• Alexander Estis wusste im Buchzeichen bei seiner Lesung «Langenthaler Wortgeschichten» zu begeistern. · Bilder: Leroy Ryser

  • Im Kunsthaus Langenthal erstrahlt einer der Räume in der Farbe Grün. Fotografien und Installationen regen zum Nachdenken an.

  • Zum Thema Wasser wurde im einen Raum ein Gewitterregen inszeniert.

  • Im Kino Scala war eine Soldaten-Ausrüstung aus dem Film «Fluch der Karibik» ausgestellt.

03.05.2022
Langenthal

Kultur in verschiedenen Facetten und Standorten

Bewegendes Theater, schmissige Livemusik, bestechende Kunst – mit diesem Teaser haben die Organisatoren der Kulturnacht Langenthal einmal mehr ein grosses Publikum anlocken können. Vergangenen Freitag hat bereits die 16. Ausgabe des kulturellen Events in der oberaargauer Hauptstadt stattgefunden. Auch der «Unter-Emmentaler» hat an drei Standorten einen Augenschein genommen und sich unterhalten und begeistern lassen.

Langenthal · Ein wahrlich breites Angebot hat am letzten Freitag zahlreiche Menschen nach Langenthal an die 16. Kulturnacht gelockt. An insgesamt dreizehn verschiedenen Standorten wurden Kunstarbeiten gezeigt, Lesungen abgehalten oder Theater vorgeführt. Dabei öffneten nicht nur die bekannten und grossen Langenthaler Kulturinstitutionen ihre Türen. Beispielsweise öffneten auch drei «Gaststandorte» ihre Türen und begrüssten zahlreiche Besuchende mit unterschiedlichen Themen.
Tatsächlich durfte sich das Publikum in ganz unterschiedlichen Sparten etwas bieten lassen. Ausstellungen zum Thema Kunst, Fotografie oder Filmografie überzeugten im Kunsthaus, im Kino Scala oder im Museum, theatralische oder lyrische Vorführungen rundeten das Programm im «Buchzeichen», der Regionalbibliothek oder im Stadttheater  für die unterschiedlichen Interessen der Besuchenden ab.

Kunsthaus: Zeitreise auf dem Kopf
Im Langenthaler Kunsthaus wird derzeit die Ausstellung von Ruedi Bechtler, Zeitreise auf dem Kopf, gezeigt. Der Künstler arbeitet seit den 1960er-Jahren als Künstler, sodass sein Werk durch eine besondere Breite überzeugt. So waren auch im Kunsthaus nicht nur Fotografien, sondern Holzobjekte, fotografische Installationen sowie Brunnen- und Lichtobjekte zu sehen. Die einzelnen Räume und Sujets waren derweil unterteilt, wodurch sich die Betrachtenden mit unterschiedlichen aktuellen Themen auseinandersetzen konnten.
So wurde im einen Raum das Thema «Grün» vertieft behandelt und die pflanzliche Lebenskraft dargestellt. Von der Photosynthese der Blaualgen bis zum menschlichen Umgang damit handelten schliesslich zahlreiche Illustrationen. In allen Räumen verschwommen dabei oft zwei oder mehrere Bilder ineinander, die selten auf den ersten Blick erkennen liessen, was oben und was unten ist – oder ob gar beide verschmolzenen Illustrationen sich auf dem Kopf befinden. Im Raum «Wasser» installierte der Künstler derweil einen grossen Wasserfall. Ein Bewegungsmelder löste dabei einen Regenschauer auf eine Plane aus und simulierte dabei einen Gewitterregen. Als unterhaltender Effekt konnte man sich unter die Plane legen und quasi den plätschernden Regen – ohne nass zu werden – geniessen.
Im oberen Stock wurden dann Kinder oder junggebliebene Erwachsene unterhalten. Mit ein paar fotografischen Kniffen konnten sich zwei Personen in ein Bild hinein projizieren lassen. Im Sinne einer Mehrfachbelichtung wurden in der Folge zwei Bilder übereinander gelegt und ausgedruckt, sodass die Besuchenden das Kunsthaus mit einem Souvenir verlassen konnten.

