• Dr. med. Joram Ronel nach seinem Referat in der Klinik SGM Langenthal. · Bild: Hans Mathys

01.03.2019
Langenthal

«Leberwurst-Tag» planen – trotz Herzschmerz

Zu «Herzschmerz – Ursachen und Strategien» sprach in der Klinik SGM Psychosomatiker Dr. med. Joram Ronel von der Klinik Barmelweid (Kanton Aargau). Er erklärte den psychischen sowie körperlichen Herzschmerz und als Jux den Begriff «Leberwurst-Tag».

 

Dr. med. Albrecht Seiler, Chefarzt der Klinik SGM Langenthal, konnte zum aktuellen Vortrag rund 50 Interessierte begrüssen. Das Publikum wurde gleich einbezogen, indem es Sprichworte nennen sollte, in denen das Wort Herz vorkommt. «Etwas zu Herzen nehmen» und «Jemand hat mir das Herz gebrochen», lauteten die spontanen Reaktionen. «Ich bin Psychosomatiker», stellte sich Referent Dr. med. Joram Ronel in einer Kurzversion vor. Was er zudem ist, entnimmt man seiner Visitenkarte: Chefarzt und Leiter Departement Psychosomatische Medizin, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalyse, Gruppenanalyse und Facharzt für Innere Medizin. Der Referent projizierte gleich zu Beginn das Gemälde «An der Schwelle der Ewigkeit» auf die Leinwand, das der an Depressionen leidende Vincent van Gogh 1890, kurz vor seinem Tod, geschaffen hatte. Es zeigt einen älteren Mann, der – offenbar vor Verzweiflung – die Hände vor sein Gesicht hält. Ein Gemälde mit Tiefenwirkung.

Berühmtheiten mit Depressionen
«Depression ist ein Risikofaktor für die Entstehung und den Verlauf der koronaren Herzkrankheit», hielt Joram Ronel, 46-jährig und Vater zweier Kinder, fest. Die koronare Herzkrankheit ist eine der häufigsten Erkrankungen in der Herz-Kreislauf-Medizin. Die Depression ist weltweit eine der häufigsten Erkrankungen. In Japan sei das Vorkommen mit 3 Prozent relativ tief, in den USA mit bis zu 17 Prozent relativ hoch, wusste der Referent. Frauen seien doppelt so oft betroffen wie Männer. Die Dunkelziffer sei hoch. In Deutschland würden 10 Millionen Menschen bis zum Alter von 65 Jahren einmal im Leben unter einer Depression leiden. Depression entstehe durch Angst vor Tod, Krankheit, Schmerzen, Invalidität, sozialem Rückzug (Abstieg), sexuellen Problemen, Infragestellung des Selbstwertes oder des Selbstbildes.
Der Referent zählte berühmte Menschen mit Depressionen auf: Woody Allen, Ingmar Bergman, Winston Churchill, Prinzessin Diana, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Ernest Hemingway, Billy Joel, Hamid Karzai, Abraham Lincoln, Martin Luther, Michelangelo, Wolfgang Amadeus Mozart, Isaac Newton, Marc Twain, Amy Winehouse und Boris Jelzin. Eindrücklich war nun die Statistik mit kardiovaskulären Ereignissen, also Ereignissen, welche Herz und Gefässe betreffen.
Die Statistik zeigte aufgrund von markanten Ausschlägen die Anspannung in Deutschland während der Fussball-Weltmeisterschaft im eigenen Land im Jahr 2006 auf, wo der Pegel, der normalerweise zwischen 10 und 20 liegt, beim Viertelsfinal Deutschland gegen Argentinien und beim Halbfinal Deutschland gegen Italien auf 60 hochschnellte. Apropos «hochschnellen». Hochgeschnellt sei jeweils in der Halbzeitpause auch der Wasserverbrauch daheim bei der TV-Übertragung – des gleichzeitigen Urinierens wegen. «Eine Fussball-WM ist also nicht gut fürs Herz», folgerte der Referent mit Vermerk auf die Aufregung der Fans. Die Liebe zum Fussball könne dabei durchaus grösser sein, als jene zum Partner.

