• SBB Re 460 Refit anlässlich statischen Akustikmessungen zwischen Huttwil und Dürrenroth. · Bilder: Julian Brückel

  • Petra Hegi, Betriebsleiterin, und Simon Weiss, Geschäftsführer der Emmentalbahn GmbH. · Bilder: Liselotte Jost-Zürcher

06.03.2019
Emmental

«Léman Express» auf Emmentaler Schienen

Einst waren sie totgesprochen, die Bahnlinien Sumiswald-Grünen–Huttwil und Sumiswald-Grünen–Wasen. Dann haben sich ihnen Private, Vereine und schliesslich die Emmentalbahn GmbH angenommen. Heute ist die Strecke zwischen Sumiswald und Huttwil wieder am Strom – und wird als beliebte Teststrecke benützt. Gegenwärtig kursiert hier der «Léman Express», ein neuer S-Bahn-Zug der SBB, der schon bald Ortschaften in der Region Genf miteinander verbinden wird.

Weier · Stolz glänzt der nigelnagelneue «Léman Express» unter der Emmentaler Frühlingssonne. Seit kurzer Zeit kursiert er auf der Bahnlinie zwischen Sumiswald-Grünen und Huttwil, vornehmlich im Gebiet Weier, wo er zwischendurch am Bahnhof stationiert ist. Was hat den spiegelblanken «Romand», den FLIRT-Zug (RABe 522), ins Emmental geführt, noch bevor er dereinst durch die Waadt, durch Genf und über die Schweizergrenzen hinaus kursieren wird?
Laut Auskunft der Mediensprecherin des Herstellers Stadler Rail, Marina Winder, dauert die Montage eines FLIRT LEX aus der Produktfamilie der FLIRT, der wie der KISS ebenfalls in Serie produziert wird, zehn bis zwölf Wochen. Dazu kommen rund zehn Wochen Inbetriebsetzung. Der FLIRT beispielsweise wurde über 1700 Mal in 17 verschiedenen Ländern verkauft. Allerdings seien die sogenannten Anpasskonstruktionen für die einzelnen Kunden meistens relativ hoch.
Nun also testet Stadler Rail eine Komposition des eleganten «FLIRTS» auf der Emmentaler Strecke und verpasst ihm funktionsmässig den letzten Feinschliff. Hier, in der «Prärie», wo ursprünglich überhaupt keine Züge mehr hätten frequentieren sollen. Seit Jahren aber ist die Strecke wieder auf Vordermann, wird regelmässig unterhalten und den strengen geltenden Vorschriften angepasst.
Sie wird für Nostalgiefahrten, Extrafahrten, Dampffahrten, mehr und mehr aber auch für Testfahrten von Zügen und Baumaschinen sowie für Lärmmessungen benützt. Denn hier schränken höchstens sporadischer und auf das Wochenende konzentrierter regelmässiger öffentlicher Verkehr die Testfahrzeuge in ihrer «Bewegungsfreiheit» ein, und «fremde» Lärmquellen etwa von Kuhglocken usw. können wirkungsvoll ausgeschaltet werden, um Messungen möglichst wenig zu beeinflussen. Tests werden von Bahnunternehmungen, Gleisbaufirmen und anderen ausgeführt.

Es läuft viel – die GmbH ist froh
«In der letzten Zeit ist viel gelaufen», freut sich Simon Weiss, Geschäftsführer der Emmentalbahn GmbH. Das Testwesen sei buchstäblich in Fahrt gekommen: «Wir sind froh darum.» Die Betriebsleiterin Petra Hegi ergänzt: «Der Aufwand ist und war gross. Aber es hat sich gelohnt.» Um den Betrieb und die Infrastruktur aufrecht zu erhalten, seien nebst den Mitarbeitenden auch viele freiwillige Fachleute und «Zugbegeisterte» nötig. «Es ist uns gelungen, dieses Netz aufzubauen», so Simon Weiss. Jeweils die erste Testfahrt, um welche Art des Tests es sich immer auch handelt, wird von einem Fahrdienstleister der Emmentalbahn GmbH begleitet. Zuständig ist die Betriebsleiterin Petra Hegi. «Es macht Freude, einen Beitrag zum schweizerischen Gesamtsystem ‹Eisenbahn› zu leisten. Wir erachten dies als unseren Auftrag. In unserem kleinen Team ist es eine tolle Aufgabe, die ich gegen keine andere tauschen möchte», sagt sie gegenüber dem «UE».

