gerne Bücher, aber die Zeit dafür ist oft ein knappes Gut.