• «Ich würde das Scheitern nicht als Niederlage bezeichnen, aber es tut weh, persönlich, aber im Falle der Brauerei auch substanziell finanziell, da ich die Brauerei in den ersten Jahren mit persönlichen Darlehen massiv von Lieferantenschulden befreit habe.» · Bilder: Thomas Peter

  • «Alles, was ich mache, soll glückliche Menschen erzeugen, das macht Spass.»

  • «Mit dem Schritt zum Befreiungsschlag wäre eine schöne, neue Lösung möglich gewesen. Es ist mir nicht gelungen, die Aktionäre davon zu überzeugen.»

  • «Wenn man diese Brauerei nicht will und dies der ausdrückliche Wille der Mehrheit der Aktionäre ist, dann ist das zu respektieren.»

29.06.2023
Langenthal

Kurt Schär: «Die Brauerei fand nicht den nötigen Rückhalt in unserer Region»

Der Roggwiler Kurt Schär ist eine schillernde Unternehmerfigur in der Region Oberaargau. Bekannt geworden ist er als einer der Pioniere der E-Bike-Marke Flyer, die er als CEO zu einem Höhenflug führte, der bis heute angehalten hat. Keinen

Höhenflug absolvierte der 58-jährige Verwaltungsrat dagegen mit der Brau AG in Langenthal, die nach 20 – zum Teil sehr schwierigen – Jahren, diesen Frühling liquidiert werden musste. «Die Brauerei fand leider in unserer Region nicht jenen Rückhalt wie Brauereien in anderen Regionen», bilanziert Schär. Im Interview mit dem «Unter-Em­men­taler» nimmt er Stellung zum Scheitern des Langenthaler «Hasli Bier» und gibt er Auskunft über seine anderen, vielfältigen Projekte.

Walter Ryser im Gespräch mit Kurt Schär, Unternehmer, Roggwil

 

Kurt Schär, war es eine Bieridee von Ihnen, das Verwaltungsrats-Präsidium der Brau AG in Langenthal zu übernehmen, die nun nach 20 Jahren in den Konkurs geht?
Nein, gute Dinge und Ideen verdienen es, unterstützt zu werden. Gerade wenn es schwierig ist. Ich bin seit 19 Jahren Aktionär. Ich habe dieses Engagement aus Überzeugung gemacht. Seit 2014 bin ich zudem im Verwaltungsrat tätig. Aber manchmal merkt man, wenn man mittendrin steht, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ich bin aber immer einer gewesen, der sich engagiert hat, auch in schwierigen Momenten. Mein Leitmotiv lautet: Wenn man etwas anpackt, kann man scheitern, wenn man es nicht anpackt, ist man schon gescheitert.

Erläutern Sie uns doch die Gründe für das Scheitern des Unternehmens aus Ihrer Sicht.
Da gibt es immer viele Dinge, die zusammenspielen. Das Fundament, das vor 20 Jahren gelegt wurde, war von der Konzeption und dem Standort her gesehen suboptimal. Aus diesen Rahmenbedingungen hat das Team das Beste rausgeholt und wir standen dank positiven Massnahmen in Produktion, Effizienz und externen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren auch mal mit einem schwarzen Jahresabschluss da. Die immer noch nachschwingenden negativen Meinungen aus jener Zeit mit Qualitätsproblemen, die seit mehr als fünf Jahren vollständig ausgeräumt sind, haben aber immer wieder zu einem mangelnden Rückhalt bei einigen Konsumenten und negativer Stimmungsmache geführt. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung haben es in dieser Zeit nicht geschafft, die Verkäufe auf das notwendige Mass zu steigern. Viel Energie floss in die Behebung der Qualitätsprobleme der Vergangenheit und in die Optimierung der Anlagen, also Energie, die vor allem nach innen geflossen ist.

