Mehr Dividende: Was steckt dahinter?
Die Stadt fordert von der IB Langenthal AG neu zwei Millionen Franken Dividende anstatt wie bisher 1,5 Millionen. Das wirft gleich mehrere Fragen auf. Etwa: Hat der Gemeinderat mit diesem Vorgehen sein Budget aufpoliert? Oder: Wie gross ist die Freude bei der IB Langenthal AG darüber, dass sie 2024 eine zusätzliche halbe Millionen Franken an die Stadt abliefern sollen? Und: Müssen Langenthalerinnen und Langenthaler aufgrund der höheren Dividendenforderung nun mit steigenden Energiepreisen rechnen?
Eine Spurensuche im Finanzdickicht.
Als Alleinaktionärin gibt bei der IB Langenthal AG (IBL) die Stadt Langenthal den Ton an. Sie kann bestimmen, wie hoch die Dividende sein soll, die an die Stadt abzuliefern ist. Zuletzt lag die Höhe der Dividendenforderung bei 1,5 Millionen Franken pro Jahr. Mit dem Budget 2024, das vom Gemeinderat erarbeitet worden war und das
der Stadtrat – und letzten Dezember schliesslich auch die Stimmbevölkerung – gutgeheissen haben, erhöht sich die Dividendenforderung an die Adresse der IBL nun allerdings um eine halbe Million auf neu zwei Millionen Franken pro Jahr. Ein namhafter Betrag, der – will man als IBL den gestiegenen Dividendenansprüchen gerecht werden – zuerst irgendwie erwirtschaftet, eingespart oder aus Reserven finanziert werden muss.
Mehr Dividende, weniger Defizit
Da die IB Langenthal AG sowieso zu 100 Prozent der Stadt Langenthal gehört, fragt man sich, was das Ganze überhaupt soll. Worin liegt der Sinn, der eigenen Tochter mehr Dividende abknöpfen zu wollen? Eine Frage, die Stadtpräsident Reto Müller (SP) beantworten kann. Er räumt ein, das Vorhaben habe mit der Finanzstrategie des Gemeinderats zu tun: «Mit der zusätzlichen halben Million von der IBL verbessern wir das städtische Rechnungsergebnis 2024 – der prognostizierte Aufwandüberschuss der Stadt Langenthal wird damit um 0,5 Millionen Franken reduziert.»
Frage eins kann also mit Ja beantwortet werden: Der Gemeinderat hat mit der höheren Dividendenforderung das Budget 2024 aufpoliert. Dies sei – kurzfristig betrachtet – ein legitimes Vorgehen, meint Reto Müller. Ein Vorgehen, das mit der letztjährigen Budgetberatung auch vom Stadtrat und im Dezember mit dem Ja der Stimmbevölkerung zum Budget 2024 auch vom Souverän gutgeheissen worden sei.
Hätte der Gemeinderat die zusätzliche halbe Million der IBL nicht ins Budget 2024 mit eingerechnet, würde das voraussichtliche Defizit der Stadt Langenthal 3,63 Millionen Franken betragen (jetzt 3,13 Millionen). Aufpoliert hat der Gemeinderat das Budget 2024 deshalb, weil er sich gemäss seiner Finanzstrategie für die Jahre 2024 bis 2029 eine Defizitobergrenze von vier Millionen Franken pro Jahr auferlegt hat. Mit nun 3,13 Millionen Franken Defizit kann der Gemeinderat fürs laufende Jahr somit ein Budget vorweisen, mit welchem diese Zielsetzung voraussichtlich erfüllt werden kann.
Doch will die Stadt Langenthal ihre strukturellen Defizite auch auf lange Sicht mit finanziellen Mitteln der IBL stopfen? Möglicherweise sogar mit noch höheren Dividendenforderungen? Stadtpräsident Reto Müller verneint beides. Dies sei langfristig keine gute Idee. «Ich gehe davon aus, dass der Gemeinderat einmalig entschieden hat, zwei Millionen Franken Dividende von der IBL zu verlangen.» Welche Dividendenforderung aber letztlich für 2025 festgelegt werde, sei erst Bestandteil des diesjährigen Budgeterarbeitungsprozesses, ergänzt er.