Riesiges Engagement
Hinter der unteremmentalischen Eisenbahngeschichte steckt riesiges Engagement der ETB. Mitte Dezember 2013 übertrug der Bund der neu gegründeten Emmentalbahn GmbH (ETB) die Konzession für die Bahnstrecken Sumiswald-Grünen–Huttwil und Sumiswald-Grünen–Wasen. Auf beiden Strecken war der Personenverkehr seit Jahren eingestellt, auf der Achse Sumiswald–Huttwil fand längere Zeit überhaupt kein Zugsverkehr mehr statt. Die ETB übernahm die Verantwortung für den Bau und den Betrieb der beiden Strecken und besetzte die Ämter mit Fachleuten – eine Monsteraufgabe. Hinter den Kulissen erfolgten die Ausarbeitung und Unterzeichnung der Leistungsvereinbarung mit dem Bundesamt für Verkehr sowie die – rein rechtlichen – Schritte für die Streckenübertragung mit Anlagen und Infrastruktur der BLS an die Emmentalbahn GmbH. Erst nachdem die Leistungsvereinbarung mit dem Bundesamt für Verkehr (BAV) unterzeichnet und die Bundesbeiträge zugesichert waren, konnten die Arbeiten in Angriff genommen werden.
Ohne die vorhandene Nachfrage im Güterverkehr und weiteren Interessenten an den Strecken wäre es kaum möglich gewesen, die Finanzierung auf die Beine zu stellen – trotz freiwilligen Fachleuten, von denen auch heute noch zahlreiche tatkräftig mithelfen. In Rekordzeit wurde die Strecke Sumiswald-Grünen–Huttwil auf den slowUp Emmental-Oberaargau 2014 instandgesetzt. Rund ein Jahr später konnte auch der Fahrstrom wieder angeschlossen werden. «Das war seit Projektbeginn unser Wunsch», so Simon Weiss. Nur so konnte der «freie Netzzugang» gemäss Leistungsvereinbarung diskriminierungsfrei allen potentiellen Nutzern zur Verfügung gestellt werden.
Und Interessenten sind viele da. «Wir sind ein kleiner Betrieb, können schnell Entscheidungen treffen. Das kommt den Unternehmen entgegen.» Entsprechend einfach ist auch die Infrastruktur neben der Schiene. Noch wird die Strecke mit «Knöpfen» auf dem Schaltpult betrieben; noch werden Weichen von Hand gestellt; noch werden bei Grossanlässen Billette an den (stillgelegten) Bahnhöfen von Freiwilligen «gegen Münz» verkauft. «Vieles ist noch Handarbeit. Ich hoffe, dass das so bleibt», wünscht sich Petra Hegi. Das aber brauche in vielen Bereichen Fachleute, «denn der Betrieb und die Fahrsicherheit muss hundertprozentig gewährleistet sein.»
Immer wieder stehen nebst der Streckenbetreibung und dem -unterhalt neue Projekte bevor. Zurzeit sind es die Blinklichter, welche demnächst bei den unüberwachten Bahnübergängen montiert werden sollen – die «Andreaskreuze» entsprechen nicht mehr den Normen. Auch soll die gesamte Strecke Sumiswald-Wasen wieder dauerhaft befahrbar gemacht werden. Bis Burghof war diese stets in Betrieb; sie wird für den Cargo-Betrieb der RUWA benützt. Aktuell steht zudem die Übernahme eines Teils des Bahnhofs Sumiswald-Grünen durch die Emmentalbahn GmbH bevor. Dieser wird von den BLS saniert (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Im Sinne einer günstigen Gesamtlösung ist es vorgesehen, dass die ETB sämtliche Gleise ausser Gleis 1 übernimmt und unterhält. Diese werden bisher vor allem von der RUWA benützt.

Von Liselotte Jost-Zürcher