Hand aufs Herz, die Geschichte des Langenthaler «Hasli Biers» dauerte zwar immerhin 20 Jahre, aber wirklich erfolgreich war sie nie. Weshalb war das so?
Den Ausführungen in der vorhergehenden Frage kann man gleich anfügen, dass die Brauerei nie den Rückhalt in der Region gefunden hat, den andere Brauereien in ihrem Stammgebiet geschafft haben.

Kritische Stimmen behaupten, das Bier habe nicht geschmeckt und das Produkt sei schlecht vermarktet worden – auch unter Ihrer Führung habe sich daran nichts geändert.
Die ersten Sitzungen des Verwaltungsrates, die ich begleitete, haben sich in erster Linie um die massiven Qualitätsprobleme gedreht. In den ersten zwei Jahren haben sich der Braumeister, die Geschäftsführung und der Verwaltungsrat dem Thema intensiv angenommen. Man konnte diese Probleme identifizieren und mit den ent­-
sprechenden Massnahmen komplett eliminieren. Seit über fünf Jahren war die Qualität einwandfrei und das Bier hat sogar Bestnoten bei Verkostungen erhalten. Die Abkehr von «Hasli Bier» hin zum «49er» war auch im Marketing ein grosser Schritt, der viele positive Entwicklungen ermöglicht hat. Leider nicht genug, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Das neue, baubewilligte Projekt «Porzi Bier» war als Anschlusslösung an den auslaufenden Mietvertrag gedacht – eine einmalige Chance, dass sich die Langenthaler und Oberaargauer mit einem Neuanfang von den alten Dingen hätten verabschieden können. Über 250 Leute waren bereit, dies mitzutragen, wofür ich sehr dankbar bin. Leider hat die Zusicherung von gegen einer Million Franken das Minimum-Ziel von rund 2,5 Millionen Franken bei weitem verfehlt, weshalb in voller Transparenz nur noch die kommunizierte Liquidation der Unternehmung möglich war.

Wie sehr trifft diese «Niederlage» den Erfolgs-Unternehmer Kurt Schär persönlich?
Die Chance der Niederlage ist, zu lernen und daran zu wachsen. Als ich mal gefragt wurde, weshalb ich der richtige Kandidat für ein VR-Mandat wäre, war meine Antwort: «Viele Fehler und Erfahrungen, die sie noch vor sich haben, habe ich schon hinter mir – vielleicht kann ich sie vor dem einen oder anderen Fehler bewahren.» Ich würde deshalb das Scheitern nicht als Niederlage bezeichnen, aber es tut weh, persönlich, aber im Falle der Brauerei auch substanziell finanziell, da ich die Brauerei in den ersten Jahren mit persönlichen Darlehen massiv von Lieferantenschulden befreit habe. So gesehen könnte ich mit etwas Galgenhumor behaupten, dass für mich das «Hasli Bier» immer noch ein äusserst wertvolles Bier ist (lacht herzhaft).

Sie haben im Februar mit einem Appell an die Aktionäre versucht, das Steuer herumzureissen. Sie forderten diese auf, für weitere 1000 Franken Aktien zu zeichnen und gleichzeitig pro Jahr 66 Liter Bier zu beziehen, um das Überleben der Brau AG zu sichern. Viele Aktionäre hatten allerdings gar keine Freude an Ihrem Vorgehen, sie empfanden Ihren «Bettelbrief» gelinde gesagt als «Nötigung» und als unverschämte Forderung an jene, die bereits zuvor während 19 Jahren ständig finanzielle «Löcher» stopfen mussten. Was hat sie zu diesem Vorgehen bewogen?
Das war ein rein hypothetisches Rechenbeispiel. Ich bin mir vollauf bewusst, dass nicht jeder Aktionär in der Lage und willens ist, diesen Schritt zu vollziehen. Ich habe niemanden explizit dazu aufgefordert. Deshalb weise ich den Vorwurf der Nötigung entschieden zurück. Die Aktionäre, die tatsächlich in den vergangenen Jahren Löcher gestopft haben, mögen enttäuscht sein, dass die Situation so ist wie sie ist. Die meisten Reaktionen und Empörungen stammen leider von Leuten, die weder früher noch aktuell eine Aktienkapital-Erhöhung gezeichnet haben. Damit muss man halt leider leben.

