Kurze Traktandenliste – lange Diskussion um eine Linde und den Ortsbildschutz
Lange war ungewiss, ob die Versammlung stattfinden kann, vergangenen Dienstagabend führte die Einwohnergemeinde Madiswil ihre reguläre Gemeindeversammlung in der Linksmähderhalle durch. «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte wahrnehmen können», begründete Gemeindepräsident Ueli Werren (freie Wähler) den Entscheid.
Madiswil · Mit regelkonformem Abstand waren die Stühle in der Linksmähderhalle hinter dem Dorfzentrum aufgestellt, ebenso regelkonform wurden Hände desinfiziert und die Kontaktdaten angegeben. Dennoch war der Gemeindepräsident Ueli Werren erleichtert, dass nicht alle 2483 Stimmberechtigte von ihrem Recht Gebrauch machten: So stimmten lediglich 65 (2,6 %) anwesende Madiswilerinnen und Madiswiler über die Rechnung 2019 und zwei Kreditvorlagen ab.
Eine halbe Million besser als erwartet
Das erste Geschäft, die Jahresrechnung 2019, bot viel Grund zur Freude: Anstatt einem budgetierten Aufwandüberschuss von knapp 140 000 Franken verbuchte der Gesamthaushalt einen Ertragsüberschuss von über 380 000 Franken. Die Gründe dafür waren vielseitig. So wurden anstatt 4,5 Millionen Franken weniger als die Hälfte investiert, und die Spezialfinanzierungen schlossen allesamt besser als erwartet ab. Der milde Winter führte zu tieferen Räumungskosten, und dank höheren Steuererträgen natürlicher Personen (mehr als 500 000 Franken mehr als budgetiert) konnten auch die tieferen Einnahmen aus den Gewinnsteuern der juristischen Personen ( 65 000 Franken) mehr als kompensiert werden.
Hohe Gebühreneinnahmen
Der Ertragsüberschuss aus dem allgemeinen Haushalt wurde HRM2-konform für zusätzliche Abschreibungen und Einlagen in die finanzpolitische Reserve genutzt. «Vor einem Jahr zogen wir noch in Erwägung, die Gebühren zu erhöhen, mit einem solch positiven Resultat werden wir auf eine Erhöhung verzichten», erklärte der zuständige Gemeinderat Markus Roth (SVP). Viel eher habe die Revisionsstelle darauf aufmerksam gemacht, bei einem Ertragsüberschuss von über 380 000 Franken bei den Spezialfinanzierungen eine Gebührensenkung ins Auge zu fassen.
Grund zur Sorge hat die Gemeinde dennoch: Da zur Zeit sehr viel investiert wird, muss sie sich Liquiditätsfragen stellen und allenfalls fremdes Geld aufnehmen. Denn die Abschreibungen, welche mit HRM2 generell über einen deutlich längeren Zeitraum erfolgen, stellen noch nicht ausreichend flüssige Mittel zur Verfügung, um das Investitionsprogramm in der gleichen Höhe fortzusetzen. Dank dem hohen Eigenkapital von 8 Millionen Franken, was gut 20 Steueranlagezehnteln entspricht, ist die Gemeinde allerdings in einer komfortablen Ausgangslage, so dass die Einwohnerinnen und Einwohner diskussionslos und einstimmig der Rechnung zustimmten.
Kredite genehmigt
Dem zweiten Traktandum, eine Kostenbeteiligung an der Sanierung der drei Bahnübergänge in Kleindietwil, wurde ebenfalls diskussionslos und einstimmig zugestimmt. Da sich die Übergänge allesamt auf Gemeindestrassen befinden, ist Madiswil verpflichtet, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen. Mit 162 000 Franken fielen diese 33 000 Franken tiefer aus, als zwischen BLS und Gemeinde 2016 vereinbart. Das zweite Kreditanliegen betraf den Hartplatz der Schulanlage Neumatt, welcher saniert werden soll. Dieser weist verschiedene Schäden auf und dessen Oberfläche soll für 115 000 Franken saniert werden. Im Hinblick auf die Sicherheit der Sportlerinnen und Sportler sowie auf das regionale Turnfest 2023 wurde auch diesem Begehren der Exekutive einstimmig zugestimmt. Der Gemeindepräsident Werren durfte anschliessend Ramona Zürcher ehren. Die Finanzverwalterin, die seit 2018 bei der Gemeinde angestellt ist, bestand die Abschlussprüfungen zur Finanzverwalterin mit der hohen Note 5,6.
Baum- und Ortsbildschutz
Nach der sportlich kurzen Versammlung gaben zahlreiche Wortmeldungen unter «Verschiedenes» zu reden, zum einen wurde im Bänacker im Zuge der Sanierung der Werkleitungen und der Strasse eine Linde gefällt, was zu Unmut führte. Der zuständige Gemeinderat Bernhard Wälchli (SVP) informierte, dass im Zuge der Bauarbeiten nach und nach alle Hauptwurzeln hätten zurückgeschnitten werden müssen, damit sich ein optimales Gefälle der Leitungen ergeben habe. Um die Sicherheit der Strasse weiterhin zu gewährleisten, habe man entschieden, den Baum zu fällen und ihn nach Abschluss der Arbeiten zu ersetzen.
Zum andern wurde von mehreren Stimmbürgern die in der Dorfzeitung «Linksmähder» geführte Diskussion um den Laubenplatz aufgegriffen: Dieser sei zu einer Beton- und Asphaltwüste verkommen, die Blumenrabatte um den Dorfbrunnen verwahrlose und die Werbesäule der Bank Oberaargau widerspreche den Auflagen zum Schutz des Ortsbildes, weshalb bis heute keine Bauabnahme erfolgt sei. So sei das Zentrum des «einst schönsten Dorfes des Langetentals» zu einem funktionalen Verkehrsknoten degradiert worden und dies entgegen den ursprünglichen Plänen zur Gestaltung, welchen die Gemeindeversammlung einst zustimmte.
Heute «Diskussionsversammlung»
Die Gestaltung des Laubenplatzes wird die Gemeinde mit Sicherheit weiterhin beschäftigen. So hat eine Gruppe Stimmberechtigter angekündigt, heute Freitag, 19. Juni, um 15 Uhr sich zur Beratung auf dem Platz zu treffen. Die Diskussion um die Neugestaltung des Madiswiler Zentrums wird somit in nächster Zeit wohl kaum zur Ruhe kommen.
Von Patrik Baumann