• «Die junge Generation bringt andere Ideen und andere Betrachtungsweisen mit», sind sich Dyami Häfliger ...

  • ... und Fabian Fankhauser einig. Die beiden GLP-Politiker wurden im November in den Stadtrat Langenthal gewählt. · Bilder: Thomas Peter

28.12.2020
Langenthal

Mit frischem Wind das gelb-blaue Dornröschen aus dem Schlaf erwecken

Bei den Gesamterneuerungswahlen des Gemeinde- und Stadtrates der Stadt Langenthal hat die Grünliberale Partei vor einem Monat vier Sitze (+3) im Stadtrat gewonnen. Mit überzeugenden persönlichen Resultaten wurden Dyami Häfliger und Fabian Fankhauser erstmals gewählt. Die beiden wollen sich gegen festgefahrene Meinungen auflehnen, eingeschlafene Geschäfte neu beleben und Langenthal als Stadt vorwärts bringen. Den Balanceakt zwischen «grün» und «liberal» nehmen sie derweil sehr ernst, denn letztlich sind sie überzeugt: Auch die gelb-blaue Zukunft kann nur aus einer Mischung von beidem bestehen.

Leroy Ryser im Gespräch mit den neu gewählten GLP-Stadträten Dyami Häfliger und Fabian Fankhauser.

2020 neigt sich dem Ende zu und im 2021 haben Sie, Dyami Häfliger und Fabian Fankhauser, die Möglichkeit – immerhin in Langenthal – politisch gesehen, mitzugestalten. Was soll besser werden?
Dyami Häfliger: Da gibt es verschiedene Baustellen und vor allem verschiedene nicht abgeschlossene Geschäfte. Ich denke da einerseits an die Arena Oberaargau, die Entwicklung der Kernstadt oder das Porzi-Areal, welches für Langenthal eine grosse Chance darstellt. Vielerorts sind die Fronten verhärtet. Ich kann das zumeist auch verstehen, wenn man die Geschichte betrachtet, aber hier können wir für Langenthal Vorzeigeprojekte realisieren, die es anzupacken gilt.
Fabian Fankhauser: Insbesondere bei der Arena Oberaargau hat man in der Bevölkerung das Gefühl, dass das Geschäft verschleppt wird und nicht vorwärts kommt, obwohl es vorwärts gehen müsste. Das birgt grosses Frustrationspotenzial.

Gibt es Zustände in Langenthal, die Sie explizit stören?
Dyami Häfliger: Ja, die gibt es. Wir hätten eine wunderschöne Kernstadt. Verwinkelte Gassen, aussergewöhnliche Architektur, tolle Läden, eine Verbindung vom Straub Sport bis zum Wuhrplatz – das alles bietet viele Möglichkeiten. Aber mittendurch führt eine sehr stark befahrene Strasse und ausserdem ist sonntags oder abends dieses Gebiet wie ausgestorben. Ich plädiere dafür, bessere Voraussetzungen zu schaffen, dieses Gebiet zu beleben.

Wie?
Dyami Häfliger: Grundsätzlich braucht es ein besseres Leitsystem, um den Verkehr an diesem Ort zu beruhigen. Danach müssen wir günstige Möglichkeiten schaffen, damit beispielsweise Gastrobetriebe dieses Areal beleben können. Beispielsweise durch die Erlaubnis, öffentlichen Boden zu nutzen, um Tische und Stühle für die Bewirtung aufzustellen. Hier müssen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen.
Fabian Fankhauser: Insbesondere am Freitag- oder Samstagabend finde ich, dass den Gastronomen zu viele Steine in den Weg gelegt werden, um das Nachtleben zu beleben. Um 00.30 Uhr darf man Getränke nicht mehr nach draussen mitnehmen, wenn man rauchen möchte, miteinander «lafere» ist wegen der Nachtruhe auch verboten. Ich bin nicht für eine ungebremste Lärmkultur nach Mitternacht, erwarte aber von Bewohnern im Stadtinneren ein bisschen mehr Verständnis und Toleranz. Und um die Ausgangsfrage noch einmal aufzugreifen: Was mich explizit stört, ist die Webseite der Stadt. Die ist eine Katastrophe.

