Mehr als nur Buchstabenschreiben
In der Huttwiler Bibliothek sind derzeit viele Kunstwerke der Kalligrafin Susann Graf ausgestellt. Die Bilder laden noch bis Ende Jahr zum Beobachten und Staunen ein.
Zu einer Zeit, als die digitalisierte Welt noch in weiter Ferne lag, als es weder Telefon noch Computer gab, da wurde noch von Hand geschrieben, und das nicht zu knapp.
Doch mit der Digitalisierung geriet die analoge Schrift ins Hintertreffen. Ja, heute schreiben die meisten von uns nur noch Weihnachts-, Geburtstags- oder andere Glückwunschkarten sowie Trauerkarten von Hand. Manch einer ertappt sich dann dabei, wie die Hand nach wenigen Zeilen schmerzt: Da wir gewöhnlich via Tastatur auf dem Computer oder dem Handy kommunizieren, verlernen wir das Schreiben zusehends. Trotzdem – oder vielmehr gerade deswegen – liegt die Kalligrafie wieder vermehrt im Trend.
Was sie anpackt, wird zum Kunsthandwerk
Die Faszination für die Schrift hat sich bei der in Trimbach aufgewachsenen Susann Graf schon früh gezeigt. Sie erinnert sich, dass sie im «Stadtanzeiger» die in Frakturschrift gehaltenen Buchstaben sorgfältig ausgeschnitten hat und diese in ein Heft klebte. Die Bilder von ihr wirken lebendig und animieren zum Überlegen. In ihren Kunstwerken versucht sie, die Probleme auf dieser Welt zum Ausdruck zu bringen.
Alles, so scheint es, muss mit irgendeiner Lebensweisheit, einem Gruss oder einer Aufschrift beschriftet sein. Doch ganz so einfach wies aussieht, ist die Kunst der geschwungenen Schrift nicht. «Die Schwierigkeit des Handwerks liegt am Buchstaben selbst. Jeder ist sehr individuell zusammengesetzt», erzählt Susann Graf. Da gibt es laut der Expertin nur eine Lösung: «Üben, Üben und nochmals Üben. «Bei der Kalligrafie gibt es immer nur eine Chance, und es wäre dumm, diese nicht zu nutzen.» Die Kunstwerke von Susann Graf sind seit letztem Januar in der Bibliothek ausgestellt und zaubern den Bibliotheksbesucherinnen und Bibliotheksbesuchern noch bis Ende Jahr ein Lächeln ins Gesicht.
Kalligrafie bedeutet mehr als nur Buchstabenschreiben
In der abendländischen Kultur nahm die Kalligrafie im Mittelalter eine bedeutende Rolle ein, da durch sie Literatur festgehalten und übermittelt werden konnte. Lange Zeit war sie aber nur Mönchen und Gelehrten vorbehalten – bis auch die Mehrheit der Bevölkerung das Schreiben lernte. In der asiatischen und islamischen Schriftkultur war die Kalligrafie schon immer bedeutend – sie gilt seit jeher als inspirierend und meditativ. Und genau das stellt man fest, wenn man selbst die Feder schwingt: Man vergisst die Sorgen des Alltags, konzen-triert sich auf sein Kunstwerk und sich selbst und kommt dabei zur Ruhe. Was will man mehr als etwas Entschleunigung in Zeiten der Digitalisierung und Schnelllebigkeit?
Die Kunstwerke von Susann Graf haben bewusst keine Namen. Sie will, dass die Betrachterinnen und Betrachter das Bild selbst Anschauen und sich darüber Gedanken machen. «Wenn das Bild einen Namen hat, suchen sie im Bild nach diesem.» Die Kunstwerke der Huttwilerin haben bereits den Weg über den Ozean gefunden. So ist ein Bild in Besitz vom Schweizer Sänger Patrick Nuo, der seit längerem in Los Angeles lebt und einen Teil seiner Kindheit in Luthern verbrachte.
Viel mehr als nur Bücher
Die Bibliotheksleiterin Franziska Heiniger ist stolz, die Kunstwerke von Susann Graf in der Bibliothek ausstellen zu dürfen. «In der Bibliothek geht es um mehr als nur um Bücher, da gehört auch das Zusammensein, Plaudern und der Austausch von Wissen hinzu», stellt sie fest. Bibliotheken spielen für den Erhalt und die Vermittlung von Wissen und Kultur eine zentrale Rolle. Franziska Heiniger ist seit zwei Jahren Bibliotheksleiterin und hat das Amt von Margrit Jäggi übernommen. Vorher war sie als Musikalienhändlerin in Bern und Zürich und später im Musikaliengrosshandel in Bülach tätig.
Das physische Buch stagniert
Die Bibliothek Huttwil hat in letzter Zeit viel in die Digitalisierung investiert. Mit einer Homepage, einem Facebook-Account und Instagram will man gerade auch die jüngere Generation ansprechen und zum Lesen animieren. Auch mit neuen Anlässen soll dieses Ziel erreicht werden.
Denn das physische Buch stagniert und die Ausleihzahlen gehen leicht zurück. Dafür steigt der Konsum des «E-Books». Diese werden aber durch die Regionalbibliothek Langenthal ausgeliehen, die über 15 000 Bücher in digitaler Form besitzt.
Jährlich 10 Prozent aussortiert
Jeweils gegen Ende des Jahres werden in der Huttwiler Bibliothek rund 10% der Bücher aussortiert und durch Neuheiten ersetzt. Die Zeit, als sich die meisten Menschen Bücher nicht leisten konnten und deswegen in die Bibliothek gingen, ist vorbei.
Die Bibliotheken haben heute einen breiteren Auftrag: die ausserschulische Leseförderung. «Denn ohne Lesen, ohne Sprache kommt man in der heutigen Gesellschaft nicht weit», so Franziska Heiniger.
Gut zu wissen: Lesungen/BiblioWerkstatt 2020 (Erwachsene)
11. Januar, Büchercafé: Lesebegeisterte Nutzerinnen und Nutzer stellen ihr aktuelles Lieblingsbuch vor; 25. März, HV Bibliotheksverein, im Anschluss Lesung mit Tabea Steiner (Ca. 20.15 Uhr, öffentlich); 1. April, BiblioWerkstatt: Osterdeko herstellen mit Diana Meyer; 5. Mai, BiblioWerkstatt: Power Yoga mit Nicole (Zusammenarbeit mit Tanzpasion); 27. Mai, Schweizer Vorlesetag (bei Mode Niederhauser AG): Lesung mit Daniela Schwegler; 2. September BiblioWerkstatt: Pilzkunde mit Daniela Ait Salem; 23. Oktober, Gourmet-Lesung mit Benedikt Meyer (Zusammenarbeit Bären Dürrenroth); 26. November BiblioWerkstatt: Ungewöhnliches aus recycelten Büchern. Viele weitere Anlässe auch für die Kinder und Jugendlichen. Mehr Infos unter www.bibliothek-huttwil.ch
Von Yanick Kurth