• Auch im Kanton Bern gilt an den Schulen seit gestern Montag ab der erste Klasse Maskenpflicht. Der Widerstand entpuppte sich als Sturm im Wasserglas. · Bild: Keystone

  • In Huttwil (hier das Schulhaus in Nyffel) wehren sich einige Eltern vehement gegen die Einführung der Maskentragpflicht ab der 1. Klasse. · Bild: Marion Heiniger

  • Huttwils Gesamtschulleiter Pierre Zesiger sieht sich in der Pflicht, alle bestmöglich vor einer Ansteckung zu schützen. · Bild: Thomas Peter

  • An der Schule in Affoltern ist der Umgangston von Respekt und Anstand geprägt. · Bild: Marion Heiniger

  • An der Schule in Eriswil ist man froh, dass es Eltern gibt, welche die Umsetzung der kantonalen Vorgaben unterstützen. · Bild: Marion Heiniger

  • Die Sumiswalder Schulen empfehlen, pro Halbtag eine Sequenz im Freien abzuhalten. · Archivbild: Thomas Peter

10.01.2022
Emmental

Maskenpflicht: «Wir alle wollen gesund bleiben»

Seit gestern ist im Kanton Bern wieder Leben in die Schulen eingekehrt. Nach den um eine Woche verlängerten Weihnachtsferien starteten die Schülerinnen und Schüler gestern Montag wieder in den Schulalltag. Doch die aktuelle Virusvariante Omikron breitet sich auch in der Schweiz

rasend schnell unter der Bevölkerung aus. Der Kanton reagierte mit neuen Massnahmen, doch die Maskentragpflicht ab der 1. Klasse sorgte im Vorfeld für ordentlichen Zündstoff in den Dörfern. Der Ton wird rauer.

 

Oberaargau / Emmental · Manche Kinder zupfen an der meist blauen Maske noch etwas unbeholfen herum. Sie fühlen sich unsicher. Andere tragen sie mit Stolz, denn nun gehören auch sie zu den «Grossen». «Es ist ein bisschen blöd, wegen dem Atmen», sagt ein Erstklässler aus Eriswil. Auch findet er es doof, dass man nicht mehr das ganze Gesicht sehen kann. Seine etwas ältere Schwester erklärt: «Das machen wir halt jetzt einfach, die Welt fällt wegen dem nicht um.» Für die Schülerinnen und Schüler ab der fünften Klasse hingegen ist es nichts Neues, sie sind sich das Stück Stoff im Gesicht bereits gewohnt. «Manchmal merke ich gar nicht mehr, dass ich die Maske trage», erzählt eine Schülerin aus der 8. Klasse in Huttwil. Ein Schüler der Abschlussklasse zuckt mit den Schultern: «Es muss halt sein, aber gerne trage ich die Maske nicht.»

Eine Minderheit wehrt sich
In Huttwil hatten sich im Vorfeld einige Eltern vehement gegen die Einführung der Maskentragpflicht ab der 1. Klasse gewehrt. In verschiedenen Mails und Telefongesprächen stellten sie in Aussicht, dass sie am ersten Schultag mit ihren Kindern zur Schule kommen werden, gab Gesamtschulleiter Pierre Zesiger im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» vergangene Woche bekannt.
Diese Eltern erwarteten denn auch, dass die Schule sich nun gegen den jüngsten Entscheid des Kantons stellen sollte. «Es ist unsere Pflicht, die Kinder und Jugendlichen wie auch die Lehrpersonen und Mitarbeitenden bestmöglich vor einer Ansteckung zu schützen, deshalb werden wir die Vorgaben des Kantons nach bestem Wissen und Gewissen umsetzen», hält Pierre Zesiger ganz klar fest. Damit diese Minderheit der Eltern nicht zu stark in den Vordergrund rücken kann, wünscht sich der Gesamtschulleiter, dass sich auch diejenigen Eltern bei ihm melden würden, welche bisher die Corona-Massnahmen diskussionslos hingenommen haben. «So könnten wir klar erkennen, dass die Mehrheit der Eltern unsere Entscheidungen mittragen.»
Um die neusten Massnahmen so erträglich wie möglich zu machen, wird in Huttwil empfohlen, während des Unterrichts mehrmals am Tag ohne Maske ins Freie zu gehen. «Damit können wir auch unser Jahresziel ‹Ausserschulische Lernorte› im Zyklus 1 bis 2 erfüllen», erklärt Pierre Zesiger. (Anmerkung der Redaktion: Zyklus 1 bis 2 ist vom Kindergarten bis zur 6. Klasse.) Auch empfehlen die Schulleiter für den Sportunterricht Bewegung im Freien anstelle von Sport in der Turnhalle. «Das Wichtigste ist, dass trotz Maskentragpflicht das Wohlergehen und die Freude der Schülerinnen und Schüler nicht zu kurz kommen», betont Pierre Zesiger. Zudem werden in Huttwil in den ersten Wochen ab Schulbeginn wieder repetitive Corona-Tests durchgeführt, sofern der Kanton diese auch zu leisten vermag.
Danach will man wieder zum Ausbruchstesten zurückkehren. In dieser Zeitspanne sind die repetitiven Spucktests für alle Schülerinnen und Schüler sowie für alle Lehrpersonen und Mitarbeitenden obligatorisch. «Wir alle wollen gesund bleiben und deswegen auch diejenigen Kinder erfassen können, welche symptomlos sind», so der Gesamtschulleiter.

