«Mister Corona» stellt ein gutes Zeugnis aus
«Mister Corona», Daniel Koch, stellt dem Bundesrat und der Schweizer Bevölkerung ein gutes Pandemie-Zeugnis aus. «Während der ganzen Corona-Krise hat unser Gesundheitswesen nie die Belastungsgrenze überschritten», bilanzierte der 67-jährige Arzt beim Anlass des Vereins Haslibrunnen in der Alten Mühle in Langenthal.
Er ist ein Publikumsmagnet: Wenn er einen Blick auf die Corona-Pandemie wirft, kommen die Leute in Scharen. So auch an diesem Abend im Saal der Alten Mühle in Langenthal, der mit vorwiegend älteren Personen gefüllt war, als Daniel Koch auf Einladung des Vereins Haslibrunnen darüber referierte, «wie Corona unsere Welt verändert hat.» Der 67-jährige Arzt aus Schwarzenburg wurde unvermittelt zum Medienstar, als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie die Schweiz erreichte. Als Leiter Abteilung «Übertragbare Krankheiten» im Bundesamt für Gesundheit (BAG) und später
auch als «Delegierter des BAG für COVID-19» war er für die Kommunikation zuständig und damit während Wochen das «Gesicht dieser Krise».
Lebensfreude ging verloren
Beim Blick zurück diente ihm ein Zitat von Alt-Bundesrat Adolf Ogi aus einem Interview im Schweizer Fernsehen als treffende Bezeichnung dafür, was die Corona-Pandemie für uns alle bedeutet hat: «Mit der Pandemie ist uns ein grosses Stück Lebensfreude geraubt worden», sagte Ogi im Fernseh-Interview. Daniel Koch ist jedoch der Meinung, dass die Pandemie noch mehr ausgelöst hat. «Diese Krise hat in unserer Gesellschaft zu Problemen geführt, wie wir dies in der Schweiz bislang nicht gewöhnt waren», sagte der Arzt. Wolle man eine Krise aber ganzheitlich beurteilen, dann müsse man genauer hinschauen und eruieren, was im Detail abgelaufen sei.
Das machte Daniel Koch in der Folge mit zahlreichen Zahlen und Statistiken. Koch machte klar, dass Pandemien immer von Regierungen und nicht von Gesundheits-Experten gemanagt werden. In der Schweiz war diesbezüglich die Landesregierung dafür verantwortlich. «Meiner Meinung nach hat der Bundesrat ein gutes Krisen-Management betrieben», lobte Koch die Schweizer Regierung. Er wies darauf hin, dass sich unter normalen Umständen der Bundesrat einmal pro Woche zu einer Sitzung trifft und dabei zum Teil über 100 Traktanden behandelt. «Während der Corona-Krise traf sich der Bundesrat wöchentlich zu fünf Sitzungen und behandelte dabei jeweils nur ein Traktandum, die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie», erwähnte Koch.
Unterschiedliche Strategien
Aber auch die gesamte Bundesverwaltung habe auf einen «Chlapf» alles umstellen müssen und sei schlagartig gefordert gewesen, mit Rückhol-Aktionen von Schweizern aus dem Ausland und der Abwicklung von Covid-Krediten. «Je länger eine Krise dauert, desto schwieriger wird es für die Verantwortlichen», stellte Daniel Koch fest. Entscheidend sei deshalb, dass man im Verlaufe einer Pandemie nicht bloss die Gefahren und die Krankheit sehe, sondern den Blick hin und wieder davon abwende, denn das Leben bestehe aus sehr viel mehr.
Beim Blick auf die Auswirkungen der Pandemie in Europa machte der Referent klar, dass sich die Fallzahlen, die während der ganzen Krise im Zentrum standen, unter den Ländern kaum vergleichen liessen, weil es auch darauf ankomme, wie viel in den jeweiligen Ländern getestet worden sei. «Die Deutschen beispielsweise haben kaum getestet, während die Österreicher wie wahnsinnig getestet haben. Entsprechend sind auch die Fallzahlen anders ausgefallen», betonte Koch. Mehr Aufschlüsse liefere diesbezüglich die Statistik zur Übersterblichkeit. So weise die Schweiz in der ersten Corona-Welle eine klare, in der zweiten Welle eine massive Übersterblichkeit auf und auch in der dritten Welle sei eine kleine Übersterblichkeit feststellbar. Österreich und Deutschland dagegen hätten in der ersten und zweiten Corona-Welle eine geringe, dafür in der dritten Welle eine massive Übersterblichkeit registriert. Die Gründe dafür seien schwer nachvollziehbar. «Aber das Virus hat dazu geführt, dass viele Menschen gestorben sind», bilanzierte der Referent. In dieser Statistik lasse sich auch feststellen, dass bei den Kindern keine Übersterblichkeit registriert worden sei, dass Menschen im Alter von 15 bis 44 Jahren vom Virus angesteckt worden seien, die Krankheit aber überlebt hätten. Dagegen habe man bei der Personengruppe 65+ grosse Auswirkungen festgestellt.
Dänemark steht am besten da
Dass in der Personengruppe 44 bis 65 Jahre keine Übersterblichkeit regi-striert worden sei, führe er in erster Linie auf unser gutes und robustes Gesundheits- und Spitalwesen zurück, bemerkte Daniel Koch. Am besten gemeistert habe die Pandemie in Europa Dänemark, das ohne grosse Übersterblichkeit bei den Personen 65+ durchgekommen sei. Die Dänen haben laut Koch enorm viel getestet und dazu auf eine Quarantäne-Pflicht bei Kontaktpersonen verzichtet.
Trotzdem sei die Schweiz relativ gut durch die Krise gekommen. «Während der gesamten Corona-Pandemie hat unser Gesundheitswesen nie die Belastungsgrenze überschritten.» Im Hinblick auf die Zukunft stellte der Arzt fest: «Wenn wir die Spitäler nicht mit Corona-Patienten überlasten wollen, dann spielen die unter 50-Jährigen praktisch keine Rolle.» Will heissen, dass der Fokus bei einem erneuten starken Anstieg im Herbst auf der Personengruppe 50+ liegen müsse. Gleichzeitig warnte der Arzt aber auch, dass niemand das Risiko eingehen sollte, schwer an COVID-19 zu erkranken. «Man kann dieses Risiko mit einer Impfung stark vermindern», empfahl er. Entscheidend für die Bekämpfung einer Pandemie sei auch die Kommunikation, sprach Koch einen letzten Punkt an. «Mit 60 Prozent der Leute gewinnt man Wahlen, bekämpft aber keine Pandemie», erwähnte er salopp und machte klar, dass über 80 Prozent der Bevölkerung die vorgeschlagenen Massnahmen befolgen müssten.
Von Walter Ryser