Leu und Ryser kämpfen um das Präsidium
Erstmals finden in Affoltern die Gemeinderatswahlen wegen Corona an der Urne statt. Für die fünf Sitze stehen gesamthaft sieben Kandidaten zur Wahl. Mit von der Partie sind auch die beiden bisherigen Gemeinderäte Roland Ryser und Beat Leu. Sie wollen nicht nur erneut im Gemeinderat Einsitz nehmen, sondern kandidieren auch für das Präsidentenamt. Im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» verraten sie, wofür sie sich in den nächsten vier Jahren einsetzen möchten.
Marion Heiniger im Gespräch mit Beat Leu und Roland Ryser, die beide für das Gemeindepräsidium Affoltern kandidieren.
Wenn Sie einen Wahlslogan hätten, wie würde dieser lauten?
Roland Ryser: Von Affoltern, durch Affoltern, für Affoltern. Die Bürger sollen miteinbezogen werden, Arbeiten sollen durch Affolterer erledigt werden können und es soll ein Nutzen für die ganze Gemeinde sein.
Beat Leu: Gemeinsam an der Zukunft von unserem schönen Affoltern bauen.
Für welches Schwerpunktthema möchten Sie sich in den nächsten vier Jahren einsetzen?
Ryser: Mir ist es sehr wichtig, dass wir im Team eine gute Zusammenarbeit haben. Das Zusammenspiel zwischen der Verwaltung, dem Gemeinderat und den Kommissionen muss funktionieren. Hierbei muss der Gemeindepräsident klar führen. Ebenso wichtig ist ein gutes Gefüge innerhalb des Gemeinderates, und dass man zwischen privater Meinung und demokratischen Entscheiden des Rates unterscheiden kann. Deshalb sind Gespräche ausserhalb des Ratstisches, am sogenannten runden Tisch, wo kein Protokoll geschrieben wird, wichtig.
Leu: Aus meiner Sicht gibt es zwei, drei Schwerpunktthemen, welche den Gemeinderat in den nächsten vier Jahren beschäftigen werden. Einerseits geht es darum, im Jahr 2021 das Organisationsreglement zu überarbeiten und unserer Gemeinde eine neue, zeitgerechte Verfassung zu geben. Andererseits müssen wir uns vertieft mit unseren Finanzen befassen und insbesondere auch den Finanzplan hinterfragen und überarbeiten. Es geht hier vor allem darum, die finanziellen Ressourcen sinnvoll einzusetzen, damit die nötigen Investitionen gestemmt werden können und die Eigenkapitalbasis mindestens auf vier bis fünf Steuerzehntel verbleibt.
Ein weiteres Thema dürfte sicher auch die Weiterentwicklung des Areals des Emmentalerhofes sein. Hier sind verschiedene Projekte möglich, welche in Richtung «Ansiedelung Gewerbe» gehen könnten. Im Februar 2021 planen wir die Eröffnung des «Löie-Bistro», welches der Dorfbevölkerung ermöglichen soll, sich wieder in einer Gaststätte, sei es nach Trainings, Musikproben oder Sitzungen, aber auch sonst, zu treffen und den Gedankenaustausch zu pflegen.
Welche Ziele sollten in der nächsten Legislatur sonst noch verfolgen werden?
Ryser: Kurzfristig sollte man die Finanzen besser in den Griff bekommen. Im neu zusammengesetzten Gemeinderat muss der Fokus auf der Rechnung 2021 liegen. Diese muss besser als budgetiert abschliessen. Ein Budget mit über 300 000 Franken Verlust ist nicht tragbar. Das Gleiche gilt für das Budget 2022. Was dabei ebenfalls sehr wichtig ist, ist eine kurz- und mittelfristige Strategie, beispielsweise bei den gemeindeeigenen Liegenschaften und den Strassen.