Eltern bieten Hilfe an
«Wir befinden uns in einer schwierigen Situation, die eigentlich niemand will», sagt die Eriswiler Schulleiterin Barbara Rentsch. Die Schule hat ebenfalls auf die neuste Weisung des Kantons Bern reagiert und hält nun den Sportunterricht, wann immer möglich, draussen ab, damit die Schülerinnen und Schüler die Maske zwischendurch ausziehen können. «Auf der Unterstufe werden sicher zu der grossen Pause auch die kleinen Pausen genutzt, um nach draussen zu gehen. Auch werden Lehrpersonen, wenn dies thematisch möglich ist, bei den Unterstufenschülerinnen und -schülern Unterrichtssequenzen draussen organisieren», erklärt die Schulleiterin. Bereits am 23. Dezember 2021 hatte die Schulleiterin die Eltern per E-Mail über die bevorstehende Maskentragpflicht ab der 1. Klasse informiert. Seither hat sie einige Mails von besorgten Müttern und Vätern beantwortet. Der Ton wurde unterdessen etwas rauer, doch: «Die Eltern sind sich bewusst, dass die Entscheidung und Vorgabe zur Maskenpflicht beim Kanton liegen. Einige Eltern haben sich Alternativen überlegt und würden auch bei der Umsetzung mitanpacken.» Barbara Rentsch beobachtet zunehmende Zweifel, Frust und Ängste, was sie in der momentanen Situation durchaus nachvollziehen kann. Sie ist dankbar für all die Eltern, die ihr Kind bei der Umsetzung der Vorgabe unterstützen und bestärken und damit mithelfen, die grosse Herausforderung zu meistern.

Stimmung ist aufgeladen
Den etwas raueren Ton kann auch Martin Kästli, Gesamtschulleiter der Schulen Sumiswald, bestätigen. «Es ist eine Stimmung spürbar, die teilweise aufgeladen ist, das ist wohl darauf zurückzuführen, dass alle langsam, aber sicher genug von der Pandemie haben.» Bisher sei es aber immer noch gelungen, zusammen zu sprechen, auch wenn die Meinungen unterschiedlich waren und nicht immer ein Kompromiss gefunden werden konnte. Konfrontiert wird der Gesamtschulleiter mit Ängsten von Eltern, die befürchten, dass ihre Kinder durch das Tragen der Maske zu wenig Sauerstoff erhalten und dadurch gesundheitliche Schäden davontragen könnten. Auch führt die Schule Sumiswald vereinzelt Gespräche mit Eltern, welche ihre Kinder unter diesen Umständen nicht mehr in die Schule schicken möchten. Um die jüngste Massnahme erträglicher zu gestalten, werden die Lehrkräfte ermutigt, kreativ zu sein. «Die Kinder sollen in der Schule eine Leichtigkeit spüren und merken, dass aussergewöhnliche Situationen durchaus aussergewöhnlich gehandhabt werden dürfen. Wenn das, was man tut, ‹fägt›, vergisst man, dass alles etwas anders ist», vertritt Martin Kästli die Meinung.
So empfiehlt die Schulleitung den Lehrpersonen derjenigen Klassen, welche nun neu Masken tragen müssen, pro Halbtag eine Sequenz einzubauen, die draussen stattfindet. Damit nicht hinter der Maske gesungen werden muss, kann sich Martin Kästli auch Singunterricht im Wald vorstellen. Einige Eltern haben bereits Unterstützung angeboten. «Ich hoffe, dass es uns gelingt, die besondere Situation so zu nutzen, dass daraus etwas Besonderes entstehen kann. Wir müssen die Situation als Chance und nicht als Bedrohung sehen», erklärt Martin Kästli.

Respektvoller Umgangston
Eltern, welche den Fernunterricht dem Präsenzunterricht vorziehen würden, finden sich auch in Affoltern. «Diese Möglichkeit können wir allerdings nicht anbieten. Einerseits liegt der Entscheid nicht im Zuständigkeitsbereich der Schulleitungen und Gemeindebehörden, auf der anderen Seite ist ein gleichzeitiges Durchführen von Präsenzunterricht und Fernunterricht für die Lehrpersonen langfristig nicht leistbar», erklärt hierzu Schulleiter Beat Kneubühler. Es freut ihn hingegen, dass Eltern und Lehrkräfte in Affoltern Verständnis für die Situation des anderen zeigen können, auch wenn die Meinungen auseinandergehen. «Der Umgangston ist geprägt von Respekt und Anstand», erklärt Beat Kneubühler. Er wurde deshalb auch nur von einem sehr kleinen Teil der Eltern auf die Maskentragpflicht ab der 1. Klasse angesprochen. Dass sich nicht nur im Gebiet  des «Unter-Emmentalers» Eltern durch die Maskentragpflicht um ihre Kinder sorgen, zeigt eine Online-Petition, welche letzte Woche einem Vertreter des Kantons Bern übergeben wurde. 12 000 Personen hatten die Bittschrift unterzeichnet.

Von Marion Heiniger