• Gemeindepräsident Christian Jeremias (links) und Niklaus Leuenberger, Präsident der Käsereigenossenschaft Ursenbach (rechts), hoffen auf eine Nachfolgelösung für das im Frühjahr 2023 abtretende Käser-Ehepaar Barbara und Fritz Lehmann. · Bild: Walter Ryser

09.12.2021
Oberaargau

Milchproduzenten kämpfen um ihre Käserei

Die rund 900 Einwohner zählende Gemeinde Ursenbach verfügt noch über eine eigene Käserei. Doch nun droht das Ende einer langen Käserei-Tradition, denn im Frühjahr 2023 geht das Käser-Ehepaar Fritz und Barbara Lehmann in Pension. Die Käsereigenossenschaft ist auf der Suche nach einem neuen Betriebsleiter.

Ursenbach · Nein, einen Plan B habe man momentan keinen, sagt Niklaus Leuenberger, Präsident der Käsereigenossenschaft Ursenbach, auf die Frage, was passiere, wenn das Käser-Ehepaar Fritz und Barbara Lehmann im Frühjahr 2023 in Pension gehe und man keinen Nachfolger gefunden habe. Es wäre das Ende einer langen Käserei-Tradition in der Gemeinde. Aufzeichnungen über das Bestehen einer Käserei in Ursenbach reichen zurück bis ins Jahr 1846. Am 28. März dieses Jahres beschloss nämlich der Gemeinderat, die zwischen der «dasigen Käsereigesellschaft und der Witwe Anna Güdel schwebende Geldangelegenheit zu untersuchen. Frau Güdel hatte der Käsereigesellschaft Geld geliehen; aber ihre Bürgen wollten nun aus der Bürgschaft aussteigen.» Nochmals kam dieses Geschäft in der Gemeinderatssitzung vom 6. April zur Sprache. In dieser Aufzeichnung liest man «von der früheren ‹Kesereigesellschaft›». Die Frage ist nun, wie lange diese wohl bereits bestanden hatte?

Käserei erlebte einen Aufschwung
Wie auch immer, seither ist viel geschehen, die Käserei in Ursenbach gibt es aber immer noch. Doch wie damals stellt sich nun die Frage: Wie lange noch? Seit 15 Jahren führen Fritz (Jahrgang 1958) und Barbara Lehmann (1961) die Käserei und den dazugehörenden Laden. Für beide war es damals, im Jahr 2007, eine Rückkehr in ihre Heimat. Barbara stammt aus Ursenbach, ihr Ehemann Fritz ist im Nachbardorf Walterswil aufgewachsen. 1985 zog es die beiden weg. In der Gemeinde Oberthal führten sie die Käserei Häuslenbach und später auch die Käserei Reutegraben. Dazwischen hatten sich die beiden während rund fünf Jahren beruflich anderweitig engagiert. Als dann Hans Lehmann, der Bruder von Fritz, nach 27 Jahren seine Stelle als Betriebsleiter der Käserei in Ursenbach kündigte, kehrten Fritz und Barbara Lehmann in ihre alte Heimat zurück. Die beiden blicken mit Freude auf ihr bisheriges Wirken zurück. «Unsere Zeit ist mit sehr vielen schönen Erinnerungen verbunden», sagt Barbara Lehmann und ihr Mann ergänzt, dass die Käserei in Ursenbach nach den Schliessungen jener in Kleindietwil und Rohrbach einen wahren Aufschwung erlebte und man viele neue Kunden gewonnen habe. «Die Ursenbacher, aber auch viele Leute aus den Nachbarorten sowie Tagesausflügler schätzen es, dass es in diesem Dorf noch eine Käserei mit Laden gibt», bemerkte Fritz Lehmann.
Deshalb setze man alles daran, die Käserei-Tradition fortzuführen, gibt Niklaus Leuenberger zu verstehen. Gleichzeitig gibt er sich keinen Illusionen hin, weiss er, dass es nicht leicht sein wird, einen neuen Betriebsleiter zu finden, handle es sich doch hier um einen aufwändigen Job mit hoher Präsenzzeit. «Viele Käser bevorzugen heute eine Anstellung bei einem grossen Milchverarbeiter. Da haben sie einen tollen Job, 5-Tage-Woche und geregelte Freizeit», weiss Leuenberger um die ungleich langen Spiesse bei der Suche nach einem geeigneten Betriebsleiter.

23 Bauern bangen um Zukunft
Das Weiterbestehen der Käserei sei nicht nur für das Dorf wichtig, sondern in erster Linie auch für die insgesamt 23 Bauern der Käsereigenossenschaft. Müsste nämlich die Käserei geschlossen werden, würde dies bedeuten, dass die Landwirte ihren Betrieb nicht mehr wie gewohnt weiterführen könnten und je nach Lösung zu Umstellungen auf ihren Höfen gezwungen wären. Deshalb verwundert es nicht, dass alle Genossenschafter eine Weiterführung des Käserei-Betriebes mit Laden befürworten.

Ohne Käserei auch keine Bäckerei?
Aber nicht bloss die Landwirte sähen es gerne, wenn die Käserei im Dorf bliebe, auch der abtretende Gemeindepräsident Christian Jeremias, selber gelernter Käser, hofft auf eine Fortsetzung der Käserei-Geschichte in Ursenbach. «Für die Bewohner der Gemeinde wäre es enorm wichtig, wenn die Grundversorgung im Dorf weiterhin gewährleistet wäre», weist er darauf hin, dass es neben der Käserei noch eine Bäckerei im Dorf gibt. Sowohl Jeremias wie auch Niklaus Leuenberger sind überzeugt, sollte die Käserei verschwinden, wäre das vermutlich auch der Anfang vom Ende für die Bäckerei. Der Gemeindepräsident weist zudem noch darauf hin, dass die beiden Geschäfte auch für das Dorfleben wichtig seien. «Wenn wir keinen Laden mehr im Ort haben, stirbt ein Teil des dörflichen Lebens», gibt Christian Jeremias zu verstehen.
Vorerst bleibt die Hoffnung, dass sich ein neuer Betriebsleiter finden lässt. Niklaus Leuenberger weist diesbezüglich darauf hin, dass dieser gute Voraussetzungen vorfinden wird, müssten doch nur kleinere Investitionen getätigt werden. Man habe in den letzten Jahren immer wieder in den Betrieb und die Wohnung investiert, so dass nach der Pensionierung des aktuellen Käser-Ehepaares lediglich einige kleinere Auffrischungs-Arbeiten nötig wären.

Von Walter Ryser