Landwirtschaft und Biodiversität funktionieren Hand in Hand
Für abnehmende Biodiversität und verunreinigtes Trinkwasser durch Pflanzenschutzmittel werden Landwirte immer wieder pauschal verantwortlich gemacht. Der Oberaargauische Bauernverein lud am vergangenen Wochenende zu einer Flurbegehung am Burgäschisee, um sich den Vorwürfen zu stellen und konkrete Biodiversitätsmassnahmen der Landwirte zu präsentieren.
Seeberg/Aeschi · Die Präsidentin und Grüne-Grossrätin Christine Badertscher begrüsste die anwesenden Fachleute und Besucher, welche sich trotz Regen in Seeberg am Burgäschisee einfanden. «Bauernfamilien leben und arbeiten seit jeher mit der Natur zusammen», leitete der Präsident des Berner Bauernverbandes Hans Jörg Rüegsegger seine Ausführungen ein. «Deshalb bieten wir auch Hand für konstruktive Lösungen, etwa das Berner Pflanzenschutzprojekt.» Der Berner Bauernverband und das Amt für Landwirtschaft und Natur haben dieses 2017 in Kraft gerufen, um die Menge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und die Verschmutzung von Gewässern mit denselben einzudämmen.
Gemeinsam wurden zwölf Massnahmen definiert, welche bereits von 1400 Berner Betrieben umgesetzt würden, erklärte Rüegsegger. «Wir Berner sind Pioniere, und das Projekt ist vorbildlich, denn einzelne Massnahmen wurden bereits vom Bundesamt für Landwirtschaft übernommen.» Die zwölf Massnahmen umfassen Umbauten an den Feldspritzen wie den Ersatz der Sprühdüsen oder den Aufbau von Systemen zur kontinuierlichen Innenreinigung, die Verbesserung der Füll- und Waschplätze und mehrere Änderungen im Anbauverfahren. So werden etwa Betriebe finanziell entschädigt, welche ganz auf Totalherbizide wie Glyphosat verzichten oder anstelle von Herbiziden mechanische Geräte wie den Striegel oder das Hackgerät gegen Unkraut einsetzen.
Vernetzung für Natur und Mensch
Ein am Berner Pflanzenschutzprojekt beteiligter Landwirt ist der Seeberger Martin Reinhard, welcher rund 30 Hektaren bewirtschaftet und 25 Milchkühe hält. «Heuer habe ich die Hälfte der Urdinkelfläche mit Herbizid behandelt, die andere Hälfte mit dem Striegel. Der Ertrag war auf beiden Seiten gleich hoch, so dass ich in Zukunft wohl auf das Herbizid im Urdinkelanbau verzichte», weiss der Landwirt zu berichten.
Auf dem Hof arbeitet der Seeberger vermehrt mit effektiven Mikroorganismen, einer Mischung verschiedenster aerober und anaerober Bakterien. Dank diesem Bakterienmix habe er im Stall heute deutlich weniger Fliegen. Vor sechs Jahren entschied er sich dann auch, südlich des Burgäschisees zwischen Spazierweg und Ackerland eine mehrere Dutzend Meter lange Hecke zu pflanzen. Diese besteht aus verschiedensten Sträuchern. «Hier nisten Vögel geschützt vor Raubtieren, die sonst kaum Platz fänden», erklärte der Biologe Michael Ryf, welcher Landwirte berät. Die Hecke ist Teil der Biodiversitätsförderfläche von Reinhards Betrieb, welche mindestens 7 % der bewirtschafteten Fläche umfassen muss. «Im Kanton Bern werden etwa 12 % der Flächen als Biodiversitätsförderflächen bewirtschaftet», wusste der Bauernpräsident Rüegsegger zu ergänzen. Die Qualität dieser Förderflächen würde etwa durch Hecken, Ast- und Steinhaufen oder Bienenhotels und Nistkästen aufgewertet. «Eine artenreiche Hecke ist schlussendlich auch ein Rückzugsstreifen für gestresste Manager, die hier joggen können», ergänzte der Inforamaberater Markus Maag und sprach damit auch den gesellschaftlichen Nutzen der vielfältigeren Landschaft an.
Konsument entscheidet
Gerade am Beispiel Burgäschisee zeigt sich, wie die Landwirte in der Spannung zwischen Produktion und Naturschutz stehen. Gegen die vor 30 Jahren diskutierte Idee, den Seespiegel um 3,5 Meter zu erhöhen, sprachen sich die Grundeigentümer aus, da eine grosse Fläche an gutem Ackerland verloren gegangen wäre. Gleichzeitigt organisierte man sich im Verein Pro Aeschisee, der seit da den Wald um den See pflegt, die Wege vom Ufer wegverlegte und in den letzten Jahren den Schilfgürtel am Ufer pflanzte. Die Idee der Seespiegelerhöhung war damit wieder vom Tisch. Kompromisse zu finden, die sowohl für Landwirt als auch Natur vertretbar sind, darin sieht auch Christine Badetscher ihre Aufgabe.
Einfluss auf die Landwirtschaft
Die Grüne Grossrätin müsse oft zwischen sehr unterschiedlichen Positionen vermitteln, zum einen die produzierenden Bauern, zum andern extreme Naturschützer, welche nur ein Halbwissen über die Produktion von Lebensmitteln hätten. Schlussendlich seien es aber die Konsumentinnen und Konsumenten, welche die Ausrichtung der Landwirtschaft am meisten beeinflussen könnten.
«Auf 15 % der bewirtschafteten Fläche wird nach Bio-Richtlinien gearbeitet, allerdings kauft der Konsument nur mit 10 % seiner Nahrungsmittelausgaben Bio-Produkte», weiss Badertscher. Dies führe etwa dazu, dass für Betriebe, die auf biologische Produktion umstellen möchten, Wartelisten geführt werden, da die Nachfrage nach Bio-Produkten zu klein sei, um mehr produzieren zu können.
Von Patrik Baumann