Johnny Depp in Langenthal
Das Kino Scala widmete sich derweil seinem Kerngeschäft: Dem Film. So wurde im hinteren Teil des Kinos eine Requisitenausstellung auf den drei Etagen gezeigt. Besuchende konnten dort filmische Original-Schätze betrachten, die einen in die unterschiedlichen Produktionen hineinversetzten. Im Erdgeschoss beispielsweise war «Mister Gadgets» Scooter aus dessen zweitem Film ausgestellt, in der ersten Etage wurde derweil ein Soldatenkostüm aus den Fluch-der-Karibik-Filmen gezeigt und im obersten Stock hing das originale Kostüm von «Viro», das Schauspieler Paul Telfer im Marvel-Film «Agents of Shield» trug.
Wer sich ausserdem noch weiter von filmischen Highlights verwöhnen lassen wollte, der konnte sich im kleinen Saal einen knapp über 20-minütigen Zusammenschnitt aus Making-of-Szenen und Filmausschnitten ansehen. Der Zusammenschnitt referierte auf die ausgestellten Objekte, weshalb letztlich quasi Stars und Grössen wie Johnny Depp (Fluch der Karibik), Brendan Fraser (Die Mumie) oder Arnold Schwarzenegger (Terminator) die Langenthaler Kulturnacht beehrten. Nicht zuletzt die Herstellung von den Masken des Terminators oder das Filmen der Actionszenen in Fluch der Karibik liessen die Besucher mit einem Staunen zurück.

Ein oberaargauer Märchen
So richtig regional, ja sogar langenthalerisch war es dann im Verkaufsladen Buchzeichen. Dort fand mehrmals an diesem Abend die Lesung «Langenthaler Wortgeschichten» von Alexander Estis statt. Der ehemalige Lydia-Eymann-Stipendiat liess die Lieblingswörter der Oberaargauer in einem Buch auf besondere Weise umhertanzen. So erzählte er Geschichten, welche ebensolche Lieblingswörter zum Titel nahmen oder einfach nur vorkommen liessen. Begonnen hatte er passenderweise mit dem Wort «Öbbis», welches laut dem Autor ein «schwer zu identifizierendes, mehrfarbiges Tier ist, welches rasch an einem vorbeihuscht.» Das «Öbbis» sei aber eine aussterbende Art. Nicht etwa der Menge wegen, sondern vielmehr wegen der Behandlung. «Manchmal wird es nämlich behandelt, wie etwas anderes. Und manchmal ist es das auch», sagte Alexander Estis und erntete einige Lacher aus dem Publikum. Der in Moskau geborene und in Hamburg aufgewachsene Deutsche überzeugte mit seiner gepflegten Sprache, obwohl diese ein Gemisch sei, wie er später meinte. Immerhin verlieh er berndeutschen Wörtern in seinem Deutsch   einen ganz anderen Glanz. Aus «himugüegeli» wurde quasi ein moderner Hans-Guck-in-die-Luft, der «Himelgüegler» und aus dem «Anken» wurde schliesslich «die Anken», eine Schwedin, die dahinschmolz, wenn er sie mit seinen heissen Armen umarmte, und die er heiratete und erst später bemerkte, dass Anken nicht «die», sondern eben «der» ist. Mit seinen Geschichten vermochte Alexander Estis wahrlich zu begeistern, in der Mitte tischte er dann eine Geschichte auf, die perfekt als schweizerisches Märchen hinhalten könnte. Dieses trug den Titel «der Ritti-Gam-pfi». Ein gefrässiges Biest, das alles, jeden und alle verspeiste und niederschlang, ein gieriges Etwas, lebend in Oberönz, das sogar die Milchzähne aus Gier behielt, obwohl noch weitere Zähne wuchsen. Eine schauerliche Gestalt, die sich irgendwann aufgrund eines Zeitungsberichtes wiedererkannte und Reue zeigte. Dem mittlerweile ratlosen Rat in Bern schrieb der «Ritti-Gampfi» daraufhin einen Brief. Er sei geläutert und werde jede Strafe ertragen. «In Bern glaubten sie ihm aber nicht, weshalb sie ihn in Ketten legten und aufhängten. Tatsächlich war ‹der Ritti-Gampfi› aber mittlerweile derart harmlos, dass Kinder auf ihm sitzen und hin und her schwingen können», beendete der Autor seine oberaargauer Märchen mit einem Lachen.

Von Leroy Ryser