Darauf kommen wir gerne zurück, lassen Sie mich aber zuerst ein anderes Thema anschneiden. Sie sind beide noch jung und gehören, wie Sie selbst sagen, zu einer neuen Generation. In diesem Alter könnte man sich aber auch um andere Dinge kümmern. Wieso haben Sie dennoch den Weg in die Politik wagen wollen, und wie kamen Sie beide dazu?
Dyami Häfliger: Das habe ich mich während dem Wahlkampf, jeweils am Samstagmorgen um 8 Uhr in der Früh, auch gefragt (lacht). Nein, grundsätzlich ist es ganz einfach: Wenn mich etwas stört, dann will ich aktiv mithelfen, dies zu verbessern. Politik macht mir unglaublich Spass und zudem haben wir hier in der Schweiz eine einmalige Chance, die wir nutzen sollten. Insbesondere junge Menschen sind untervertreten. Unsere Zukunft wird in der Politik entschieden, und deshalb sollten wir uns auch einsetzen.
Fabian Fankhauser: Politisch war ich eigentlich schon immer interessiert, auch deshalb bin ich schon länger der GLP beigetreten. Letztlich war aber eine Diskussion rund ums neue Eisstadion entscheidend. Im Kollegenkreis haben wir darüber diskutiert und uns über die Ausgangslage beschwert. Irgendwann sagte mir ein Kollege «dann mach es doch besser!» – und jetzt bin ich hier.

Worauf freuen Sie sich in Ihrer neuen Aufgabe?
Dyami Häfliger: Wir als GLP waren in den letzten Jahren mit nur einer Person im Stadtrat vertreten, und das macht das Politisieren schwierig. Einerseits kann man nicht alle Geschäfte kennen und dazu Stellung nehmen, andererseits erreicht man dadurch auch die nötige Publicity nicht, um die eigenen Interessen zu vertreten. Mit vier gewählten Personen haben wir nun eine andere Ausgangslage. Ich freue mich darauf, im Stadtrat zu debattieren und aktiv mitzuarbeiten.

Etwas provokant gesagt: Dabei wird im Stadtrat schon jetzt zur Genüge debattiert und zu wenig geliefert ...
Dyami Häfliger: (schmunzelt) In den Kommissionen müssen die Geschäfte gut vorbereitet werden. Da braucht es diesen Dialog unbedingt. Und insbesondere für uns als eher kleine Partei ist Überzeugungsarbeit sehr wichtig. Allgemein gebe ich Ihnen aber recht, dass weniger manchmal auch mehr ist.
Fabian Fankhauser: Zugleich möchten wir natürlich die Möglichkeit nutzen, mitzugestalten. Oft entscheiden in der Politik Menschen über unsere Zukunft, die nur schon altershalber gar nicht gleich tangiert werden, wie zum Beispiel wir. Das muss sich ändern.

Nicht nur in Langenthal, sondern in der ganzen Schweizer Politik herrscht eine grüne Welle. Davon haben auch Sie profitiert. Dennoch: Waren Sie überrascht über den Wahlausgang der Stadtratswahlen?
Fabian Fankhauser: Ja, definitiv. Wir hofften schon auf einen Sitzgewinn, dass es aber gleich drei zusätzliche Sitze werden würden, damit haben wir nicht gerechnet.

Ausserdem war Dyami Häfliger schon vor dem Wahlkampf sehr präsent, Sie sind doch eher überraschend aufgetaucht und haben dennoch das drittbeste Resultat der Partei erreicht.
Fabian Fankhauser: Ich habe gehofft, dass ich den dritten Platz erreichen würde, damit ich vielleicht irgendwann nachrutschen könnte. Dass alles so gut geklappt hat, hat mich überrascht und sehr gefreut.
Dyami Häfliger: Der grüne Trend hat uns zweifellos geholfen, andererseits war unser aktiver Wahlkampf zweifellos auch ein wichtiger Punkt. Wir hatten keine 40 Leute auf der Liste, dafür gelang es uns aber, die Gesellschaft gut abzubilden und so auf verschiedene Weise präsent zu sein.

Im Stadtrat haben wir derzeit eine Patt-Situation. Zählen wir die GLP zur linken Seite, sind je 20 Politiker eher links respektive eher rechts. Sie könnten in dieser Situation eine Schlüsselrolle einnehmen.
Dyami Häfliger: Grundsätzlich zählen wir uns weder zu links noch zu rechts. Die Sache steht im Vordergrund, weshalb wir uns strikt keinem Schema zuteilen lassen wollen. Wir versuchen konsequent, eine Mitte­politik zu betreiben und Nachhaltigkeit in Punkto Ökologie, Ökonomie und Soziales anzustreben. Und dies bei jedem Thema von neuem.
Fabian Fankhauser: Dass wir dann in einzelnen Fällen mit dem linken oder dem rechten Lager stimmen, das liegt auf der Hand. Aber uns ist es wichtig, diesen Balanceakt ernst zu nehmen,  und wir wissen, dass wir in dieser Funktion entscheidende Positionen haben können.