IBL verzichtet auf Statement
Wie glücklich die Verantwortlichen der IB Langenthal AG über den Entscheid des Gemeinderats sind, mehr Dividende von der IBL zu verlangen, ist auf offiziellem Weg nicht in Erfahrung zu bringen – das Unternehmen verzichtet derzeit auf eine öffentliche Stellungnahme. IBL-Direktor Rudolf Heiniger sagt dazu nur folgendes: «Die IB Langenthal AG gehört zu 100 Prozent der Stadt Langenthal, entsprechend steht der Stadt an unserer
Generalversammlung als einzigem Aktionär der Beschluss über die Dividende zu. Diese Höhe wird entsprechend im Verwaltungszentrum festgelegt.»
Trotz dieser neutralen Aussage Heinigers liegt die Vermutung nahe, dass Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der IBL herzlich wenig erfreut sind darüber, dass sie mehr Geld an die Stadt abliefern müssen. Es bestünden in Sachen Dividende in der Tat unterschiedliche Ansichten, bestätigt Reto Müller.
Investitionen stehen an
Dass die IBL offenbar recht wenig erbaut ist über den Entscheid ihrer Eigentümerin, lässt sich unter anderem mit der wirtschaftlichen Situation erklären, in welcher sich die IB Langenthal AG derzeit befindet. Finanziell betrachtet steht die IBL zwar auf soliden Beinen. Tatsache ist aber, dass den Industriellen Betrieben in den kommenden Jahren noch zahlreiche Investitionen bevorstehen, unter anderem Investitionen in Wärmeverbünde (siehe Wärmeverbund Nord – der «Unter-Emmentaler» berichtete). Eine höhere Dividende führt nun dazu, dass weniger Geld bei der IB Langenthal AG verbleibt und dass für die geplanten Investitionen mehr Fremdkapital benötigt wird. Letzteres ist nicht gratis und verursacht bei der IBL nebst Abhängigkeiten auch Kosten.
Erschwerend dürfte hinzukommen, dass sich Investitionen wie der Aufbau von Wärmeverbünden für die IBL nicht sofort auszahlen werden. Man hat zum aktuellen Zeitpunkt sehr hohe Investitionskosten; aber die Abnehmer, die durch ihre Bezüge der IBL wieder Geld einbringen werden, kommen erst nach und nach dazu. Das Geschäft mit Wärmeverbünden und dergleichen rechnet sich also erst zu einem späteren Zeitpunkt so richtig.
Pikant ist in diesem Zusammenhang, dass der Plan, in Wärmeverbünde zu investieren, eine politische Forderung seitens der Stadt als Eigentümerin ist. Es ist eine gewollte Abkehr vom Gas, hin zu einer nachhaltigen Wärmeversorgungslösung. Diesem Plan muss die IBL also nachkommen und entsprechend Geld investieren. Gleichzeitig muss sie nun aber auch noch eine höhere Dividende an die Stadt abliefern.
Auch dem Stadtpräsidenten leuchtet ein, dass dies eigentlich eine paradoxe Situation darstellt: «Dass die IBL derzeit einen hohen Investitionsbedarf hat und wirtschaftlich gesehen in den nächsten Jahren eher unter Druck steht, ist durchaus auch bei mir angekommen», versichert Reto Müller.
Mehr Dividende sollte nicht zu höheren Preisen führen
Bleibt noch die Beantwortung der letzten Frage: Wird die höhere Dividendenforderung womöglich auf die Langenthalerinnen und Langenthaler abgewälzt, indem diese demnächst (noch) höhere Preise für den Bezug von Energie et cetera berappen müssen? Die Vermutung liegt auf den ersten Blick nahe, denn aus Laiensicht müssen die Industriellen Betriebe die zusätzliche halbe Million ja irgendwie erwirtschaften können – möglicherweise durch eine Preiserhöhung. Auf offiziellem Weg ist dazu von der IBL ebenfalls nichts zu erfahren. Reto Müller geht derweil davon aus, dass die IBL durch die höhere Dividendenforderung nicht allzu sehr unter Druck geraten wird und dass das Unternehmen die halbe Million finanziell wird abfedern können – etwa durch die Verwendung von Reserven oder generell durch ein haushälterisches Wirtschaften. Mit einem Abwälzen auf die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler ist vor diesem Hintergrund also nicht zu rechnen. Auch deshalb nicht, weil die Dividende schliesslich ein Teil der Gewinnverwendung ist und insofern keinen Einfluss auf die Preise der IBL hat.
Von Patrick Jordi