Die Strategie muss in allen Kommissionen vorhanden sein, damit der Finanzplan optimal ausgearbeitet werden kann. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden ist ein wichtiger Punkt. Netzwerk ausbauen, aktiv dabei sein, Fühler ausstrecken, Themen anschneiden und Ideenanstösse sind hier wichtige Aspekte. Ein weiterer Punkt ist die langfristige Strategie. Wo soll Affoltern in ein paar Jahren stehen. Ich bin nicht für einen Alleingang, sondern für eine Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.
Leu: Wir müssen weiterhin versuchen, die Attraktivität unserer Gemeinde zu steigern. Eine bessere Anbindung an den ÖV dürfte hier im Vordergrund stehen. Auch das Thema «Tourismus» müsste in den nächsten Jahren etwas vertiefter bearbeitet und mit Hilfe der Regionalkonferenz Emmental angegangen werden.
Neben den Veränderungen, was soll in Affoltern denn so bleiben, wie es ist?
Ryser: Das Gefüge mit den Kommissionen und den Leuten, die sich in unserer Gemeinde engagieren, möchte ich gerne beibehalten. Wichtig ist mir auch, dass die Schule bis zur Mittelstufe im Dorf bleibt. Da bei uns nur noch die Realschüler im Schulhaus sind und die Sekundarschüler ans Oberstufenzentrum in Rüegsauschachen gehen, können wir den Kindern nicht mehr das bieten, was wir bieten sollten. Das kurzfristige Wechseln innerhalb eines Schulfaches vom Real- zum Sekundar-Niveau ist bei uns nicht möglich. Die Schüler würde es weiterbringen, wenn die gesamte Oberstufe beispielsweise in Rüegsauschachen oder Sumiswald untergebracht wäre.
Leu: Affoltern soll auch in den nächsten vier Jahren ein schönes Emmentaler Dorf und dank der Schaukäserei über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt bleiben, aber seinen Charme behalten. Es bleibt weiter zu hoffen, dass die Bewohner sich weiterhin auch aktiv am Dorfgeschehen beteiligen und insbesondere dann auch das im Februar 2021 neu eröffnete «Löie-Bistro» frequentieren und so die Sozialkontakte pflegen und vertiefen können.
Affoltern hat, wie viele andere kleinere Gemeinden, wenig Zuzüger. Wo sehen Sie in dieser Hinsicht Affoltern in der Zukunft?
Ryser: Rein neubautechnisch sind wir mit den Bauplätzen etwas eingeschränkt, doch Umbauten sind noch viele möglich. Um für Neuzuzüger attraktiv zu sein, würde ich bei den Gebühren ansetzten. Wir haben einen sehr grossen Gebührenwald, der die Verwaltung, den Gemeinderat und die Kommissionen enorm fordert. Das würde ich gerne vereinfachen. Es geht heute nicht mehr unbedingt darum, wie hoch die Steuern sind, sondern für die Leute ist es fast wichtiger zu wissen, wie hoch die Gebühren in einer Gemeinde sind. Das könnte ein Anreiz werden, in Affoltern zu wohnen.
Leu: Zurzeit darf die Bautätigkeit vorab im Wohnungsbau durchaus als rege bezeichnet werden. Sowohl im Dorf Affoltern selber (Quartier Tannli) entstehen zurzeit Wohnungen, aber auch im Weier sind bereits Wohnungen und Einfamilienhäuser fertig erstellt, die kurz- bis mittelfristig wieder neue Bewohnerinnen in unser schönes Dorf bringen werden. Sicher wäre es auch wünschenswert, neue Gewerbebetriebe bei uns anzusiedeln und damit auch neue Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zu schaffen. Sicherlich wird hier auch das Areal «Emmentalerhof» eine gewisse Rolle spielen, ist hier doch eine gemischte Nutzung für Gewerbe und Wohnen vorgesehen.
Kommt durch die Reduzierung des Gemeinderates auf die Gemeindeverwaltung und die Gemeinderäte mehr Arbeit hinzu?