Das Scheitern der Brau AG hat letztendlich kaum noch jemanden überrascht und erstaunlicherweise auch wenig Bedauern ausgelöst. Was empfinden Sie selber dabei?
Mit dem Schritt zum Befreiungsschlag wäre eine schöne, neue Lösung möglich gewesen. Es ist mir nicht gelungen, die Aktionäre davon zu überzeugen, was ich sehr bedaure. Ich bin sicher, dass wir mit diesem Schritt einen Befreiungsschlag vollzogen hätten. Aber, wenn man dieses Projekt oder diese Brauerei nicht will und dies der ausdrückliche Wille der Mehrheit der Aktionäre (nicht des Kapitals) ist, dann ist das zu respektieren. Daher haben wir im Verwaltungsrat die entsprechenden Entscheidungen gefällt und unsere rechtlichen Pflichten wahrgenommen.

Damit endet eine weitere Langenthaler Bauerei-Geschichte. Ist es in einer Stadt wie Langenthal nicht möglich, ein eigenes Bier herzustellen, das wirtschaftlich überlebensfähig ist und wie früher das Langenthaler Bier sich auch als beliebter und bekannter Markenbotschafter für die Stadt etablieren kann?
Ich bin der Überzeugung, dass es möglich ist. Ich empfehle aber, es sowohl finanziell wie auch personell völlig vom «Dunstkreis» der Brau AG losgelöst zu machen, da sonst die Gefahr besteht, dass wieder jemand irgendwelche alten Geschichten aufwärmt. Es muss eine völlig neue Bier-Geschichte entstehen.

Glücklicherweise sind Sie ja noch in anderen Bereichen tätig. Allerdings als Verwaltungsrat des Energiekonzerns BKW in einem ebenfalls vieldiskutierten und umstrittenen Themen-Gebiet. Deshalb gleich die entscheidende Frage: Wie soll die Schweiz die angestrebte Energiewende bis 2050 schaffen?
Die Vielzahl der Massnahmen wird dazu führen, es zu schaffen. Energiewende heisst weg von Fossil hin zu Strom. Wenn wir die Chance dazu haben, den benötigten Energiebedarf selber zu decken, dann sollten wir alle unsere menschliche Energie genau dafür verwenden. Statt unser Geld den Ölscheichs zu geben, sollten wir schauen, dass dieses Geld dem Eigenheimbesitzer, dem Bauern zu Gute kommt oder in die eigene Tasche fliesst. Es muss unser Ziel sein, den Handwerker im Oberhasli zu beschäftigen und neue Energie-Quellen zu erschliessen. Das nationale Parlament hat jüngst bewiesen, dass es in der Lage ist, schnelle und pragmatische Lösungen zu realisieren.

Auch hier, Hand aufs Herz Kurt Schär: Ohne Atomstrom und ohne Stromabkommen mit der EU sehen wir in der Schweiz im wahrsten Sinne des Wortes bald schwarz. Sind wir da nicht viel zu blauäugig unterwegs?
Nicht die Menge ist die Herausforderung, es ist die zeitliche Steuerung von Produktion und Verbrauch. Intelligente Netze und Anbindungen sind gefragt, aber auch clevere Nutzer. Die beste Energie ist jene, die wir aus Wasserkraft gewinnen. Diese schlägt alle anderen Energieträger betreffend CO2-Belastung, Effizienz und Kosten um Meilen. Deshalb müssen wir in diesen Energieträger investieren und diesen weiterentwickeln.

