• Statt Präsenzunterricht dominiert jetzt Home-Schooling – Die Schulzentren der Region sind wie leergefegt (auf dem Bild das Kreuzfeld-Schulzentrum in Langenthal), die Schüler bleiben zu Hause. Das heisst aber nicht, dass der Lernaufträge entfällt. «Wir verlassen uns auch auf die Eltern, welche die Kinder beim Lernen unterstützen sollen», sagt Nathalie Scheibli, Rektorin der Langenthaler Volksschulzentren. Der «Unter-Emmentaler» hat nachgefragt, wie dies in Huttwil und Langenthal gelöst wird. · Bild: Walter Ryser

  • Frühlingsvorboten zum Trotz: Auf dem Pausenplatz des Schulzentrums Hofmatt tummeln sich keine Kinder mehr.

  • Weil das Klassenzimmer leer ist, wird nach anderen Lösungen gesucht: Ueli Lanz, Lehrer im Hardschulhaus, telefoniert mit seinen Schülern per WhatsApp. · Bilder: Leroy Ryser

20.03.2020
Region

Lernschwerpunkte sind zurzeit anders

Die Aussage «die Schule ist abgesagt» stimmt eigentlich nicht. Genau genommen ist einzig der Präsenzunterricht abgesagt, die Schüler müssen weiterhin mit Lernstoff versorgt werden. Doch wie wird dies sichergestellt? Und wie soll es weitergehen, wenn selbst nach den Frühlingsferien Ende April kein Ende der Corona-Krise in Sicht ist? Der «Unter-Emmentaler» hat bei den Rektorinnen der Volksschule Langenthal, Nathalie Scheibli, und Huttwil, Katharina Hasler, nachgefragt.

Region · Schulfrei – für die meisten schulpflichtigen Kinder zweifellos ein Grund, sich zu freuen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Der Lehrauftrag besteht weiterhin, verboten ist einzig der Präsenzunterricht worden. Oder anders gesagt: Statt Unterricht im Schulhaus ist nun «Homeschooling» gefragt. Beim Gymnasium Langenthal beispielsweise  wird kontrolliert, ob die Schüler auf der Lernplattform, auf der nun Aufträge erteilt werden, auch tatsächlich schon morgens online sind.
Derart gut ausgerüstet sind aber längst nicht alle Schulen, sagt Nathalie Scheibli, Rektorin über die Langenthaler Volksschulzentren und Kindergärten. «Auch in Australien kennt man aufgrund der weiten Distanzen das System, womit nun online doziert wird. Uns ist dies wegen fehlender Infrastruktur, Technik und Instruktion so schnell aber gar nicht möglich. Einerseits ist die Schule nicht dafür eingerichtet, andererseits müssten auch einzelne Familien mit entsprechenden Geräten aufgerüstet werden.»
Deshalb hat der Entscheid des Bundesrats auch die Langenthaler Schulen in einem ersten Moment vor grosse Herausforderungen gestellt. «Wir haben den Lehrern am Freitag sofort den Auftrag gegeben, abzuklären, ob alle Kinder betreut sind oder ob Eltern Bedarf nach Betreuung in der Schule haben. Am Montag dann haben wir organisiert, wie wir den Unterricht weiterführen wollen.»
So habe man auch sichergestellt, dass bereits am Montag ein Betreuungsangebot bis zu den Schulferien vorhanden ist. «Wenn beide Eltern berufstätig sind und keine Lösung haben, ohne Risikopersonen einzubeziehen, konnten sie sich in der Schule anmelden. Dieses Angebot wurde aber nur wenig genutzt», erklärt Nathalie Scheibli. Es sei offensichtlich, dass in dieser Krisensituation die Gesellschaft zusammenrücke, viele Eltern würden sich mit Nachbarn und anderen Eltern der gleichen Klasse organisieren, um die Betreuung sicherzustellen. «Von 260 Kindergartenkindern nutzten am Montag nur gerade fünf Kinder das offizielle Angebot der Schule.» Dabei sei indes die Betreuung von morgens bis abends sichergestellt, sollten einzelne Eltern darauf angewiesen sein.

Eltern werden in Pflicht genommen
Allgemein sei die Organisation glimpflich verlaufen, problematische Telefonanrufe von Eltern habe es bei den Schulleitungen keine gegeben. Die Betreuung ist aber nur ein Teil, der sichergestellt werden musste, der fortführende Unterricht wurde dann als zweiter Punkt organisiert. «Wir hatten am Montag noch eine Sitzung und haben über das weitere Vorgehen diskutiert. Organisiert wurde auch, dass die Kinder in den letzten Tagen gestaffelt ihr Material aus den Schulzimmern holen konnten, um zu Hause zu arbeiten», so Nathalie Scheibli weiter.
Danach wurde eine Internetseite aufgeschaltet, auf der nun jede Klasse einen Ordner findet, in dem Aufträge für die Schüler erteilt werden. «Wir verlassen uns hier auch auf die Eltern, die in den nächsten Tagen die Kinder beim Lernen begleiten. Schüler, die bereits lesen können und älter sind, sind auch selbst in die Pflicht genommen.» Daneben werde sichergestellt, dass man mit der Lehrperson ständig in Kontakt treten kann, um Fragen zu klären. Sei es einerseits per E-Mail oder auch per Telefonanruf. «Uns ist aber klar, dass nicht alle Eltern gleich gute Voraussetzungen mitbringen, um die Kinder zu unterstützen, wir gehen deshalb auch davon aus, dass Lücken entstehen», gibt Nathalie Scheibli derweil zu. Auch hier sei Solidarität und Akzeptanz gefragt. «In dieser Situation lernen Kinder vielleicht andere wichtige Dinge, die sie auf ihrem Lebensweg weiterbringen. Meinem Sohn habe ich beispielsweise gesagt, dass er bis zu den Frühlingsferien einen Auftrag hat: Er soll bis dann Poulet-Curry-Reis, sein Lieblingsgericht, kochen können.» Genauso hätten alle Eltern ihre eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten, die sie nun ihren Kindern weitergeben könnten. Jene Schüler, die auf das nächste Schuljahr eine Lehrstelle antreten, könnten auch in ihren künftigen Betrieben nachfragen, ob Hilfe nötig sei, so ein weiterer Vorschlag von Nathalie Scheibli.