Streitende Kinder: Blutdruck hoch
Der Referent zeigte dem Publikum anhand einer Studie der Universität Bern auf, welches die Auswirkungen auf die Blutdruck-Werte einer Mutter sind, die sich über ihre streitenden Kinder ärgert. Der ansonsten normal bei 140 liegende obere Blutdruck erreichte hier eine Spitze von «historischen» 200. Für diese Studie der Uni Bern war übrigens der Langenthaler Arzt René Hefti zuständig, der Vorgänger von Albrecht Seiler als Chefarzt der Klinik SGM. Hefti war am Vortrag von Joram Ronel sogar anwesend und meldete sich bei der Präsentation der Massangabe des Blutdruckes mit dem Beispiel der Mutter mit streitenden Kindern kurz zu Wort.

Risikofaktoren für Herzinfarkte
Eine weitere Statistik zeigte die neun häufigsten Risikofaktoren der Herzinfarkte: Blutfette (49,2 Prozent), aktives Rauchen (35,7), psychosoziale Faktoren/Stress (32,5), Bauchumfang (20,1), kurzfristige Blutdruckerhöhung (17,9), nicht tägliches Essen von Obst und Gemüse (13,7), Bewegungsmangel (12,2), Diabetes (9,9), Alkoholkonsum (6,7). Das Herz sei ein zentrales Organ, der Herzinfarkt ein Ich-Infarkt.

Hoch lebe der «Leberwurst-Tag»
Trotz des eher freudlosen Themas «Herzschmerz» hatte Joram Ronel auch ein Müsterli zum Schmunzeln auf Lager. Er erzählte von der Arbeit in einer Gruppe, bei welcher eine junge Ärztin alle aufrief, sich gesund zu ernähren, Sport zu treiben, nicht zu rauchen und so weiter. Die Stimmung sei ob der vielen Gebote und Empfehlungen angespannt gewesen. Rund eine Woche später habe es die Gruppe geschafft, dass sich die schwarzen Wolken verzogen hätten, dass «Leichtigkeit in die Schwere» kam. Dies sei einem aufgestellten Teilnehmer zu verdanken gewesen, der bemerkt habe, dass er sich einmal wöchentlich einen «Leberwurst-Tag» gönne. An diesem Tag sei ihm, was das Essen betreffe, alles Wurst: «Einmal pro Woche ist mir meine Leber egal.» Die Gruppe sei sich zwar durchaus bewusst gewesen, dass man die Risikofaktoren ernst nehmen soll, aber die Sache mit dem «Leberwurst-Tag» habe doch für eine wohltuende Leichtigkeit zum an sich ernsten Thema geführt.
Der Referent fügte das verblüffende Ergebnis einer Studie über Depression in Zusammenhang mit Fettleibigkeit an, wonach es zwar die «glücklichen Dünnen» am besten haben, für die «glücklichen Dicken» aber die gleiche Prognose gelte. «Ich will dafür aber nicht Reklame machen», unterstrich der Referent sogleich.

Gelassenheit und Heiterkeit
Bei der abschliessenden Diskussion war auch von Liebeskummer, von Trennung und Verlust einer geliebten Person die Rede – mit Herzschmerz-Auswirkungen. «Das Schwere loslassen», «Gelassenheit ist wichtig», «Mein Rezept heisst Heiterkeit», «Leichtmütig werden, zum Beispiel mit Singen und Tanzen», waren einige der genannten «Geheimtipps» aus dem Publikum und vom gastgebenden SGM-Klinik-Chefarzt, ehe der Referent mit grossem Applaus verabschiedet wurde. Der nächste Dienstagvortrag in der Klinik SGM findet am 30. April statt. Thema «Häusliche Gewalt – was tun?».

Von Hans Mathys