«Mein Erfolg ist das Ankommen»
«Wenn du sportlich fit bist, hilft dir dies auch in allen anderen Lebensbereichen», sagt der 86-jährige Eugen Röthlin. Der Langenthaler ist das beste Beispiel für diese Aussage. Topfit bestreitet er immer noch mit Hingabe Orientierungsläufe, Langlauftouren sowie den Alltag. «Beim OL brauchst du auch den Kopf. Dies gefällt mir besonders.»
Sport/Orientierungslaufen · «Mein Erfolg ist nicht eine gute Ranglistenklassierung, sondern das Ankommen», sagt Eugen Röthlin schmunzelnd. «Damit bin ich bei meinen sportlichen Aktivitäten immer gut gefahren.» Und diese sind vielseitig. Seit jeher frönt der rüstige Langenthaler, der aus Kerns in Obwalden stammt, dem Sport. «Begonnen habe ich mit dem Laufsport. Einfach, um fit zu bleiben. Wettkämpfe waren mir nicht so wichtig», erklärt Eugen Röthlin. Und gleichwohl hat er einige davon besucht. «Ich achtete immer darauf, den Wettkampf auch mit einem Abenteuer zu verbinden. So habe ich den Grand-Prix von Bern nur wenige Male absolviert. Packende Geländeläufe haben mich mehr angesprochen.» Die Trailrunningläufe über die Kreten der Vogesen gehörten beispielsweise dazu.
Als Training für den Langlaufsport
Den Laufsport die warmen Monate über absolvierte der Langenthaler eigentlich bloss als Training. Denn Röthlins Lieblingssport findet im Winter statt. «Langlauf hat es mir einfach angetan.» Auch in dieser Sportart bestritt der Bewegungsmensch herkömmliche Volksläufe wie den «Engadiner» oder den «Kandersteger» sowie World Loppet Läufe wie den «Marcialonga» oder den «Birkebeiner». Auch im Langlauf bevorzugt der Langenthaler aber Wettmessen, die mit einem hohen Natur- und Abenteuererlebnis verbunden sind. So war er schon zigmal am sogenannten Rucksacklauf im Schwarzwald, dem härtesten Skilanglaufwettbewerb in Mitteleuropa, am Start. «Es müssen 100 km und 2300 Höhenmeter mit einem fünf Kilogramm schweren Rucksack zurückgelegt werden», erklärt Röthlin. Dementsprechend hoch ist der Erlebnisfaktor. Wann immer möglich verbringt Eugen Röthlin mit Kollegen jährlich eine Langlauf-Erlebnisferienwoche in Lappland.
Als 50-Jähriger zum OL-Sport
Den Kontakt zum Orientierungslaufsport knüpfte Röthlin erst im Alter von 50 Jahren. «Mit dem Unteroffiziersverein haben wir ab und zu eine Postensuche unternommen. Dies hat mir auf Anhieb super gefallen.» Weil viele UOV-Mitglieder auch dem Orientierungslaufverein Langenthal angehörten, war Röthlins Beitritt zu den OL-Freunden die logische Folge. «Ich laufe einfach nicht gerne auf der Strasse. Dies ist beim herkömmlichen OL nicht der Fall», erklärt Röthlin. «Meine grosse Faszination am Orientierungslaufen ist die Kombination der Lauf- und Kopfarbeit. Ich mag es, dass es auch das Hirn braucht, um eine gute Leistung zu vollbringen.» Eugen Röthlin ist gerade durch seine jahrelange sportliche Betätigung und sein Bestreben, auch geistig auf der Höhe zu bleiben, für sein Alter topfit. «Ich bin einfach ein bisschen zu schwer», lacht er. «Doch sonst darf ich mich nicht beklagen. Ich habe auch nie mit Verletzungen zu kämpfen.» Einzig das Sehvermögen bereitet einige Probleme. «Einige Nuancen auf der OL-Karte kann ich kaum erkennen, was gelegentlich dazu führt, dass ich die Route nicht korrekt interpretiere.»