Notfallszenario wird vorbereitet
Ausserdem will man sich in den nächsten Tagen auch darauf vorbereiten, dass der Ausfall des Präsenzunterrichts über die Frühlingsferien hinaus andauern könnte. Ideen und Angebote, wie die Schule weitergeführt würde, gibt es bereits zahlreiche.
«Ich habe diverse Hinweise auf Plattformen und Möglichkeiten per E-Mail erhalten. Auch das SRF hat ein umfassendes Angebot bereitgestellt, welches wir nutzen könnten. Hier werden wir die Möglichkeiten analysieren und ein Notfallszenario für diesen Fall vorbereiten», so die Langenthaler Schulrektorin. Wird hingegen die Schule nach den Frühlingsferien wieder aufgenommen, seien dann die Lehrer gefordert. Einerseits in der Stoffkontrolle, andererseits in der gewohnten Fortsetzung des Unterrichts nach dieser längeren Pause bis Mitte April.
Noch wichtiger als die Stoffvermittlung sei für sie jedoch, dass Kinder möglichst bald wieder soziale Kontakte pflegen können.
Ähnlich organisiert hat sich auch die Schule Huttwil, die auch auf der Internetseite bekannt gibt, dass die Schule frühestens nach den Frühlingsferien wiederaufgenommen wird. Für Kindergartenkinder ist dies der 26. April, für Schüler der ersten bis zur neunten Klasse ist dies der 4. April. «Eigentlich weiss ich gar nicht so recht, wie diese Situation anzunehmen ist. Im aktuellen Moment funktioniert man, es geht einfach irgendwie. Aber der Aufwand ist gross, die Sitzungen zahlreich und weil diese Herausforderungen so noch nie dagewesen sind, gibt es viel zu organisieren», kommentiert Katharina Hasler als Gesamtschulleiterin.
Alles in allem habe es gut geklappt, weil man früh und klar informieren konnte. «Es ist ein Problem, welches wir hier noch nicht wirklich greifen können. Wir wissen, die Lage ist ernst, so richtig greifbar einschätzen lässt sich das aber nicht.» Auch dies mache die Begebenheit derzeit sehr speziell, auch für die Schulen in Huttwil.

Schüler sind gefordert
Am Dienstag wurden dann erste Aufträge noch von den Lehrern überbracht und in den Briefkästen der Schüler deponiert, danach wurden weitere per E-Mail oder Natel übermittelt. Dazu gehören in einem späteren Moment auch Lösungen zur Selbstkontrolle, entsprechend sind die Schüler gefordert, zu lernen und nicht zu schummeln. «Wir haben uns zuerst überlegt, ob wir die Kontrolle von Lehrpersonen durchführen wollen. Die Schüler hätten dann aber ihr Material abgeben und neues abholen müssen – und diesen Kontakt aufgrund des Materialaustausches wollten wir verhindern.» Zwar seien die Schüler nun tatsächlich gefordert, dies aber nicht weil man die Selbstverantwortung in der aktuellen Situation explizit fordern wollte, sondern weil man die Vorschriften befolgen will.
«Natürlich werden die Klassenlehrpersonen für Fragen und Probleme aber weiterhin auf den üblichen Wegen zur Verfügung stehen», so Katharina Hasler weiter. Ebenfalls installiert wurde
ein Betreuungsangebot, welches ab Dienstag den Eltern freistand, im Internet wird aber eindeutig darauf hingewiesen, dass dieses nur in Notfällen genutzt werden soll. «Da der Schulunterricht verboten ist, darf auch die Betreuung nicht zu einer Ansammlung von Kindern führen. Deshalb kann diese Betreuung nur im Notfall gewährleistet werden», steht auf der Website geschrieben, die Schulleitung würde sich vorbehalten, im Zweifelsfall nachzufragen.
Soweit kam es aber gar nicht erst, weil dieses Angebot nur spärlich genutzt wurde. «Wir haben eine schwierige, grosse Organisation erwartet, letztlich gab es aber nur wenige Familien, welche dieses Angebot tatsächlich wahrnehmen wollten.» Sowieso seien die Arbeitsaufträge übers Wochenende zahlreich gewesen, dieser Arbeitseffort habe sich aber gelohnt, weil das Resultat gut sei und alles wie gewünscht klappte.

Von Leroy Ryser