Der letzte Winter hat gezeigt, dass Herr und Frau Schweizer zwar bereit sind, ihre Gasheizung durch Wärmepumpen oder Holzschnitzelheizungen zu ersetzen, beim Stromsparen haperte es allerdings gewaltig, war der Spareffekt doch marginal. Werden wir nur durch Schaden klug oder was muss jetzt unmittelbar geschehen, dass der Stromverbrauch in unserem Land im nächsten Winter substanziell zurückgeht?
Er wird nicht zurückgehen. Wir müssen aufhören zu glauben, wir könnten mit gewissen Massnahmen eine Stromreduktion erzeugen. Das Gegenteil ist der Fall, wir benötigen immer mehr Strom. Deshalb müssen wir energie-effizienter werden. Das Beste Watt ist doch das «Negawatt», das nicht verbrauchte Watt. Dieses muss weder produziert, transportiert, gespeichert noch bezahlt werden. Wenn wir das begriffen haben, fangen wir automatisch an zu überlegen, ob das Licht im Büro noch brennen muss, ob wir den PC jetzt abschalten oder wir das Wohnzimmer auf 22 Grad heizen sollen.

Aber es gibt ja auch noch andere, erfreulichere Themen, wie die Herzroute, die historische Räucherei Taunerhaus in Roggwil oder die Walsersiedlung im Calfeisental, an denen Sie ebenfalls beteiligt sind. Was treibt Sie an, in solchen Nischenprojekten aktiv zu sein?
Herzblut und Freude. Alles, was ich mache, soll glückliche Menschen erzeugen, das macht Spass.

Eigentlich wären Sie prädestiniert dafür, das stockende Mammut-Projekt in Huttwil wieder in Schwung zu bringen …
Leider nein, das ist kein Projekt, das mich innerlich antreibt. Vielleicht verstehe ich auch zu wenig davon. Deshalb bin ich nicht der Richtige dafür. Die Initianten sind bestens aufgestellt und werden es umsetzen können, wenn es ein Marktbedürfnis ist.

Wenn Sie auf Ihre unternehmerische Karriere zurückblicken, was erfüllt Sie mit Stolz, was würden Sie heute vielleicht anders machen?
Mit Stolz erfüllt mich, dass ich mir selber immer treu geblieben bin. Vielleicht war ich manchmal etwas zu grosszügig, zu treuherzig, aber ich bin ein Mensch, der stets zu Beginn grosses Vertrauen in eine Sache und die involvierten Menschen hat. Mir muss man immer erst beweisen, dass dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt ist.

Und beim Blick nach vorne, welche unternehmerischen Ziele verfolgen Sie in Zukunft oder welches Projekt möchten Sie gerne noch realisieren?
Ich werde mich in Zukunft auf Projekte im Energiebereich und im Tourismus fokussieren. Ich werde solche begleiten, die es wert sind, weiterentwik-kelt zu werden. Und hier werde ich die beteiligten Menschen während dieses Prozesses gerne unterstützen.

Und dann gibt es ja auch noch so etwas wie Freizeit. Was macht Kurt Schär, wenn er einmal nicht gerade mit einem Projekt beschäftigt ist?
Ich baue sehr gerne Liegenschaften und Wohnungen um und lege dabei mit Freude selber Hand an. Ich mache einfach gerne Dinge, die meine immer grösser werdende Familie geniessen kann. Hier lebe ich mein «Nestli-Bauer-Gen» aus.

Sagen Sie uns doch zum Schluss noch, was genau für ein Mensch hinter Kurt Schär steckt und wie diese Person eigentlich «tickt», die viele Leserinnen und Leser von unzähligen Interviews und Medienauftritten her, aber nicht persönlich kennen.
Es ist schwierig, sich selber zu charakterisieren. Aber ich bin ein überaus neugieriger Mensch. Wenn etwas Neues auf mich zukommt, dann «brenne» ich rasch dafür. Dazu habe ich einen hohen ethischen Anspruch an mich selber. Manchmal scheitere ich auch daran. Und dann bin ich hin und wieder auch sehr ungeduldig, wenn nicht alles so läuft, wie ich mir das vorstelle oder andere Menschen meinem Tempo nicht folgen können oder wollen. Das wirkt dann auf andere oft etwas überheblich oder arrogant, aber das ist eigentlich kein Wesenszug von mir.