Ryser: Es wird nicht mehr Arbeit auf die Verwaltung und die Gemeinderäte zukommen. Ein gutes Beispiel sind die Baugesuche. Hier ist eine Person auf der Verwaltung zuständig, die alles abklärt, vorbereitet und den Mitgliedern der Kommission erläutert. Danach geht es an die Aussenstellen wie Statthalteramt, Heimatschutz, Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) oder Denkmalpflege. Die Arbeit wird hier nicht plötzlich mehr, wenn nur noch fünf anstatt sieben im Gemeinderat sitzen. Ein anderes Beispiel ist das Ressort Soziales. Dort gibt es, abgesehen vom Verbandsrat, für den Gemeinderat und die Verwaltung gar nichts mehr zu tun.
Leu: Ich gehe davon aus, dass das nächste Jahr sicherlich für den gesamten Gemeinderat einen gewissen Mehraufwand bringen wird. Dies vorab wegen der Überarbeitung des Organisationsreglementes. Gleichzeitig wird jedem Gemeinderatsmitglied ein Ressort mit einer Kommission zugeteilt werden, das war bisher nicht so. Im Rahmen der Überarbeitung des Organisationsreglementes werden wir auch versuchen, die fünf Ressorts so auszugestalten, dass für jedes Gemeinderatsmitglied der Arbeitsaufwand in etwa gleich hoch ausfallen wird. Ob und wie uns das gelingt, wird sich im Verlaufe des nächsten Jahres zeigen. Jedenfalls sind bereits relativ klare Vorstellungen vorhanden, wie die Organisation auf Stufe Gemeinderat dereinst aussehen soll.
Da der Gemeinderat reduziert wird, werden wahrscheinlich auch die Ressorts neu verteilt. Welches Ressort, neben dem Präsidialressort, wäre Ihr Wunsch?
Ryser: Ich bin der Meinung, dass der Gemeindepräsident kein Ressort haben sollte. Er sollte für das Personelle, die Finanzen, die Baugesuche und natürlich für die Kommunikation zuständig sein. Wenn man sich gut organisiert, ist das absolut machbar.
Leu: Obschon meine Wahl zum Gemeinderatspräsidenten sehr unwahrscheinlich und leider auch meine Wiederwahl in den Gemeinderat unsicher ist, erlaube ich mir, mein Wunschressort als Gemeinderat zu nennen.
Hier würde ich mir den Bereich «Bau und Liegenschaften» wünschen, denn mein bisheriges Ressort, die Finanzen, gehen klar an den Gemeinderatspräsidenten. Nach erfolgtem «Umbau» des Organisationsreglements könnte das Ressort in «Infrastruktur» umbenannt und allenfalls mit der Wasserversorgung und -entsorgung ergänzt werden. Diese Annahme basiert aber auf Szenarien, welche noch nicht festgelegt sind und auf Erkenntnissen einer Klausursitzung beruhen.
Wo sehen Sie Ihre Stärken als Gemeindepräsident?
Ryser: Eine meiner Stärken ist, dass ich die Gemeinde kenne. Geografisch so wie auch die meisten Menschen. Ich kann gut zuhören und überlege mir die Antworten auf Fragen genau. Zudem habe ich die Fähigkeit, Leute zu motivieren. Ich möchte der Bevölkerung vorleben, dass man etwas unternehmen kann, um die Gemeinde vorwärts zu bringen, und nicht einfach nur davon zu sprechen.
Leu: Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeiten verfüge ich über Führungserfahrung, Verhandlungsgeschick und eine unternehmerische Grundhaltung. Alle diese drei Eigenschaften sind für dieses Amt wichtig. Eine rasche Auffassungsgabe ist ebenfalls nützlich. Und sicher wird auch das offene Ohr für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger von Affoltern, aber auch der Mitarbeitenden der Gemeinde wichtig sein.
Ich bin auch überzeugt, dass eine Teamfähigkeit Voraussetzung ist, dass die anstehenden Herausforderungen im künftigen Gemeinderat zielgerichtet und kollegial zum Wohle der Bevölkerung und unserer Gemeinde gemeistert werden können.