Speziell an den Grünliberalen ist letztlich der «grüne» Teil im «liberalen» oder umgekehrt. Was macht Sie beide liberal oder eben grün?
Fabian Fankhauser: Aus meinem Studium als Energie- und Umweltingenieur weiss ich, dass der Energiewandel nur gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden kann. Beispielsweise sind die zahlreichen Gebäudeumbauten eine Chance für das Gewerbe. Und hier müssen wir liberal sein, um zu einem Ziel zu kommen. Da unterscheiden wir uns auch von den Links-grünen. Während sie eher mit Verboten arbeiten, wollen wir Marktanreize schaffen.
Dyami Häfliger: Die Zukunft kann nur aus beidem bestehen: Grüne Lösungen müssen effizient und sinnvoll sein. Abgesehen davon bin ich grundsätzlich ein liberaler Mensch. Liberal sein heisst, dass jede und jeder seine Freiheit so weit leben darf, wie es die Freiheit des andern nicht zu stark einschränkt. Mit unserem aktuellen Verhalten zerstören wir jedoch die Lebensgrundlagen von morgen und schränken die Freiheit der kommenden Generation extrem ein. Man könnte manchmal sagen, grünliberale Politik sei anstrengend. Wir versuchen stets, die Geschäfte
mit sozialen, ökologischen und ökonomischen Werten in Einklang zu bringen.

Von aussen betrachtet kommt das beispielsweise beim Eissport zum Tragen. Sie beide haben sich im Vorfeld der Abstimmungen für den SC Langenthal und ein neues Eisstadion positioniert. Aber ist das nicht ein Widerspruch? Um Eishockey zu spielen, wird in der heutigen Zeit Energie quasi verschleudert und nicht nur verwendet.
Fabian Fankhauser: Es ist richtig, dass ein gewisser Widerspruch vorhanden ist. Es gibt aber Projekte wie beispielsweise jenes in Lausanne, die wirklich toll und ökologisch tragbar sind. Ausserdem müssen wir auch realistisch sein: Hobbys brauchen Energie. Wir können nicht das ganze Leben auf null runterfahren und nichts mehr tun. Sonst müssten wir jede einzelne Autofahrt und jedes einzelne Bier aufrechnen. Uns geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen und beispielsweise solche Projekte so gut und so grün es eben geht, umsetzen.
Dyami Häfliger: Eishockey ist letztlich auch Leidenschaft. Eine solche Arena wäre ein Leuchtturmprojekt, von welchem die Region profitieren kann. Und gerade deshalb finde ich es persönlich wichtig, dass wir nicht nur vom Eisstadion sprechen. Wir sprechen von einer Sportarena und sagen deshalb auch in der GLP nicht blind «Ja». Wir haben die Vision von einer Arena Oberaargau, die mehrere Vereine mit einbindet, polysportiv brauchbar und ökologisch tragbar ist.
Fabian Fankhauser: Ausserdem müssen wir insbesondere in diesem Punkt die ganze Situation betrachten: Der Schoren ist ökologisch gesehen nicht tragbar. Seit dem Aufstieg im Jahr 2002 wissen wir, dass wir ein neues Stadion brauchen und entstanden ist ein Flickwerk an vielen Ecken und Enden. Hätten wir uns damals beeilt, würden wir im Vergleich zur jetzigen Situation Tonnen an Energie und Geld sparen. Somit ist es auch ökologisch gesehen wichtig, dass dort etwas passiert. Und die Option «Null», dass es den Eissport im Oberaargau nicht mehr gibt, erachte ich als absolut untragbar.

Ich hake doch noch einmal nach: Macht ein solch offensichtlicher Widerspruch allgemein gesehen nicht auch ein wenig unglaubwürdig?
Fabian Fankhauser: Was ist die andere Option? Alles abschalten? Wir müssen intelligente Lösungen finden. Mit einem totalen Konsumverzicht erreichen wir nichts, denn grundsätzlich ist der Mensch keiner, der gerne auf etwas verzichtet. Es gibt bessere Wege.

Mit Ihrer Wahl wurde das Stadtparlament nicht nur grüner, sondern auch jünger. Wo sehen Sie darin Vorteile?
Dyami Häfliger: Die junge Generation bringt andere Ideen und andere Betrachtungsweisen mit. Ausserdem waren wir noch nicht im Stadtrat und sind vielleicht auch etwas weniger in bestehenden Systemen festgefahren und dadurch unvoreingenommen. So kann es auch wieder vermehrt gelingen, Lösungen über die Parteigrenzen hinweg zu finden. Ich mache beispielsweise die Erfahrung, dass ich mit Jungpolitikern von anderen Parteien sehr gut und konstruktiv sprechen kann.
Fabian Fankhauser: Und letztlich nimmt man immer dort Einfluss, wo einem der Schuh selbst drückt. Wir sprechen vielleicht auch schlichtweg andere Probleme an.