Im Training alleine unterwegs
Den Orientierungslauf übt er mittlerweile meist alleine aus. «Viele meiner langjährigen Kollegen sind verstorben oder nicht mehr aktiv.» Mit jüngeren OLV-Mitgliedern möchte er nicht trainieren. «Es würde niemandem etwas bringen. Ich würde die Jungen nur bremsen – und sie mich zu einem zu hohen Tempo verleiten, für welches ich dann büssen würde», erklärt der wachsame Röthlin. «Ich mag es, alleine durch den Wald zu streifen. Ich kann mein eigenes Tempo laufen und die Schönheiten der Natur geniessen.» Einzige Schwierigkeit beim Solotrainiing sei es manchmal – und vor allem bei nicht so schönem Wetter –, sich überhaupt für eine Trainingseinheit zu motivieren. Auch im OL-Sport nennt Röthlin das Finishen als Hauptziel. Jedes Jahr tritt ein neuer Jahrgang guter Orientierungsläufer zur Alterskategorie «H80» (80 Jahre und älter) über, wodurch eine gute Rangierung immer schwieriger wird. Wichtig ist dem Langenthaler daher, eine saubere Routenwahl zu treffen und – wie erwähnt – zu finishen.
Auch mental parat
Eugen Röthlin ist nicht nur sportlich fit. Durch seine jahrelange Tätigkeit als Informatiker einer eigenen Unternehmung gehört er zur raren Gruppe der Senioren, die sich auch im digitalen Zeitalter sehr gut zurechtfinden. «Ich helfe noch heute gerne, wenn sich jemand mit einem EDV-Problem bei mir meldet. So bleibe ich auch im Kopf frisch.»
2020 ist für alle Sportarten ein spezielles Jahr. «Wegen der Coronavirus-Krise habe ich heuer erst drei OL-Wettkämpfe bestritten», sagt Röthlin. «Die geplante Schweden-Reise im Juli, um am grössten Orientierungslauf der Welt, dem O-Ringen, mitzumachen, entfällt.» So bleibt die «Swiss O Week» in Gstaad 2019 vorerst das letzte einwöchige OL-Abenteuer des rüstigen Langenthalers.
Grosses Lob an die OLG Huttwil
«Trainiert habe ich während der Coronavirus-Krise immer. Warum auch nicht? Im Wald begegne ich niemandem. Mir ist klar, dass ich mit 86 Jahren zur Risikogruppe gehöre. Generell verhalte ich mich in dieser speziellen Zeit so: Ich habe vor dem Virus keine Angst – aber den nötigen Respekt.» Eugen Röthlin bestreitet gewöhnlich 20 bis 30 OL-Wettkämpfe im Jahr. In der wettkampflosen Coronavirus-Zeit ist er froh um die Trainings-Postennetze, welche von den Impols-Vereinen (Impols = Zusammenarbeit von sechs regionalen OL-Vereinen) angeboten werden. «In den Langenthaler Wäldern bin ich schon so oft gelaufen, dass ich fast jede Staude kenne.» Umso glücklicher ist er um das grosszügige Angebot der Orientierungslauf-Gruppe Huttwil. «Diese wechselt die Laufgebiete jede Woche. Die jeweilige Karte kann von der Homepage geladen und ausgedruckt werden. Dies ist ein genialer Service», lobt der Langenthaler die Huttwiler Postensucher. «So ist mein OL-Training auch zu Coronavirus-Zeiten höchst abwechslungsreich.» Eugen Röthlin, dem das Autofahren überhaupt keine Mühe bereitet, war in den letzten Tagen oft in der Region Huttwil anzutreffen, zuletzt auf dem Fiechtenberg (Karte Chaltenegg-Huttwilwald), wo das letzte Huttwiler Postennetz zu finden war. «Eine herrliche Gegend. Selbstverständlich halte ich mich während meinen Einsätzen an die Coronavirus-Regeln sowie das OL-Sport-Schutzkonzept. Zudem befolge ich die Regeln der Natur.»
Von Stefan Leuenberger