Laut und störend, aber intelligent und verspielt
Die Raben und Krähen können mit ihrem Aussehen keinen Schönheitswettbewerb gewinnen – sie sind halt «rabenschwarz». Und obwohl sie zu den Singvögeln gehören, können sie nicht zwitschern und trillern, sondern nur leise plaudern und laut krächzen. Doch näher betrachtet sind sie äusserst interessante Lebewesen.
Natur · Raben fallen auf mit ihrer Grösse, ihrem dunklen Aussehen und ihrem durch Mark und Bein gehenden, fast unheimlich anmutenden Krächzen. Es gibt aber ganz Erstaunliches über diese Vögel zu berichten. «Es ist an der Zeit, den Rabenvögeln mit einem offenen, neugierigen Blick zu begegnen und sie als das zu sehen, was sie sind: Höchst intelligente Wesen, die es geschafft haben, sich in einem ständig ändernden Umfeld zu behaupten und sich in unserer Nähe einzurichten», findet Christoph Vogel-Baumann von der Vogelwarte Sempach.
Rabe ist nicht gleich Rabe
In einer Broschüre hat er das Leben und die Eigenarten dieser Vögel in seiner ganzen Vielfalt beschrieben. Zur Familie der Rabenvögel gehören nicht nur die allseits bekannten Krähen und Raben, sondern auch die Elster, der Eichelhäher und der Tannenhäher, die Dohle und die Alpendohle. Die letzten drei Arten sind in der Schweiz geschützt, die andern sind jagdbar. Der Kolkrabe ist der grösste Rabe. Die Saatkrähe, die Rabenkrähe und die Nebelkrähe sind etwas kleiner.
Der Volksmund bezeichnet eher grosse Arten als Raben, während mit Krähen mittlere bis kleinere Arten gemeint sind. Nicht alle Arten sind in der ganzen Schweiz zu finden. Die Nebelkrähe beispielsweise brütet nur im Tessin. Die Alpendohle lebt – wie es ihr Name sagt – in den Alpen. Das Brutgebiet der Alpenkrähe ist auf die Walliser Alpen beschränkt; sie gilt als der seltenste einheimische Rabenvogel. Erstaunlich: Die Raben gehören zu den Singvögeln. Sie singen nur leise plaudernd oder geben meist schackernde oder krächzende Rufe von sich. Sie beweisen aber sprachliches Können auch durch das Imitieren von andern Stimmen und Geräuschen. Besonders ausgeprägt ist dies bei Kolkraben, die getrennt von Artgenossen gehalten werden. Sie imitieren beispielsweise gurrende Tauben, bellende Hunde oder Klingeltöne. Sie können auch oft gehörte Sätze wiedergeben.
So soll Kaiser Augustus einen Raben gehalten haben, der ihn am Morgen mit «ave Caesar victor imperator» begrüsst habe. Untersuchungen an Raben, Krähen, Hähern sowie Papageien haben gezeigt, dass diese zu intelligenten Leistungen fähig und damit Menschenaffen in dieser Hinsicht ebenbürtig sind. Nahezu alle Rabenvögel verstecken Nahrung, einige Häher sind geradezu Spezialisten. Sie sammeln und horten Nüsse oder Eicheln in riesigen Mengen.
Eingewandert
Spezielles gibt es auch zur Saatkrähe zu berichten: Sie war bei uns bis in die Achtzigerjahre ein seltener Brutvogel. 1979 wurden in Deutschland nach europäischen Vogelschutzrichtlinien alle Singvögel unter Schutz gestellt, also auch die Rabenvögel.
Bald darauf expandierten die Saatkrähen in die Schweiz und gründeten neue Kolonien in durch Ackerbau und Viehzucht geprägten Landschaften, aber auch mitten in Dörfern und Städten. Doch da machten sie sich bei den Anwohnern schon bald unbeliebt; diese klagten über Lärm und Verschmutzung und verlangten von den Behörden, die Vögel zu vertreiben. Mit verschiedenen Methoden hat man dies schon probiert, doch der Erfolg ist klein. Im Spiel Mensch gegen Saatkrähe scheinen die Vögel immer eine Schnabellänge voraus zu sein.
Zum negativen Bild der Raben und Krähen tragen ihre verschiedenen «Vergehen» bei. Schäden können sie beispielsweise bei Nutzpflanzen anrichten: sie picken Saatkörner, zupfen Keimlinge aus und fressen reifes Getreide. Gelegentlich holen Krähen (und Elstern) Eier und Jungvögel aus den Nestern kleiner Singvögel.
Neckische Spiele
Aber die Meinung, Rabenvögel würden andere Vogelarten bedrohen oder gar ausrotten, sei ein viel gehörtes Vorurteil, entbehre jedoch jeder Grundlage, schreibt der Autor der Raben-Broschüre. Andere «kriminelle Taten» wie das Aufreissen von Abfallsäcken am Strassenrand, das Schmeissen von Steinen auf Glasdächer und auch das Klauen von Kerzen auf Friedhöfen streitet der Autor ebenfalls nicht ab.
Eine erfreulichere Eigenschaft ist ihre Lust am Spielen. Am auffälligsten sind die Flugspiele. Kolkraben sind hervorragende Flieger und zeigen Luftakrobatik. Sie fliegen Loopings, machen Sturzflüge und Purzelbäume. Sie fliegen manchmal auch auf dem Rücken. Bei ihrer Ankunft am Schlafplatz vollführen Krähenschwärme in starken Winden oft lange Flugspiele, bevor sich die Vögel in den Bäumen zur Ruhe niederlassen. Fühlen sich Raben oder Krähen unbeobachtet, schlitteln sie auf Bauch oder Rücken einen Hang hinunter, schaukeln kopfüber eine Weile auf einem Ast und landen mit einem halben Salto auf einem tieferen Zweig. Manchmal necken sie auch Katzen und Hunde und lassen sich dabei immer nur beinahe fangen.
Farbliche Nuancen
Die Mitglieder der Rabenfamilie unterscheiden sich in der Färbung:
- Rabenkrähe: reinschwarzer Vogel mit glänzend schwarzem Gefieder.
- Nebelkrähe: hellgrau, mit schwarzen Flügeln und schwarzem Kopf.
- Saatkrähe: ähnlich gross wie die Raben- und Nebelkrähe. Ihr Gefieder ist einheitlich schwarz mit violettem Glanz. Ihr wichtigstes Kennzeichen ist die grauweisse Hautpartie am Schnabel.
- Kolkrabe: mit einer Körperlänge von 54 bis 67 Zentimeter und einer Flügelspannweite bis 150 Zentimeter der grösste Raben- und auch Singvogel Europas. Das Gefieder der erwachsenen Vögel ist einfarbig schwarz und verfügt über einen metallisch grünen oder blauvioletten Glanz. Auffällig ist die Krümmung des Oberschnabels nach unten.
- Dohle: auf den ersten Blick schwarz. Doch reflektieren ihre Federn das Licht in schillernden Farben. Hinterkopf, Nacken und Ohrdecken sind silbergrau. Schnabel und Schwanz sind kurz, dadurch wirkt die Dohle klein und kompakt.
- Alpendohle: trägt ein glänzend schwarzes Federkleid, von dem sich die roten Beine und der gelbe Schnabel deutlich abheben.
- Elster: schlanker Rabenvogel mit langem, dünnem Schwanz und dank typischer Schwarz-Weiss-Färbung unverwechselbar. bag
Von Berty Anliker