In diesem Zusammenhang war es auch auffällig, dass Sie im Internet sehr präsent waren und zudem wurde vorhin die Website der Stadt angesprochen. Man darf also davon ausgehen, dass Sie sich auch bei digitalen Themen explizit engagieren wollen, richtig?
Fabian Fankhauser: Ja, über die Homepage der Stadt haben wir tatsächlich schon zigmal diskutiert. Wir vergleichen uns ja gerne mit Burgdorf und nur schon deshalb muss in diesem Bereich etwas passieren.
Dyami Häfliger: Letztlich geht es ja auch nicht nur um die Website an sich. Verwaltungsprozesse müssen optimiert werden, digitale Angebote wie ein Onlineschalter müssen ausgebaut und leichter zugänglich gemacht werden, damit man nicht für jede einzelne Bestellung zur Verwaltung gehen muss. Und nicht zuletzt ist es eine Tatsache, dass sich Langenthal enorm schlecht vermarktet. Dabei hätten wir doch so viel zu bieten. Erst noch vor kurzem wollten wir beispielsweise einen Wakker-Wanderweg einführen. Das wurde sofort abgeblockt, und ich finde das – auch wenn es ein einzelnes isoliertes Beispiel ist – schade.

Unter weiteren Themen ist im Abstimmungskampf auch hin und wieder die Wässermatte als wichtiges Langenthaler Kulturgut genannt worden. Hier wiederum sind wir bei einem typisch «grünen» Thema. Was ist an diesem Kulturgut erhaltenswert?
Dyami Häfliger: Es ist ein Naherholungsgebiet in nächster Nähe. Damit ermöglichen wir ein Gleichgewicht zwischen Stadt- und Grünflächen. Ich persönlich jogge oder wandere immer sehr gerne in diesem Gebiet und finde, dass wir das unbedingt erhalten müssen. Nicht zuletzt ist die Wässermatte optimal, um die Biodiversität zu fördern. Solche Flächen gibt es in der Schweizer leider immer weniger.

Wie gelingt es, dieses Angebot zu schützen?
Dyami Häfliger: Es ist wichtig, bei diesem Thema eine Diskussion zu führen. Vor allem auch in der Bevölkerung. Ich habe leider das Gefühl, dass sehr viele Langenthaler gar nicht wissen, was die Wässermatte explizit ist und was sie bietet.
Fabian Fankhauser: Und auch hier wären wir dann wieder beim Stadtmarketing ...

Ganz allgemein und nicht zuletzt wegen der Coronavirus-Pandemie stehen schwierige Herausforderungen an – auch in Langenthal. Wo und in welchen Themen wird die Bevölkerung von Langenthal den Einsatz der Neugewählten besonders benötigen?
Fabian Fankhauser: Dort, wo Diskussionen festgefahren sind. Ich denke an die «Porzi» oder das Stadion. Wenn immer die gleichen Menschen über das gleiche Thema diskutieren, geht es oft nicht vorwärts. Frischer Wind kann dabei gut tun.
Dyami Häfliger: Ich wünsche mir ausserdem eine Vision für diese Stadt. Was ist Langenthal? Sind wir ein Dorf? Oder eine Stadt? Über solche Themen sprechen wir oft gar nicht mehr miteinander und das finde ich schade. Deshalb sage ich es auch explizit in unserem Namen als Partei: Wir reden mit allen gerne über solche Themen, egal aus welcher Partei.
Fabian Fankhauser: Und letztlich haben wir als Mittepartei auch ein wenig diese Aufgabe: Mit allen an den Tisch sitzen und Lösungen finden. Das gehört bei uns dazu.

Insbesondere nach dem als «Corona-Jahr» bekannten 2020 haben die Menschen zahlreiche Wünsche und Träume. Welche haben Sie?
Fabian Fankhauser: Für das Kulturelle und das Nachtleben hoffe ich, dass wir einen Weg finden, ein vielfältiges und kulturelles Angebot aufrecht zu erhalten. Ich fände es gut, wenn wir hier nicht nur zum vorherigen Ausgangspunkt zurückkehren könnten, sondern sogar noch etwas weitergehen würden. Wie zuvor angesprochen, fände ich es gut, Möglichkeiten zu schaffen um beispielsweise abends länger offen zu halten oder das Gastro-Angebot an sich zu vergrössern.
Dyami Häfliger: Was mir persönlich ein bisschen Angst macht, ist die zunehmende Polarisierung auf der ganzen Welt. Viele Menschen haben extrem festgefahrene Meinungen und sind stur. Ich wünsche mir, dass wir uns zusammenraufen und uns zusammensetzen, um zusammen zu reden. Ein offener Dialog erachte ich als enorm wichtig. Und ich hoffe, dass wir hier als neugewählte GLPler einen Beitrag leisten können.